Putschversuch in der Türkei Zentrum für Türkeistudien glaubt nicht an Verschwörungstheorien

Düsseldorf · Die Listen mit Tausenden Namen von Richtern und Beamten, die nun in der Türkei abgesetzt werden sollen, sind nach Expertenmeinung schon vor dem Putschversuch aufgestellt worden.

"Wachen für die Demokratie" - Erdogan-Anhänger gehen auf die Straßen
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Foto: afp, OZN

"Der Staatsapparat weiß natürlich, wer ihn kritisiert. Das Imperium schlägt zurück. Jetzt folgen harte Sanktionen", sagte der Leiter des Essener Zentrums für Türkeistudien und Integrationsforschung (ZfTI), Haci Halil Uslucan, unserer Redaktion. Verschwörungstheorien, wonach Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan selbst hinter dem Putsch stecke, wies er zurück. Er habe den Eindruck, dass Erdogan die Lage inzwischen im Griff habe, nachdem er bei seinem nächtlichen Appell an die türkischen Bürger noch "sichtlich mitgenommen" gewirkt habe.

Die in der Türkei kursierende Vermutung, dass Erdogans Widersacher Fethullah Gülen hinter dem Putschversuch stecke, hält Uslucan für eine Vereinfachung. Tatsächlich gebe es im Land auch ohne Gülen-Bewegung große Spannungen: "Dort haben wir es mit einem starken Stadt-Land-Gefälle und einem Ost-West-Gefälle zu tun. Die Armut und die Flüchtlingsproblematik — all das stellt die Türkei vor eine Zerreißprobe." Uslucan glaubt auch nicht, dass es Auswirkungen auf das Flüchtlingsabkommen zwischen der Türkei und der Bundessrepublik geben wird. Schließlich habe sich Berlin eindeutig gegen den Umsturzversuch positioniert.

Er habe keinerlei Hinweise, dass es in den Urlaubsregionen, vor allem an der türkischen Riviera, wegen des Putschversuchs zu Unruhen gekommen sei, so der ZfTI-Leiter, der an der Universität Duisburg lehrt. Das Institut, das eine Stiftung des Landes ist, werde nicht von der Türkei finanziell unterstützt.

(hüw)
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