Pjöngjang rät Ausländern zur Abreise aus Südkorea Russland: Nordkoreas Verhalten "inakzeptabel"

Seoul · Nordkorea schürt weiter Kriegsangst. Die Ausländer in Südkorea sollten besser ausreisen, fordert das Regime in Pjöngjang. Der britische Außenminister Hague sieht den kommunistischen Staat an einem Scheideweg, der in ein "kaputtes Land" führen könnte. Deutliche Worte kommen auch aus Russland.

Japan bringt Raketenabwehr in Stellung
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Russland hat das Verhalten seines Nachbarlandes Nordkorea im Konflikt mit Südkorea und den USA als "inakzeptabel" kritisiert. Ein Land dürfe nicht "offen und aufsässig" gegen Resolutionen des Weltsicherheitsrates verstoßen, sagte Außenminister Sergei Lawrow in einem am Dienstag veröffentlichten Fernsehinterview.

"Wir halten die Situation für sehr ernst, denn Atomtests und Raketenstarts sind kein Witz", sagte Lawrow. "Die gegenseitigen Schuldzuweisungen, Drohungen und Warnungen können einen kritischen Punkt erreichen, wenn die Menschen sich in eine Ecke gedrängt fühlen und etwas tun müssen, was die Öffentlichkeit erwartet", warnte der Minister.

Unterdessen rasselt Pjöngjang weiter mit dem Säbel: Nach seiner Kriegsdrohung hat Nordkorea allen in Südkorea lebenden Ausländern das Verlassen des Landes nahegelegt. "Wir wollen, dass den Ausländern in Südkorea im Falle eines Kriegs nichts passiert", hieß es am Dienstag in einer Erklärung des kommunistischen Regimes in Pjöngjang.

Konflikt kann "außer Kontrolle geraten"

Nordkorea lässt inzwischen auch keine Arbeiter aus dem eigenen Land mehr in den gemeinsam mit Südkorea betriebenen Industriepark in Kaesong - das erste Mal seit der Eröffnung des grenznahen Komplexes 2004. Die Produktion steht dort still.

Der Konflikt zwischen Nord- und Südkorea droht nach Ansicht von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon außer Kontrolle zu geraten. "Das derzeitige Maß an Spannungen ist sehr gefährlich. Ein kleiner Vorfall, ausgelöst durch eine Fehleinschätzung, könnte eine Situation schaffen, die nicht mehr kontrollierbar ist", sagte der Südkoreaner Ban am Dienstag in Rom.

Die Außenminister der G8 wollen sich am Mittwoch und Donnerstag in London mit der Lage in Nordkorea befassen. Das kündigte Großbritanniens Außenminister William Hague am Dienstag an. Nordkorea stehe angesichts der Bedrohungs-Rhetorik des Regimes am Scheideweg, sagte Hague. "Sie müssen jetzt wichtige Entscheidung treffen."

Sollten sich die Führung nicht für die Kooperation entscheiden, werde der kommunistische Staat als "kaputtes Land, das isoliert ist" enden. "Selbstverständlich werden wir auf alle Handlungen eine robuste Reaktion folgen lassen", warnte er.

Westerwelle: "Gefährdung der internationalen Sicherheitsstruktur"

Bundesaußenminister Guido Westerwelle ermahnte Pjöngjang, den Konflikt in der Region nicht weiter zu schüren. Der Aufruf Nordkoreas an Ausländer in Südkorea, das Land zu verlassen, sei unakzeptabel, sagte der Minister nach einer Abrüstungskonferenz in Den Haag am Dienstag. "Das ist eine erhebliche Gefährdung nicht nur der Stabilität der Region, sondern auch der internationalen Sicherheitsstruktur." Eine unmittelbare Kriegsgefahr gibt es nach Auffassung Westerwelles nicht. "Das ist auch viel nach innen gerichtete Kriegsrhetorik, doch wir nehmen dies sehr ernst."

Auch die Außenminister anderer Länder verurteilten in Den Haag die Politik Nordkoreas. Der japanische Außenminister Fumio Kishida sprach von einer "ernsthaften Provokation". Sein Land habe erste Maßnahmen ergriffen, um sich zu schützen. Das japanische Militär brachte unter anderem Raketenabwehrsysteme in der Hauptstadt Tokio in Stellung.

Alle ausländischen Organisationen, Unternehmen und Touristen in Südkorea sollten sich über Schutzräume informieren und im Voraus Pläne zur Abreise zurechtlegen, wurde ein Sprecher des Asien-Pazifik- Komitees in Pjöngjang von den Staatsmedien zitiert. Den USA und Südkorea unterstellte Nordkorea erneut, einen Atomkrieg vorzubereiten. Sollte ein Konflikt auf der koreanischen Halbinsel ausbrechen, werde Nordkorea einen "gnadenlosen Vergeltungskrieg" führen.

Mit der Warnung heizt Nordkorea den Konflikt um seine Atom- und Raketenprogramme weiter an, um den Druck auf Seoul und Washington zu erhöhen. Die jüngste Ankündigung kam wenige Tage nach der Empfehlung Nordkoreas an ausländische Botschaften in Pjöngjang, die Botschaftsgebäude zu räumen. Trotz der Warnungen vor möglichen Gefahren waren die ausländischen Diplomaten und ihre Mitarbeiter in Pjöngjang geblieben.

5000 Deutsche in Südkorea

Nach "allererster Einschätzung" hat sich an der Lage in Südkorea nichts geändert, hieß es aus Diplomatenkreisen. Die deutsche Botschaft in Seoul hatte zuletzt die Ansicht vertreten, die gegenwärtigen Drohungen seien wesentlich schärfer als früher, "eine konkrete Gefährdung deutscher Staatsangehöriger wird jedoch bisher nicht gesehen". In Südkorea befinden sich nach Schätzung der Botschaft derzeit etwa 5000 Deutsche.

Die Lage auf der koreanischen Halbinsel gilt seit dem dritten Atomtest in Nordkorea im Februar als extrem gespannt. Pjöngjang hatte angesichts der Ausweitung von UN-Sanktionen und südkoreanisch- amerikanischer Militärmanöver den Waffenstillstandsvertrag von 1953 aufgekündigt und den "Kriegszustand" mit Südkorea ausgerufen.

Südkorea vermutet, dass Nordkorea noch in dieser Woche eine Mittelstreckenrakete von einer mobilen Startrampe von der Ostküste abfeuern wird. Technisch sei Nordkorea imstande, eine Rakete mit einer geschätzten Reichweite von bis zu 4000 Kilometern zu starten, zitierte die südkoreanische Nachrichtenagentur Yonhap einen hochrangigen Militär.

Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen wollte am Donnerstag zu einem zweitägigen Besuch in Südkorea reisen. Nach Angaben der Nato vom Dienstag in Brüssel wird er unter anderem mit Präsidentin Park Geun Hye sprechen. Auch Treffen mit Außenminister Yun Byun SSe und Verteidigungsminister Kim Kwan Jin seien geplant.

(REU/dpa/AFP/jre/csi/csr/sap/rl)
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