Vertrag von Lausanne Erdogan will Grenze zu Griechenland ändern

Athen · Der Besuch sollte die Beziehungen eigentlich verbessern: Jetzt hat Recep Tayyip Erdogan seine Gastgeber bei dem ersten Besuch eines türkischen Präsidenten in Griechenland seit Jahrzehnten mit Forderungen nach der Revision des Grenzverlaufs irritiert.

 Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras (r) und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan.

Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras (r) und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan.

Foto: afp

Zudem warf er der EU am Donnerstag Verzögerungen bei der Umsetzung des Flüchtlingspakts vor und kritisierte die Behandlung der türkischen Minderheit in Griechenland. Der griechische Präsident Prokopis Pavlopoulos schloss eine Neuverhandlung des Vertrags von Lausanne von 1923 aus.

"Dieser Vertrag ist für uns nicht verhandelbar. Er erfordert weder eine Revision noch eine Aktualisierung", sagte Pavlopoulos bei einem Treffen mit Erdogan in Athen. Der türkische Präsident hatte vor seiner Abreise nach Athen in einem Interview mit dem griechischen Sender Skai TV den Vertrag von Lausanne in Frage gestellt, der den Grenzverlauf der beiden Nachbarn regelt. Der Luftraum und die Seegrenze könnten "verbessert" werden, sagte Erdogan.

Streit seit 1923 um Grenzverlauf

In dem Abkommen waren Griechenland 1923 praktisch alle Ägäis-Inseln vor der türkischen Küste zugeschlagen worden. Seitdem gibt es Streit um den genauen Verlauf der Grenze. Die Regierung in Athen reagierte verärgert und mahnte, Erdogans Besuch solle "Brücken bauen, nicht Mauern".

Bei seinem Treffen mit Pavlopoulos bekräftigte Erdogan aber seine Forderung nach einer Aktualisierung des Vertrags. Zudem warf er der griechischen Regierung vor, der türkischen Minderheit entgegen den Zusagen in dem Vertrag nicht die Wahl von Muftis zu erlauben. Stattdessen würden die religiösen Rechtsgelehrten von der Regierung ernannt, kritisierte Erdogan.

"Gewisse Dinge müssen sich ändern", forderte Erdogan. Der Schutz der Rechte der ethnischen Türken habe für ihn "Top-Priorität". Er will am Freitag die türkische Minderheit in der nordgriechischen Region Thrakien besuchen. Erdogan war 2004 und 2010 als Regierungschef zwei Mal in Athen. Es ist aber der erste Besuch eines türkischen Staatschefs in Griechenland seit 1952.

Erdogan kritisiert EU wegen Flüchtlingspakt

Erdogan kritisierte in Athen auch die Umsetzung des EU-Flüchtlingspakts mit der Türkei. Die EU habe "keines ihrer Versprechen im wirtschaftlichen Bereich erfüllt", wohingegen sein Land alle Zusagen eingehalten habe, sagte Erdogan. Er wirft der EU seit langem vor, nicht ihren Teil des Abkommens von März 2016 zu erfüllen, darunter die Zahlung von Hilfsgeldern.

Ministerpräsident Alexis Tsipras lud Erdogan bei einer gemeinsamen Pressekonferenz ein, "ein neues Kapitel in den griechisch-türkischen Beziehungen aufzuschlagen, das nicht auf Provokationen begründet ist". Zudem drängte er ihn, Reformen in der Türkei zu beschleunigen. Der Beitrittsprozess der Türkei zur EU ist seit dem Putschversuch von Juli 2016 und der anschließenden massiven Repression gegen Oppositionelle an einem toten Punkt.

Unter Erdogans Regierung hat sich das historisch schwierige Verhältnis zu Griechenland eigentlich verbessert, und Erdogan unterhält gute Beziehungen zu Tsipras. Ankara wirft dem Nachbarn aber vor, Beteiligten am gescheiterten Militärputsch Zuflucht zu bieten. Tsipras versicherte vor Erdogans Besuch, Putschverdächtige seien "nicht willkommen" in Griechenland.

Besonders brisant ist der Fall von acht Militärangehörigen, die nach dem Putschversuch in einem Hubschrauber nach Griechenland geflohen waren. Erdogan beklagte in dem Interview am Mittwoch, Tsipras habe deren Auslieferung an die Türkei versprochen, doch sei dies noch immer nicht geschehen. Wenn die Frage in den Händen der Justiz bliebe, werde es kein Ergebnis geben, sagte er.

(felt)
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