Russland und der Westen Das Ende einer Partnerschaft

Meinung | Düsseldorf · Die Ukraine ist blutiger Schauplatz einer viel größeren Konfrontation, die Russlands Präsident Wladimir Putin mit dem Westen sucht. Wir sollten uns darauf einstellen, dass das Verhältnis auf Jahre hinaus zerrüttet bleibt.

Raketenangriff auf Kramatorsk
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Raketenangriff auf Kramatorsk

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Man kann ziemlich genau sagen, wann die Illusion endgültig zerplatzt ist, man könne durch zähe Verhandlungen den Ukraine-Konflikt lösen, und dann sei ganz schnell alles wieder im Lot.

Genau umgekehrt sei es, belehrte Russlands Außenminister Sergej Lawrow unlängst westliche Journalisten bei der Münchner Sicherheitskonferenz. Erst einmal müsse eine neue Weltordnung gezimmert werden - nach russischen Bauplänen, versteht sich. Dann ergebe sich auch eine Lösung für die Ukraine.

Krieg gegen den Westen und seine Dominanz

Ukraine-Krise im Februar 2015: Menschen inmitten von Trümmern
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Februar 2015: Der Osten der Ukraine liegt in Trümmern

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Foto: afp, JK

Selten hat ein Vertreter aus Moskau ungeschminkter ausgesprochen, worum es in Wirklichkeit geht bei der russischen Aggression gegen die Ukraine: um einen Krieg gegen den Westen und seine Dominanz. Diese Konfrontation wird weitergehen, selbst wenn es den Unterhändlern glücken sollte, endlich eine haltbare Waffenruhe in der Ost-Ukraine zu erreichen.

Das wissen die handelnden Akteure sehr gut, nur so recht aussprechen mögen sie es noch nicht. "Wir müssen uns vorbereiten auf eine Zukunft jenseits des Konflikts", orakelt Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier. Und diese Zukunft ist nicht rosig.

Ostukraine - Bilder von Soldaten und und Zerstörung
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Krieg in der Ostukraine - Bilder von Soldaten und Zerstörung

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Foto: afp, MR/RT

Steinmeier bemüht sich weiter, den unerklärten, dafür aber nicht weniger blutigen Krieg in der Ost-Ukraine zu behandeln wie ein regionales Problem. Es ist der fast verzweifelte Versuch, den Konflikt zu begrenzen, um ihn überhaupt noch in den Griff zu bekommen. Kann die akute Gefahr entschärft werden, so das Kalkül des deutschen Chef-Diplomaten, bleibt immerhin Hoffnung, auch das große Ganze irgendwie gütlich zu regeln.

Doch auch Steinmeier weiß, dass da etwas zerbrochen ist, für das die Ukraine-Krise nur ein Symptom ist. Russland hat ungeniert das Völkerrecht gebrochen und schafft in Europa neue Fakten - mit Waffengewalt. Die Schuld dafür schiebt man in Moskau den USA zu und beschimpft die Europäer als deren willige Helfer.

Angela Merkel unterwegs im Krisenmodus
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Angela Merkel unterwegs im Krisenmodus - stressige Tage für die Kanzlerin

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Folgt man der russischen Argumentation, dann hat nicht der russische Angriff auf die Ukraine - erst auf der Krim und dann im Osten des Landes - die europäische Friedensordnung zerstört, sondern das Ende der Sowjetunion und das darauffolgende hemmungslose amerikanische Hegemonialstreben. Es klingt gerade so, als habe der Kalte Krieg nur eine Pause gemacht.

