Reaktionen auf die Sanktionen Russland droht mit höheren Energiepreisen für Europa

Moskau · Russland hat auf die neuen internationalen Sanktionen reagiert: Das Land droht mit höheren Energiepreisen die vor allem Verbraucher zu spüren bekommen sollen. Auch deutsche Unternehmen machen sich wegen der Krise immer größere Sorgen.

Russland droht mit höheren Energiepreisen für Europa
Foto: dpa, of lb

Als Konsequenz aus den neuen internationalen Sanktionen hat Russland höhere Energiepreise für Verbraucher in Europa angedroht. Die Strafmaßnahmen zu verhängen, sei ein "unbedachter, unverantwortlicher Schritt", der unausweichlich zu höheren Preisen auf dem europäischen Energiemarkt führen werde, teilte das russische Außenministerium am Mittwoch mit. Die EU hatte am Dienstag umfassende Wirtschaftssanktionen gegen Russland beschlossen, die sich auch gegen den Energiesektor des Landes richten.

Auch Kritik an die USA

Russland hat die neuen Sanktionen des Westens scharf kritisiert. Die USA würden "grundlose Vorwürfe" vorbringen und sich "anmaßend" verhalten, hieß in einer Erklärung des Außenministeriums in Moskau am Mittwoch.

Die USA und die EU hatten am Dienstag ihre Sanktionen gegen Russland dramatisch verschärft, um Präsident Wladimir Putin zu einem Einlenken im Ukraine-Konflikt zu bewegen. Die US-Sanktionen treffen den russischen Energie-, Finanz- und Waffensektor. Die EU schränkt unter anderem den Zugang russischer Banken zu den europäischen Kapitalmärkten ein und verbietet Waffenexporte.

Die russische Zentralbank versprach den betroffenen Unternehmen und Einrichtungen Unterstützung. Man werde "angemessene Maßnahmen" ergreifen, hieß es in einer Mitteilung.

Deutsche Industrie warnt

Nach den EU-Wirtschaftssanktionen gegen Russland wächst auch in der deutschen Wirtschaft die Angst vor Geschäftseinbußen. Verbände und Unternehmen befürchten Gegenmaßnahmen der russischen Regierung.

Zudem verspüren sie eine zunehmende Verunsicherung von Kunden an dem wichtigen Exportmarkt. "Über 25.000 Arbeitsplätze sind allein in Deutschland in Gefahr", warnt Eckhard Cordes, der dem Ost-Ausschuss der deutschen Wirtschaft vorsitzt - Sprachrohr der mehr als 6000 in Russland engagierten hiesigen Firmen. Das riesige Land ist der elftgrößte Abnehmer deutscher Waren.

Besonders nervös sind die Maschinenbauer, für die Russland traditionell ein wichtiger Markt ist. Bereits in den ersten fünf Monaten des Jahres seien die Exporte in das Land um rund ein Fünftel zurückgegangen, sagte der Hauptgeschäftsführer des Branchenverbandes VDMA, Hannes Hesse, der Nachrichtenagentur Reuters am Mittwoch. "Das wird so weiter gehen. Die Verunsicherung ist groß." Auch der Lkw-Bauer MAN berichtete von einem Auftragseinbruch in Russland.

Vize-Kanzler verteidigt die Sanktionen

Knapp zwei Wochen nach dem mutmaßlichen Abschuss einer malaysischen Passagiermaschine über der Ostukraine hatten sich die EU-Botschafter am Dienstag erstmals auf weitreichende Exportverbote sowie Strafmaßnahmen gegen russische Banken geeinigt. Auch die USA kündigten weitere Schritte an. Der Westen wirft Russland vor, die Separatisten in der Ostukraine zu unterstützen und damit die gesamte Region zu destabilisieren. Die Regierung in Moskau weist das zurück. Die EU-Maßnahmen sollen zunächst auf ein Jahr begrenzt werden.

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel verteidigte die Entscheidung der EU: "Wir dürfen nicht aus Angst vor wirtschaftlichen Folgen zulassen, dass auf diesem Kontinent Krieg und Bürgerkrieg immer größer werden", sagte er in Berlin. Er gehe davon aus, dass die Sanktionen schnell ihre Wirkung entfalteten. Denn die russische Wirtschaft sei in keiner guten Verfassung. Dem Land droht eine Rezession.

