Kämpfe in Aleppo Rebellen haben angeblich hundert Soldaten gefangen

Aleppo · Syrische Rebellen haben nach eigenen Angaben in der umkämpften Stadt Aleppo rund einhundert Soldaten und regierungstreue Milizionäre gefangengenommen. Unterdessen dringen Berichte über geheime Waffenlieferungen aus dem Ausland für die Rebellen an die Öffentlichkeit.

2012: Syrer fliehen vor dem Bürgerkrieg
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Foto: dpa, Anadolu Agency

In einem am Freitag im Internet veröffentlichten Video waren etwa einhundert in Zivil gekleidete Menschen zu sehen, die von einem Mann gefilmt wurden, der sich selbst als Mitglied der oppositionellen Freien Syrischen Armee (FSA) bezeichnete. Die meisten sagten von sich, sie gehörten zu den Regierungstruppen oder regierungstreuen Milizen und seien in Aleppo gefangen worden.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hat die syrische Führung dazu aufgefordert, die geplante Großoffensive gegen die Rebellen in Aleppo zu stoppen. "Die Eskalation der Gewalt in Aleppo bereitet mir große Sorge", sagte Ban am Freitag bei einem Besuch in London anlässlich des Beginns der Olympischen Sommerspiele. "Ich dränge die syrische Regierung dazu, die Offensive zu stoppen." Beide Seiten - Armee und Aufständische - müssten die Gewalt "zum Wohle der leidenden Zivilisten" einstellen.

Übergelaufener General fordert Interimsregierung

Ein zur Opposition übergelaufener syrischer Ex-General hat eine allumfasssende Übergangsregierung für seine Heimat gefordert. "Der Weg aus der derzeitigen Krise ist die Bildung einer Interimsregierung, die alle ethnischen Gruppen in Syrien einschließt und mit dem Militärrat zusammenarbeitet", sagte der Brigadegeneral Fajes Amr am Freitag telefonisch der Nachrichtenagentur AFP. Der so genannte Militärrat besteht aus desertierten syrischen Armee-Angehörigen, die in dem türkischen Flüchtlingslager Apaydin an einem Plan zum Sturz von Präsident Baschar al-Assad arbeiten.

Amr bemängelte zugleich die Zersplitterung der syrischen Opposition. Er könne keine "Einigkeit" unter den einzelnen Gruppierungen erkennen. Auch innerhalb der oppositionellen Freien Syrischen Armee und dem Syrischen Nationalrat gebe es "keine Einigkeit". Der Nationalrat gilt zwar im Ausland als Ansprechpartner der Opposition, hat es bisher noch nicht geschafft, die dutzenden Splittergruppen der Rebellen unter einen Hut zu bringen. Amr kritisierte zudem eine mangelnde Unterstützung des Militärrats durch den Nationalrat.

Der Ex-General äußerte sich zurückhaltend zu einem möglichen Erfolg der Aufständischen in der nordwestsyrischen Wirtschaftsmetropole Aleppo. Die Rebellen seien zwar vorgerückt. "Aber wir sollten nicht vergessen, wie gnadenlos das Regime ist und welche schweren Waffen es besitzt", mahnte Amr, der nach türkischen Angaben mit 26 weiteren desertierten Generälen derzeit im Flüchtlingslager von Apaydin Unterschlupf gefunden hat. Obwohl die Aufständischen in jüngster Zeit bereits 70 Prozent von Aleppo unter ihre Kontrolle gebracht hätten, gebe es in anderen Städten weiterhin "Massaker".

Türkei und Saudi-Arabien versorgen Rebellen angeblich mit Waffen

Die Türkei, Saudi-Arabien und Katar versorgen die syrischen Rebellen nach Angaben von Insideren in den Golfstaaten heimlich mit Waffen. Demnach haben die drei Staaten in der südtürkischen Stadt Adana einen geheimen Stützpunkt für die Gegner von Präsident Baschar al-Assad aufgebaut. "Es sind die Türken, die das Sagen in dem Stützpunkt haben", sagte eine mit den Vorgängen vertraute Person in der katarschen Hauptstadt Doha der Nachrichtenagentur Reuters. In ihren Händen liege hauptsächlich Koordination und Versorgung.

