Netanjahu kündigt Ausweitung der Angriffe an Rakete aus Gaza tötet israelischen Zivilisten

Jerusalem · In dem seit einer Woche dauernden jüngsten Konflikt zwischen Israel und der Hamas im Gazastreifen ist am Dienstag erstmals ein Israeli getötet worden. Als Reaktion kündigte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu die Ausweitung der Angriffe auf den Gazastreifen an.

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Foto: AFP/JACK GUEZ

Der Zivilist sei seinen Verletzungen erlegen, die er beim Raketenbeschuss des Gaza-Grenzübergangs Eres erlitten hat, teilten die israelischen Streitkräfte mit. Bislang konnte Israel eigene Todesopfer vermeiden, weil Abwehrsysteme viele Geschosse abfangen konnten und etliche Raketen auf freiem Feld niedergingen. Den israelischen Luftangriffen fielen in Gaza nach palästinensischen Angaben hingegen bisher fast 200 Menschen zum Opfer, 1400 weitere wurden demnach verletzt.

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat unterdessen eine Ausweitung der Angriffe auf Ziele im Gazastreifen angekündigt. Israel habe keine andere Wahl, als eine Ausweitung und "Intensivierung" seiner militärischen Einsätze, sagte Netanjahu am Dienstagabend. "Die Hamas lässt uns keine andere Wahl", sagte der Politiker in einer Fernsehansprache. "Sie hat es vorgezogen, weiter (auf uns) zu schießen, und sie wird einen hohen Preis dafür bezahlen."

Peres verteidigt Angriffe auf Gaza

Der scheidende israelische Präsident Schimon Peres hat die Luftangriffe auf den Gazastreifen verteidigt. Die Tötung von Zivilisten stelle ein moralisches Dilemma dar, erklärte Peres am Dienstag in einem Interview der Nachrichtenagentur AP. Doch gebe es kaum Alternativen zu den Luftangriffen, solange sich die islamischen Militanten in dem Gebiet weigerten, den Raketenbeschuss auf Israel einzustellen.

"Es gibt ein moralisches Problem, aber ich habe keine moralische Antwort darauf", sagte der Friedensnobelpreisträger. "Wenn sie auf uns schießen und unsere Mütter und deren Kinder keine Nacht durchschlafen lassen, was können wir tun?"

Peres geht davon aus, dass die Führung der radikalislamischen Hamas, die den Gazastreifen regiert, letztendlich eine Waffenruhe akzeptieren wird. Der Präsident beklagte die Lage in der umliegenden arabischen Welt. Die Gegend sei befallen von "Terroristen, die eine Nation nach der anderen ohne eine Vision zerstören", sagte Peres.

Zuvor war der erste Anlauf für eine Waffenruhe im Gaza-Konflikt gescheitert. Israel stoppte zwar am Dienstag sechs Stunden lang seine Luftangriffe auf die islamistische Hamas im Gazastreifen. Die Palästinenser-Miliz aber feuerte ununterbrochen Raketen Richtung Israel, weil sie sich von der diplomatischen Initiative Ägyptens für die Feuerpause übergangen sah. Nachmittags setzte dann auch die israelische Armee ihre Attacken fort.

Der gegenseitige Beschuss dauert damit schon eine Woche. Nach Angaben palästinensischer Rettungsdienste wurden in Gaza dabei mindestens 194 Menschen getötet und 1400 weitere verletzt. Mindestens die Hälfte der Opfer seien Zivilisten. Ägyptens Fahrplan für eine Waffenruhe sah neben einer Feuerpause vor, Grenzübergänge für Menschen und Güter zu öffnen, sobald sich die Sicherheitslage stabilisiert.

Steinmeier will vor Ort vermitteln

Das Wechselbad geweckter und zerronnener Friedenshoffnungen überschattete auch den Besuch von Außenminister Frank-Walter Steinmeier in der Region. "Das Ruhen der Waffen wäre nicht nur eine Atempause, sondern ist vielleicht auch die einzige Chance, um in politische Gespräche zurückzukommen", sagte er in Tel Aviv. Der SPD-Politiker hatte zuvor Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, seinen Amtskollegen Avigdor Lieberman und in Ramallah Palästinenserpräsident Mahmud Abbas getroffen.

Das israelische Sicherheitskabinett hatte morgens den ägyptischen Waffenruhe-Plan mit 6:2 Stimmen angenommen. Die Gegenstimmen kamen von Lieberman und dem gleichfalls ultrarechten Wirtschaftsminister Naftali Bennett. Schon nach seinem Gespräch mit Steinmeier gegen Mittag hatte Netanjahu klargestellt, dass Israel die Hamas wieder angreifen wird, wenn der Raketenbeschuss nicht endet.

Tatsächlich hatte sich die im Gazastreifen herrschende Hamas übergangen gesehen und den Vorstoß von vornherein abgelehnt. "In keinem Krieg hat es je eine Feuerpause ohne vorherige Vereinbarung gegeben", argumentierte der militärische Arm der Islamisten-Bewegung. Der hochrangige Hamas-Funktionär Issat al-Rischak schrieb auf seiner Facebook-Seite: "Der ägyptische Vorschlag ist weder mit der Hamas noch mit dem Islamischen Dschihad noch mit irgendeiner anderen palästinensischen Widerstandsfraktion erörtert oder diskutiert worden."

Das israelische Militär zählte bis zum Abend 76 Raketenabschüsse aus dem Gazastreifen. In der Hafenstadt Aschdod wurde ein Haus direkt getroffen. Nach nur sechs Stunden einseitiger Feuerpause ordnete die Regierung in Tel Aviv an, die Luftangriffe wieder aufzunehmen. Das Militär sprach von 30 Bombardierungen, von denen 20 Raketenstellungen des Gegners gegolten hätten.

Außenminister Lieberman, der innerhalb des Kabinetts als Scharfmacher gilt, forderte auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit Steinmeier eine Bodenoffensive im Gazastreifen. "Wir wollen die Infrastruktur des Terrors zerstören. Daher kann man diese Militäraktion nicht nur aus der Luft betreiben." Israelische Beobachter hielten es aber am Abend für offen, ob die Seiten nicht doch noch zu einem Waffenstillstand finden.

Israel hat in den vergangenen sieben Tagen nach eigenen inzwischen 15076 Hamas-Ziele angegriffen. Die Hamas hat demnach wiederum mehr als 1000 Raketen auf Israel abgefeuert. Nur knapp 200 davon wurden vom israelischen Abwehrsystem abgefangen, die meisten übrigen schlugen in unbewohntem Gebiet ein. Israel hat deshalb keine Todesopfer zu beklagen.

Auslöser der jüngsten Eskalation der Gewalt waren die Entführung und Ermordung von drei israelischen Teenagern und der mutmaßliche Rachemord an einem palästinensischen Jungen. Eine 2012 vereinbarte Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas, die seit 2007 im Gazastreifen herrscht, wurde daraufhin endgültig Makulatur.

(DEU)
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