Was der Welt nun droht, und ganz besonders uns Europäern, ist freilich mit der historischen Phase zwischen 1945 und 1991 nur bedingt vergleichbar. Wir wissen heute, dass der Kalte Krieg auch nach Berlin-Blockade und Kuba-Krise einige Male ungewollt fast in einen heißen Konflikt eskaliert wäre. In der Dritten Welt forderte der ideologische Konflikt unzählige Opfer in blutigen Stellvertreterkriegen. Ansonsten aber hatten die beiden Blöcke ein in Stillhalteabkommen gegossenes Arrangement getroffen. Und wo politische Überzeugung nicht reichte, taten wirtschaftliche Interessen und Abhängigkeiten den Rest, um den Konflikt faktisch einzufrieren.

Nicht nur altgediente Diplomaten sehnen sich heute nach der Berechenbarkeit der sowjetischen Politik und ihrer Verlässlichkeit bei einmal getroffenen Absprachen, die in so krassem Gegensatz steht zu Wladimir Putins Art, mit Verträgen und Vertrauen umzugehen.

Das westliche Entsetzen angesichts der zynischen Schachzüge Putins ist umgekehrt proportional zu den Hoffnungen, die man noch vor nicht allzu langer Zeit in Russland gesetzt hatte. Das Land galt als Partner, und westliche Politiker waren davon überzeugt, die russische Führung sei im Grunde derselben Rationalität verpflichtet wie sie selbst.

Schien Russland doch den richtigen Weg einzuschlagen, hin zu einer echten Demokratie, zu Pluralismus und Marktwirtschaft. Die Defizite, die natürlich niemandem verborgen bleiben konnten, redete man sich schön und bot Rechtsstaatsdialoge an. Als hätte Putin auf solche Nachhilfe gewartet.

Man wird Putin nicht mehr trauen können

In Wahrheit ist das Verhältnis des Westens zu Russland auf Jahre, wenn nicht Jahrzehnte hinaus zerrüttet. Man wird weiter versuchen, mit Putin zu reden. Aber man wird ihm nicht mehr trauen können. Hinzu kommt, das darf man bei aller Fokussierung der Debatte auf Putin nicht vergessen: Eine Mehrheit der Russen stützt seine Politik aus Patriotismus und auch, weil sie die anti-westlichen Reflexe ihres Präsidenten teilt.

Längst schießt die russische Propaganda aus allen Rohren nicht nur gegen die "Faschisten" in Kiew, sondern auch gegen den Freiheitsgedanken liberaler Demokratien. Kein Wunder, dass Putin seine glühendsten Bewunderer in Westeuropa unter linken wie rechten Radikalen findet.

Es ist schwer vorstellbar, wie sich angesichts dieses Frontalangriffs auf die westliche Gesellschaftsidee schon bald wieder ein gedeihliches Miteinander organisieren ließe. Darauf werden sich Politik und Bürger einrichten müssen. Seit 25 Jahren streichen wir in Westeuropa die Friedensdividende nach dem Ende der Ost-West-Konfrontation ein. Jetzt wird man unter anderem darüber zu reden haben, ob wir innerhalb der Nato nicht wieder mehr Geld für Verteidigung ausgeben müssen.

Aber auch in den Vorstandsetagen der deutschen Wirtschaft ist man gut beraten, sich Gedanken darüber zu machen, wie es mit Russland weitergehen kann. Die Unternehmen machen sich Sorgen um Umsätze, Marktanteile und Profite. Viele Manager treibt zudem die Sorge um das Schicksal ihrer russischen Mitarbeiter um. Aber es wäre illusorisch, auf ein schnelles Ende der Sanktionen und eine Normalisierung der Geschäftsbeziehungen zu setzen. Wer mag schon glauben, dass Russland bald wieder boomender Absatzmarkt für deutsche Exporte wird, dass deutsche Konzerne dort auch künftig Milliarden investieren, wenn das politische Klima auf Jahre hinaus so feindselig bleibt?

Am Ende läuft alles hinaus auf eine Frage, die schon abgehakt schien: Ist Russland nun Freund oder Feind? Derzeit lautet die hilflose Antwort: ein Nachbar. Ein sehr unfreundlicher.

(RP)
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