Die türkische Regierung bestritt, die Rebellen mit Waffen auszurüsten. Die saudiarabische Regierung war zunächst nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.
Adana liegt rund 100 Kilometer von der syrischen Grenze entfernt. Auf syrischer Seite ist es nicht weit bis zur Wirtschaftsmetropole Aleppo, dem Ort der derzeit schwersten Kämpfe zwischen Rebellen und Regierungstruppen. In Adana liegt auch der US-türkische Luftwaffenstützpunkt Incirlik. Nach den Angaben war es zunächst unklar, ob der Rebellen-Stützpunkt auf dem Gelände der Luftwaffen-Basis oder woanders im Stadtgebiet liegt.

Alle Waffen für die Rebellen stammen aus russischer Produktion, sagte die Quelle in Doha. Grund sei, dass die Aufständischen damit umgehen könnten. Viele von ihnen sind aus der syrischen Armee desertiert, die seit Jahrzehnten vor allem von Russland und davor von der ehemaligen Sowjetunion ausgerüstet wird. "Alle Waffen stammen vom Schwarzmarkt", sagte der Insider weiter. Eine Schlüsselrolle im Stützpunkt spielten Spezialisten aus Katar. Diese hätten beim Sturz des libyschen Herrschers Muammar Gaddafi Erfahrung gesammelt.

Die Errichtung des Stützpunktes wurde nach Angaben aus Kreisen in Katar vom Staatsekretär im saudiarabischen Außenministerium, Prinz Abdulasis bin Abdullah al-Saud, bei einem Türkei-Besuch angeregt. Nach Angaben von früheren Mitarbeitern der US-Sicherheitskräfte soll auch der Abschuss eines türkischen Kampfjets durch das syrische Militär vergangenen Monat eine Rolle gespielt haben. Nach dieser Darstellung haben die Türken ihre Hilfen für Rebellen daraufhin verstärkt.
Die USA hätten mit dem Stützpunkt nichts zu tun, sagte der Insider in Doha. Der amerikanische Geheimdienst trete nur indirekt über Hintermänner in Erscheinung. Offiziell wollen weder die USA noch seine westlichen Verbündeten trotz der entschiedenen Ablehnung von Assad die Rebellen militärisch unterstützen.

USA wollen Rebellen helfen

Allerdings hat US-Außenministerin Hillary Clinton diese Woche signalisiert, die USA wollten die Hilfen für die Aufständischen ausweiten. Nach Informationen von Reuters bereiten die Mitarbeiter von Präsident Barack Obama einen Entwurf vor, nach dem die verdeckte Unterstützung der Rebellen verstärkt werden soll. Allerdings soll dies nicht deren Bewaffnung umfassen. Im UN-Sicherheitsrat sind die USA und andere Westmächte wiederholt am Veto Russlands mit dem Versuch gescheitert, die Maßnahmen gegen die Regierung in Damaskus zu verschärfen.

Ein Grund für die Zurückhaltung der USA und der westlichen Verbündeten bei der Aufrüstung der Oppositionellen ist die Furcht, High-Tech-Waffen könnten in die Hände radikaler Islamisten fallen. Gewarnt wird davor, leichte, panzerbrechende Waffen oder Boden-Luft-Raketen könnten von Al Qaida oder ähnlichen Gruppen gegen westliche Ziele eingesetzt werden.

Unklar ist, ob die zunehmende Schlagkraft der Rebellen in Zusammenhang mit einer wachsenden Hilfe jenseits der Landesgrenzen steht. Zwei ehemalige hochrangige Mitarbeiter der US-Sicherheitsdienste sagten Reuters, die Türkei spiele eine wachsende Rolle für die militärische Ausbildung der Aufständischen. Einer dieser Ex-Mitarbeiter sagte, in der Türkei würden sich derzeit 20 desertierte syrische Generäle aufhalten. Diese würden beim Aufbau der Rebellen-Armee helfen.

(AFP/RTR)
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