Präsidentschaftswahlkampf Frankreich steht vor einem Neuanfang

Paris · Innerhalb von nur zehn Tagen haben gleich drei Schwergewichte der französischen Politik aufgegeben, darunter ein amtierender Staatspräsident. Der Präsidentschaftswahlkampf dürfte jetzt noch turbulenter werden.

 Francois Hollande hat eine erneute Kandidatur ausgeschlossen.

Francois Hollande hat eine erneute Kandidatur ausgeschlossen.

Foto: afp, FM

Lange galt in Frankreichs Politik die Devise: Wir nehmen dieselben und machen weiter. Das politische Spitzenpersonal, vorwiegend ausgebildet auf den Elite-Akademien der Nation, wechselte kaum. Die ewig gleichen Gesichter machten eine sich ewig gleichende Politik. Doch das hat sich geändert. Innerhalb von nur zwei Wochen mussten gleich mehrere Schwergewichte der politischen Klasse ihre Plätze räumen. Das vorläufig letzte Opfer dieses Elefantensterbens war niemand Geringerer als der amtierende Staatspräsident François Hollande. Am Donnerstagabend hatte der Sozialist überraschend angekündigt, er werde im kommenden Jahr nicht für eine zweite Amtszeit kandidieren. Ein Präsident, der das Handtuch wirft - das ist eine Premiere in der einst von Charles de Gaulle begründeten Fünften Republik.

Kurz zuvor hatten schon zwei Matadore der Konservativen das Handtuch werfen müssen. Nicolas Sarkozy, Präsident von 2007 bis 2012, scheiterte schon in der ersten Runde der Vorwahl seiner Partei. Alain Juppé, einst Premierminister unter Jacques Chirac, wurde in der Stichwahl geschlagen. Für Juppé bedeutet das das Aus seiner nationalen politischen Karriere und für Sarkozy wohl auch, obwohl man bei ihm nie ganz sicher sein kann.

Es ist eine Zäsur in der französischen Politik, das steht fest. "Der Abgang von drei Persönlichkeiten, die unserem politischen Leben vertraut waren, innerhalb von zehn Tagen bedeutet eine Erneuerung der politischen Klasse", schreibt der Politologe Dominique Reynié in "Le Monde". Politische Erfahrung, eine politische Vergangenheit mit dem Prestige höchster Staatsämter, die früher einmal großes Gewicht besaßen - sie scheinen plötzlich nicht mehr viel wert zu sein. Auch in Frankreich nimmt die Kritik an den Eliten zu. Was freilich noch nicht heißt, dass das politische Personal komplett ausgewechselt worden wäre. Immerhin geht mit François Fillon ebenfalls ein früherer Regierungschef für die Konservativen ins Rennen um die Präsidentschaft. Und bei den Sozialisten werden dem amtierenden Premierminister Manuel Valls derzeit die besten Chancen nachgesagt, als Kandidat der Sozialisten das Erbe von Hollande anzutreten.

Marine Le Pen vom rechtsextremen Front National hat schon damit begonnen, diesen Umstand für ihre Wahlkampfrhetorik zu nutzen. Sie sprach bereits von der Kandidatur der "Doppelgänger": Fillon als Alter Ego von Sarkozy, unter dem er fünf Jahre lang Premier war. Und Valls für Hollande. "Die Frage stellt sich, ob François Fillon und Manuel Valls eher als neue Kandidaten oder eher als ehemalige Premierminister angesehen werden", erklärt Politologe Reynié. Für Fillon scheint die Antwort klar: Er gilt den meisten Franzosen als eigenständiger Bewerber, da seine Zeit an der Regierung bereits vor fast fünf Jahren endete und er danach innerparteilich einen teils scharfen Wahlkampf gegen seinen ehemaligen Chef Sarkozy machte.

Für Valls liegt die Sache dagegen komplizierter. Er ist eng mit dem Präsidenten verbunden, der ihn 2014 zum Regierungschef berief. "Wir werden die Bilanz von François Hollande verteidigen müssen. Ich werde das tun", sagte der ehrgeizige 54-Jährige bei seinem ersten Auftritt nach Hollandes Verzicht. Diese Bilanz ist allerdings mager. Vor allem bei seiner wichtigsten Aufgabe, dem Kampf gegen die Rekordarbeitslosigkeit, versagte der Sozialist - obwohl er Jahr für Jahr eine Trendwende auf dem Arbeitsmarkt ankündigte, die aber stets ausblieb. Tatsächlich sind heute gut 500.000 Franzosen mehr arbeitslos als zu Beginn seiner Amtszeit. Dass die Zahlen zuletzt leicht zurückgingen, ist vor allem einem groß angelegten Weiterbildungsprogramm zu verdanken.

Manuel Valls sei nur der "Ersatzmann von François Hollande", kritisierte prompt der Wahlkampfleiter des früheren Wirtschaftsministers Arnaud Montebourg, der zum linken Flügel der Sozialisten gehört. "Er ist noch sein Premierminister und deshalb für seine Bilanz verantwortlich." Montebourg hat bereits seine Kandidatur bei den Vorwahlen der Sozialisten im Januar erklärt. Im direkten Vergleich schneidet er allerdings schlecht ab: Nur 15 Prozent der Parteimitglieder sind laut einer gestern veröffentlichten Umfrage für ihn, dagegen halten es 57 Prozent mit dem Premier. Trotzdem dürfte es Valls nach derzeitigem Stand im Frühjahr 2017 ebenso wenig in die Stichwahl der Präsidentenwahl schaffen wie sein Rivale, Ex-Wirtschaftsminister Emmanuel Macron, der unabhängig von den Vorwahlen der Sozialisten antritt.

Valls muss an zwei Fronten kämpfen

Valls muss im Falle seiner Kandidatur gleich an zwei Fronten kämpfen - gegen den jugendlichen Macron, der ihm das Image des Reformers streitig macht, und gegen seinen linken Parteiflügel. Für den ist er zur Hassfigur geworden, seit er ein ausgerechnet von Macron eingebrachtes Gesetz zur Ankurbelung der Wirtschaft am Parlament vorbei verabschieden ließ. Der Regierungschef sprach selbst von "zwei unversöhnbaren Linken" - seiner eher sozialdemokratisch geprägten Strömung und den Vertretern eines stramm sozialistischen Kurses alter Prägung. Die beiden Flügel dürften sich bis zu den Vorwahlen im Januar gegenseitig zerfleischen. Obendrein tritt mit Jean-Luc Mélenchon auch noch ein Ex-Sozialist an, der im ganz linken Spektrum seine Stimmen fischt. Und die Grünen werden auch noch einen Kandidaten aufbieten.

Noch geben sich einige Sozialisten der Hoffnung hin, der spektakuläre Hollande-Rückzieher könnte nun heilsamen Druck auf die Linke ausüben, ihre Grabenkämpfe zu beenden und an einem Strang zu ziehen. Doch mehr als eine Hoffnung ist das nicht. Es bleibt wohl dabei, dass mit François Fillon und Marine Le Pen zwei Kandidaten rechts der Mitte die nächste Präsidentenwahl unter sich ausmachen.

(RP)
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