Bundespräsident im EU-Parlament Steinmeier warnt vor neuer "Faszination des Autoritären"

Straßburg · Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat im Europaparlament in Straßburg angesichts des Erstarkens antieuropäischer und populistischer Kräfte zu Zusammenhalt und Engagement für Europa aufgerufen.

 Bundespräsident Steinmeier redet vor dem EU-Parlament.

Bundespräsident Steinmeier redet vor dem EU-Parlament.

Foto: dpa, bvj vge

Die europäische Einigung sei ein "kostbares Erbe", sagte Steinmeier. "Das dürfen wir nicht preisgeben und den Gegnern Europas überlassen."

Der "historische Auftrag" der heutigen Generation sei es vielmehr, dieses Erbe zu bewahren, zu pflegen und zu verbessern. Für seine erste Rede als Bundespräsident außerhalb Deutschlands habe er bewusst das Europaparlament gewählt, sagte Steinmeier weiter.

Seine Freude sei aber "nicht ungetrübt". Es sei "bitter", zum ersten Mal vor dem Europaparlament zu sprechen, kurz nachdem ein Mitgliedsland seinen Austritt aus der EU eingeleitet habe. "Ich finde das bitter - nicht nur als Politiker, sondern zuallererst als Bürger Europas", sagte Steinmeier, dem die Abgeordneten immer wieder anhaltenden Applaus spendeten.

Wie viele Menschen seiner Generation habe auch er selbst geglaubt, das Erreichte sei auf ewig garantiert, der Weg der europäischen Einigung sei unumkehrbar, sagte Steinmeier. "Das war ein Irrtum." Europas Zukunft sei keine Gewissheit. "Und das wissen wir nicht erst seit dem Brexit."

Die gegenwärtige Krise der EU zwinge zu einer Frage: "Welche und wie viel europäische Einigung wollen wir?" Ein stärkeres Europa und mehr europäische Lösungen seien zwar notwendig. Es müsse aber auch mehr Raum geben für jene Mitgliedstaaten, die "weitere Integrationsschritte noch nicht mitgehen können oder wollen".

Viele Menschen hätten heute Angst vor der Zukunft, Angst, die Kontrolle zu verlieren, sagte der Bundespräsident im voll besetzten Straßburger Plenarsaal weiter. Dies mache sie empfänglich für Lockrufe jener, die sie "hinter die vertrauten Butzenscheiben der Nation" zurückholen wollten.

Solche Rufe seien nicht nur naiv. Es sei unverantwortlich, den Menschen vorzugaukeln, Gefahren wie Terrorismus oder Klimawandel könnten mit neuen Schlagbäumen gebannt werden - oder zu sagen, ein europäisches Land könne heute auf der Weltbühne seine wirtschaftlichen Interessen besser alleine durchsetzen.

"Populisten malen die Welt in Schwarz und Weiß und schlagen aus Ängsten politisches Kapital", betonte Steinmeier. Sie seien immer mit einfachen Antworten zur Stelle - der starken Hand, den klaren Feindbildern. Eine "neue Faszination des Autoritären" greife um sich - nicht nur weit westlich und östlich der EU-Grenzen, sondern auch mitten in Europa.

Wer aber Parlamente als Zeitverschwendung abtue und Kompromissbereitschaft zur Schwäche erkläre, wer nicht mehr zwischen Tatsachen und Lüge unterscheide, der rühre "am Grundgerüst der Demokratie". Dem müssten sich Demokraten entschieden entgegensetzen. Sie müssten dafür Sorge tragen, dass "der europäische Traum auch in der nächsten Generation nicht ausgeträumt ist."

Die erste Reise seit seiner Vereidigung am 22. März hatte Steinmeier vergangene Woche nach Paris geführt. Am 7. und 8. April will er Griechenland besuchen, im Mai Polen.

(AFP/csr)
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