Gegenmaßnahmen kündigten sich an

Russlands Präsident Wladimir Putin hat mit Gegenmaßnahmen gedroht, sollten die EU Wirtschaftssanktionen verhängen. Das Außenministerium in Moskau kündigte bereits an, dass die EU-Entscheidung "unweigerlich" zu höheren Energiepreisen auf dem Kontinent führen dürfte. Deutschland und die EU decken ein Drittel des Bedarfs mit russischem Gas. Russland ist mit einem Umsatz von knapp acht Milliarden Euro der viertgrößte Exportmarkt für die deutschen Maschinenbauer.

"Russische Kunden halten sich mit Bestellungen zurück, weil sie nicht wissen, ob die Deutschen liefern können", beschrieb VDMA-Hauptgeschäftsführer Hesse die aktuelle Lage der Branche. Russische Staatskonzerne lehnten die Vergabe von Aufträgen an deutsche Firmen zum Teil sogar ab. "Deutsche Unternehmen sind verunsichert, ob sie liefern dürfen." Der Münchner MAN-Konzern erwirtschaftete in Russland zuletzt etwa fünf Prozent seiner Umsätze. Der Lkw-Bauer spricht von einer allgemeinen Verunsicherung der dortigen Kunden. Dennoch seien die Sanktionen im Grunde richtig, sagte Vorstandschef Georg Pachta-Reyhofen.

Finanzbranche und Mittelstand betroffen

Vor Monaten hatten Wirtschaftsvertreter noch heftigen Widerstand gegen Russland-Sanktionen geleistet.
Kritische Töne kommen weiter von der deutsch-russischen Außenhandelskammer. Deren Vertreter Jens Böhlmann klagt: "Diese Sanktionen treffen den klassischen deutschen Mittelständler mit 100, 150 Angestellten und einem hohen Russland-Anteil." Nach seinen Angaben sind derzeit rund 6200 deutsche Firmen in Russland tätig.

Neben der Rüstungsindustrie und einigen Technologiebereichen hat der Westen auch die russische Finanzbranche ins Visier genommen. Staatseigene russische Banken dürfen in der EU keine neuen Aktien oder Anleihen verkaufen. Damit soll deren Refinanzierung erschwert und so letztlich die Kreditversorgung für die russische Wirtschaft beeinträchtigt werden. Die Namen der russischen Institute, die auf der Sanktionsliste stehen, sollen am Donnerstag veröffentlicht werden. Die Maßnahmen greifen dann ab Freitag. Die Branchengrößen Sberbank und die VTB sind mehrheitlich im Staatsbesitz.

Die beiden Geldhäuser führen große Teile des Europa-Geschäfts von Wien aus. Die europäischen Töchter dürften auch nach den neuen Strafmaßnahmen weiter Anleihen in der EU begeben, wie mehrere Diplomaten Reuters sagten. Gänzlich unberührt ist das Einlagengeschäft im Ausland. In Deutschland sind Sberbank und VTB vor allem als Direktbanken bekannt. Sie sammeln hierzulande als vergleichsweise günstige Form der Refinanzierung Spareinlagen ein.

Der deutsche Bankenverband BdB gab sich gelassen. Unter der Annahme, dass die russischen Institute ihren bestehenden Verbindlichkeiten nachkämen, seien die Auswirkungen der neuen Sanktionen für die westlichen Gläubiger begrenzt, erklärte Hauptgeschäftsführer Michael Kemmer. Zudem machten die gesamten Forderungen der deutschen Banken gegenüber der Russischen Föderation weniger als ein Prozent ihrer Auslandsforderungen aus. Auch die russischen Banken demonstrierten Gelassenheit: Die VTB erklärte, sie sei zuversichtlich, sich im Bedarfsfall mit Kapital versorgen und in andere Währungen und Märkte ausweichen zu können. Die russische Notenbank will die heimischen Geldhäuser bei Bedarf stützen. Die USA hatten nur die VTB auf ihre Sanktionsliste gesetzt, nicht aber die Sberbank.

(DEU)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort