Proteste in Polen Polizei räumt nach Protesten Sitz der Wahlkommission

Waschau · In Polen steht erstmals seit dem Übergang zur Demokratie vor 25 Jahren die Glaubwürdigkeit einer Wahl auf dem Prüfstand. Die Opposition will eine Wiederholung, die Ministerpräsidentin schließt dies aus. Der Staatspräsident verschiebt eine Japanreise.

 Ultrakonservative Demonstranten hielten für einige Stunden die Räumlichkeiten der Wahlkommission besetzt.

Ultrakonservative Demonstranten hielten für einige Stunden die Räumlichkeiten der Wahlkommission besetzt.

Foto: dpa, dw lb

Die Nachwirkungen einer Computerpanne bei den polnischen Kommunalwahlen am vergangenen Sonntag wachsen sich zu einer politischen Krise aus: Die rechtsnationale Opposition forderte eine Wiederholung des Urnengangs, die liberal-konservative Ministerpräsidentin Ewa Kopacz schloss dies am Freitag allerdings aus. Staatspräsident Bronislaw Komorowski verschob eine für kommende Woche geplante Japanreise, um mit den Parteien Gespräche zur Lösung des Problems zu führen. Wahlleiter Stefan Jaworski reichte seinen Rücktritt ein.

Die Sprecherin von Komorowski, Joanna Trzaska-Wieczorek, sagte der Nachrichtenagentur AP, der Präsident werde das Rücktrittsgesuch von Jaworski akzeptieren, sobald die vollständigen Ergebnisse der Stichwahlen um das Bürgermeisteramt in einigen Gemeinden vorlägen.
Diese werden für den 30. November erwartet.

Zuvor hatte Regierungschefin Kopacz gesagt, die Wahlkommission habe versagt, was aber nicht heiße, dass die Wahl manipuliert sei. "Ich schließe eine Wiederholung der Wahl absolut aus", sagte sie dem Radiosender Zet. "Die Demokratie funktioniert gut." Die Kommunalwahlen galten gerade auch für Kopacz als Test, um vor der Präsidenten- und Parlamentswahl im kommenden Jahr die Stimmung im Land abzuschätzen.

Einige Politiker der Opposition sehen nun aber das Vertrauen in den Wahlprozess erschüttert und begründen damit die Forderung nach einer Wahlwiederholung.

Am Donnerstagabend hatten Dutzende rechtsgerichtete Demonstranten das Gebäude der Wahlkommission in Warschau gestürmt und deren Rücktritt gefordert. Der Grund dafür war offenbar eine Verzögerung bei der Stimmenauszählung. Dies schürte Spekulationen, die Wahl könne manipuliert sein. Wahlumfragen zufolge gewann die rechte Oppositionspartei Recht und Gerechtigkeit die Wahlen, die meisten der Demonstranten waren Anhänger.

Die Wahlkommission gab indes an, ihre Webseite sei gehackt worden, weshalb es noch nicht möglich sei, die Resultate zu veröffentlichen. An einigen Orten müssten die Stimmen deshalb per Hand ausgezählt werden. Die Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen wegen der Hackerattacke aufgenommen. Sie schloss aber aus, dass der mutmaßliche Cyberangriff etwas mit der Panne des Zählsystems zu tun haben könnte.

Die Wahlkommission hatte von einer wenig bekannten Firma namens Nabino ein günstiges Stimmenauszählungssystem bezogen. Trotz zweier fehlgeschlagener Tests hielt sie an dem System fest - obwohl auch eine staatliche Sicherheitsbehörde davor warnte. Ein Mitglied der Kommission trat bereits am Mittwoch zurück.

Kopacz hatte der Partei Recht und Gerechtigkeit - nach Veröffentlichung von Wählerbefragungen - bereits am Sonntagabend zum mutmaßlichen Sieg gratuliert. Auf die Oppositionspartei entfielen einer Prognose zufolge rund 31,5 Prozent der Stimmen, wie das Meinungsforschungsinstitut Ipsos mitteilte. Die liberal-konservative Regierungspartei Bürgerplattform kam auf rund 27,3 Prozent.

Am Sonntag waren rund 30 Millionen Stimmberechtigte aufgerufen gewesen, über insgesamt knapp 47 000 Räte und 2500 Kommunalverwaltungschefs abzustimmen. Wann die endgültigen Ergebnisse vorgelegt werden sollen, blieb unklar.

(AP)
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