Kommunalwahlen in der Türkei Entscheidet die Türkei am Sonntag über Erdogan?

Düsseldorf · Am Sonntag wählt die Türkei ihre Bürgermeister. Nach den zahlreichen Negativschlagzeilen der vergangenen Monate wird der Ausgang der Wahl auch die Zukunft von Ministerpräsident Erdoğan bestimmen. Dann wird sich zeigen, wie sehr ihm die Eingriffe in die sozialen Netzwerke YouTube und Twitter, Korruptionsskandal und Gezi-Park-Proteste wirklich geschadet haben.

Die vier wichtigsten Parteien und ihre Vertreter
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Die Türkei ist tief gespalten. Auf der einen Seite die Konservativen - ihnen gegenüber die Moderaten. In dieser hitzigen politischen Atmosphäre werden die Kommunalwahlen zum Barometer für die politische Stimmung im Land. Am Sonntag bestimmen die etwa 53 Millionen wahlberechtigten Bürger der Türkei die neuen Parlamente der 81 Provinzen. Im August 2014 folgen dann die Präsidentschafts-, im Frühsommer 2015 die Parlamentswahlen.

Am Sonntag entscheidet sich die Türkei für oder gegen Erdoğan

Und obwohl am Sonntag "nur" Kommunalwahlen sind, geht es um die ganz großen politischen Themen. Der angeschlagene Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan hat im Vorfeld der Wahl alles daran gesetzt, die Wahlen zu einer Richtungsentscheidung zu machen: Am Sonntag entscheiden sich die Wähler entweder für, oder gegen ihn. Für Erdoğan geht es dabei um alles: Denn der AKP-Chef will unbedingt Staatspräsident werden und dafür braucht er Rückenwind. Die Kommunalwahlen am Sonntag werden daher auch zeigen, ob es nach den massiven Gezi-Park-Protesten des Frühsommers 2013, der Aufdeckung des Korruptionsskandals und der Twitter- und YouTube-Sperre der vergangenen Tage eine Ära nach Erdoğan geben wird.

Die türkische Bevölkerung ist an Korruption gewöhnt

Yunus Ulusoy, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für Türkeistudien und Integrationsforschung der Universität Duisburg Essen, ist sich sicher: "Am Sonntag entscheidet sich, ob Premier Erdoğan abstürzt, oder ob er seine Macht konservieren und sogar ausbauen kann." Bei den vergangenen Kommunalwahlen im März 2009 hatten die Wähler die Erwartungen der von ihrer Gunst verwöhnten AKP nur teilweise erfüllt. Gegenüber den Parlamentswahlen 2007 sank der AKP-Wähleranteil von 46,6 Prozent auf 38,4 Prozent.

"Ein Wahlergebnis von 39 Prozent wird Erdoğan als klaren Erfolg verkaufen. Er braucht dafür keine 50 Prozent mehr, wie etwa bei zurückliegenden Wahlen", ergänzt Ulusoy. Und nicht nur das: Ein Wahlerfolg käme einem Freibrief der Wähler ihm gegenüber gleich. "Das Problem ist, dass Korruptionsskandale zum türkischen Alltag gehören. Für die Türken ist die wirtschaftliche Situation entscheidend. Und die vergangenen Jahre waren erfolgreich", erläutert Ulusoy.

Erdoğan hat eine starke Basis in der Türkei

Erdoğans Trumpf ist seine starke Basis in der Bevölkerung. "Die Türken wählen zu 65 Prozent konservativ. Erdoğan und seine AKP stehen für eben diese konservativen Werte. Daher glaube ich persönlich nicht an einen tiefen Absturz des Premiers", sagt Ulusoy. Hinzu kommt, dass es in der Türkei nur zwei wirklich konservative Parteien gibt: Die AKP rund um Erdoğan und die rechts-nationalistische Partei MHP. Und auch die sogenannte Gülen-Bewegung des türkisch-islamischen Gelehrten Fethullah Gülen wird eine Rolle spielen. "Am Sonntag wird sich zeigen, wie stark die Gülen-Bewegung ist, denn auch sie fischt im konservativen Millieu", so Ulusoy.

Die Wahl wird in den Städten entschieden

Die Kommunalwahl wird sich in den großen Städten entscheiden. "Der ländliche Bevölkerungsanteil schrumpft seit Jahren. Die großen Städte Istanbul und Ankara sind entscheidend. Denn das konservative Leben spielt sich mitten in den Städten ab. Darunter sind auch viele soziale Aufsteiger", erläutert Ulusoy. Erdoğans Vorteil: Ihm ist es über die Jahre gelungen, das gesamte konservative Lager hinter seiner Partei zu vereinen. "Die AKP ist die größte Volkspartei in der Türkei mit Wählern aus allen Schichten der Bevölkerung", sagt Ulusoy. "Wenn er das hart umkämpfte Istanbul für sich entscheidet, baut er seine Macht aus. Wenn nicht, gibt es für ihn ein politisches Desaster."

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