Warum Hollande Syrien mit Militär droht Präsident im Kriegsmodus
Düsseldorf · Frankreichs neuer Präsident François Hollande droht Syrien mit einer Militärintervention - und macht die Verbündeten sprachlos. Derartige Überraschungen kannte man bisher nur von Hollandes Vorgänger, Nicolas Sarkozy. Wer auf die Hintergünde blickt, entdeckt tatsächlich erstaunliche Parallelen.
Derart kriegerische Töne kannte man vom bislang immer freundlich-verbindlich auftretendem Monsieur Hollande nicht. Am Dienstagabend ließ er den Außenpolitikern der westlichen Hemisphäre mehr oder minder die Kinnlade herunterklappen: "Militärintervention gegen Syrien - nicht ausgeschlossen", so das Statement des Franzosen im TV-Sender France 2.
Die erstaunten Reaktionen erfolgten prompt. "Aus Sicht der Bundesregierung gibt es keinen Anlass, über militärische Optionen im Hinblick auf die Lage in Syrien zu spekulieren", hieß es im Außenamt in Berlin. "Für Spekulationen über militärische Optionen besteht aus Sicht der Bundesregierung kein Anlass", sagte der deutsche Außenminister Guido Westerwelle der Tageszeitung "Die Welt" laut Vorabmeldung.
Auch andernorts hielt man sich bedeckt. Der Sprecher von US-Präsident Barack Obama sagte, die Regierung in Washington glaube, "dass dies nur zu einem noch größeren Chaos, zu einem noch größeren Blutbad führen würde". Dass bei der Nato ohnehin keinerlei Interesse an einem Militäreinsatz besteht, ist in den Hauptstädten ohnehin kein Geheimnis. Die Mittel sind seit dem Libyen-Einsatz erschöpft, die syrischen Truppen gelten als bestens ausgerüstet, eine Intervention könnte der Beginn eines Flächenbrandes im Nahen Osten sein.
Vereinbarkeit mit Völkerrecht Voraussetzung
Hollande kümmert das nicht. "Eine Militärintervention ist nicht ausgeschlossen", sagte Hollande für jeden hörbar im Fernsehen. Allerdings mit einem Zusatz. Voraussetzung dafür sei die Vereinbarkeit mit dem Völkerrecht und ein Mandat des UN-Sicherheitsrats, schränkte Hollande ein. Womit klar wäre: Da fuchtelt einer mit dem Säbel, ohne ihn jemals benutzen zu wollen. Eine Zustimmung des UN-Sicherheitsrates ist derzeit angesichts der Blockadehaltung Russlands und Chinas ausgeschlossen.
Dennoch ist das Reden von militärischen Optionen gefährlich. Denn daran wird sich Hollande messen lassen müssen. Umso mehr lösten Hollandes Äußerungen Erstaunen aus. Noch kurz zuvor hatte sein Außenminister Laurent Fabius auf die beträchtlichen Risiken eines regionalen Flächenbrandes hingewiesen. Die Plötzlichkeit von Hollandes Manöver provozierte umso mehr Vergleiche mit dem sprunghaften, erratischen Sarkozy.
Zumal die beiden Präsidenten eine weitere Gemeinsamkeit aufweisen: Bei beiden hatte offenbar im Hintergrund ein Philosoph die Finger im Spiel. Die Rede ist von Bernard-Henri Lévy (63), der sich schon vor dem Libyen-Krieg als treibende Kraft hervorgetan hatte, damals im direkten Austausch mit Nicolas Sarkozy.
Nun fragt sich Frankreich abermals: Beeinflusst da ein kriegerischer Philosoph die Außenpolitik der drittgrößten Atommacht der Welt? Wenige Stunden, bevor Hollande im Fernsehen vion Militärintervention sprach, hatte der kriegerische Intellektuelle einen Brandbrief an den Staatschef veröffentlicht.
Darin warf er ihm vor, sich mehr für Benzinpreise und Bundeskanzlerin Angela Merkel zu interessieren, als für die Rettung des syrischen Volkes. Notfalls müsse Frankreich auch nur mit Rückendeckung der Arabischen Liga und der EU einen Militäreinsatz in Erwägung ziehen, fordert er.
Wahlen zur Nationalversammlung stehen an
In einem Gespräch vor der Präsidentenwahl habe Hollande so gewirkt, als teile er die Idee, dass das Regime von Baschar al-Assad nur so stark sei, weil die internationale Gemeinschaft zu zurückhaltend und feige sei. "Das ist einer der Gründe, warum ich für Sie gestimmt habe", schrieb der in Algerien geborene Lévy. "Möge ich mich nicht geirrt haben."
Diplomaten in Paris verweisen indes auf einen ganz anderen Zusammenhang, der Hollande zu seinen Äußerungen gerieben haben könnte: In Frankreich stehen am 10. und 17. Juni Wahlen zur Nationalversammlung an. Will Hollande in den kommenden fünf Jahren ohne große Widerstände regieren, muss er seine Sozialistische Partei zum Sieg führen. Tatenlosigkeit angesichts der Massaker in Syrien gilt da als kontraproduktiv - zumal Hollandes Vorgänger Nicolas Sarkozy mit dem beherzten Eingreifen in Libyen einen großen politischen Erfolg verbuchen konnte.
Für den umtriebigen Lévy - in Frankreich unter dem gängigen Kürzel BHL längst ein Markenzeichen - sind die Hollande-Äußerungen dennoch ein weiterer großer Erfolg. Der stets mit weißem, weit aufgeknöpftem Hemd auftretende Intellektuelle und Publizist wurde bereits von Sarkozy-Vorgänger Jacques Chirac zu politischen Gesprächen empfangen und setzte sich im Bosnien-Konflikt für ein Eingreifen der internationalen Gemeinschaft ein. Später prangerte er unter anderem die Tatenlosigkeit der EU im Georgienkrieg an.
Endgültig international bekannt wurde der 63-Jährige mit seinem Engagement für die Aufständischen in Libyen. Lévy knüpfte damals enge Kontakte zu den Rebellen und brachte sie mit Sarkozy in Verbindung. Dass er die scharfe UN-Resolution und den schnellen Beginn der Libyen-Offensive mit in die Wege geleitet hat, will er zwar nicht für sich in Anspruch nehmen. Aber dass Sarkozy überraschend die Repräsentanten der libyschen Rebellen anerkannte, gehe durchaus auf sein Konto, sagte er danach.