Reaktion auf Sanktionen Russland verhängt Einfuhrverbote - Merkel appelliert an Putin

Moskau · Westliche Lebensmittelhersteller müssen wegen der Spannungen um die Ukraine auf den gigantischen russischen Markt verzichten. Kremlchef Putin reagiert damit erstmals auf Strafmaßnahmen der EU und der USA.

So reagierten die Mächtigen des Westens auf Putin
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Als Reaktion auf westliche Sanktionen im Ukraine-Konflikt hat Russland für ein Jahr Einfuhrverbote für zahlreiche Waren und Lebensmittel verhängt. Betroffen seien jene Länder, die ihrerseits Strafmaßnahmen gegen Moskau erlassen hätten, teilte Kremlchef Wladimir Putin in einem am Mittwoch in Moskau unterzeichneten Dekret mit. Sanktionen erlassen hatten die EU und die USA, zudem Länder wie Kanada, die Schweiz oder Japan.

Der Schritt diene den nationalen Interessen und der Sicherheit Russlands, hieß es in dem Ukas. Betroffen seien landwirtschaftliche Produkte und Lebensmittel, die "verboten oder begrenzt" würden.

Russland will nach einem Bericht von RIA Nowosti zudem alle Agrarimporte aus den USA für ein Jahr verbieten. Alexej Alkexeenko von der russischen Gesundheitsaufsichtsbehörde sagte der staatlichen Nachrichtenagentur von dem von Präsident Wladimir Putin verhängten Einfuhrverbot seien alle in den USA produzierten Lebensmittel erfasst.

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Angela Merkel telefoniert mit Wladimir Putin

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat bereits am Mittwoch in einem Telefonat an Russlands Präsidenten Wladmir Putin appelliert, die Separatisten in der Ostukraine zu einem beiderseitigen Waffenstillstand mit Kiew zu drängen. Sie zeigte sich besorgt, dass von Russland aus Nachschub für die Separatisten in den Donbass geliefert werde, wie Vize-Regierungssprecherin Christiane Wirtz am Mittwochabend mitteilte.

Zugleich begrüßte Merkel in dem Telefonat mit Putin das Treffen der Kontaktgruppe aus Vertretern der OSZE, Russlands und der Ukraine mit Vertretern der Separatisten in der vergangenen Woche in Minsk.
Übergeordnetes Ziel bleibe die Stabilisierung der Ukraine. Diese müsse selbst über die Gestaltung ihrer Zukunft entscheiden können, sagte Merkel nach Angaben der Sprecherin.

Dem Kreml zufolge fand das Gespräch auf Initiative der Bundesregierung statt. Russland betonte darin erneut die zunehmend schlechte humanitäre Lage in der Ostukraine, teilte die Kanzlei von Putin in Moskau mit.

Russland will mehr Waren aus Südamerika importieren

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Nach dem Einfuhrstopp will Russland mehr Waren aus südamerikanischen Ländern importieren. Gespräche seien für diesen Donnerstag mit den Botschaftern Ecuadors, Brasiliens, Chiles und Argentiniens geplant, meldete die Agentur Interfax am Mittwoch unter Berufung auf die Lebensmittelaufsicht. Zugleich teilte die Behörde mit, sie habe 91 brasilianische Lebensmittelhersteller für den russischen Markt zugelassen.

Putin hatte eine Reaktion auf die westlichen Sanktionen angedroht. Er hatte betont, dass diese Schritte nicht zum Schaden russischer Verbraucher sein dürften. Moskauer Medien hatten allerdings bereits nach einem Importstopp für Obst aus Polen vor Preisanstiegen von etwa 40 Prozent etwa bei Äpfeln gewarnt. Russland hatte zuletzt mehrere Importverbote für westliche Produkte erlassen, diese aber mit Hygienefragen und Verbraucherschutz begründet.

Putin wies die Regierung zu einer strengen Preiskontrolle an. In Folge der Strafmaßnahmen dürften die Belastungen für Verbraucher nicht steigen. Er erwarte von den Ministerien in Zusammenarbeit mit der Polizei ein genaues "Monitoring der Warenmärkte".

Die Regierung werde eine detaillierte Liste der Produkte ausarbeiten, betonte der Präsident. Vizewirtschaftsminister Alexej Lichatschow sagte der Agentur Interfax zufolge, die Aufstellung sei bereits fertig und werde in Kürze der Regierung vorgelegt. Die Sanktionen seien aus Sicht Moskaus mit den Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) vereinbar. "Klagen gegen Russland schließen wir aus", meinte Lichatschow. Dem Kreml zufolge tritt das Verbot sofort in Kraft.

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Westliche Lebensmittel in Russland bisher überall erhältlich

Westliche Lebensmittel sind in Russland bisher überall erhältlich. Allerdings greifen viele Russen eher auf heimische Produkte zurück, weil Westware in der Regel deutlich teurer ist.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow schloss weitere Sanktionen gegen den Westen nicht aus. Ein mögliches Überflugverbot für ausländische Airlines, wie es zuletzt in Moskauer Medien diskutiert worden war, sehe er aber skeptisch. "Ich bin kein Anhänger davon, einfachen Bürgern, die nichts mit der Ukraine-Krise zu tun haben, Probleme zu machen", sagte Lawrow bei einem Besuch in Kasachstan.

Die EU und die USA werfen Russland vor, nichts zur Entspannung der Lage in der Ukraine zu unternehmen. Sie hatten deshalb vor kurzem erstmals ganze russische Wirtschaftszweige mit Sanktionen belegt. Betroffen sind der Finanz-, Energie- und der Militärsektor. So erschwerte die EU russischen Banken den Zugang zu Finanzmärkten. Sie beschloss zudem Exportverbote für bestimmte Hochtechnologiegüter an das Militär oder zur Ölförderung.

Immer ernsthafter wurde im Westen auch die Befürchtung geäußert, dass russische Truppen in der Ostukraine einmarschieren könnten. Diese Bedrohung sei angesichts der russischen Truppenverstärkungen an der Grenze gewachsen, sagte US-Verteidigungsminister Hagel am Mittwoch bei einem Treffen mit US-Militärs in Deutschland. "Wenn man die Aufstockung der russischen Truppen, die Erfahrenheit dieser Truppen, die Ausbildung dieser Truppen sieht, und das schwere militärische Gerät, das entlang der Grenze aufgestellt wird, dann ist das natürlich eine Realität." Die USA und die Nato gehen davon aus, dass mittlerweile rund 20 000 Soldaten an der Grenze stationiert sind.

Tusk: Gefahr eines direkten Eingreifens Russlands in der Ukraine wird größer

Auch der polnische Ministerpräsident Donald Tusk warnte, dass die Gefahr eines direkten Eingreifens Russlands in der Ukraine größer sei als noch vor wenigen Tagen oder Wochen. In der Ostukraine selbst rückte die ukrainische Armee immer dichter auf das Zentrum der Separatistenhochburg Donezk vor. Nur fünf Kilometer vom Hauptplatz entfernt schlugen Raketen und Artilleriegeschosse ein. Die Ukraine stritt allerdings ab, Luftangriffe auf Donezk zu fliegen. Augenzeugen berichteten hingegen von solchen Luftangriffen und auch AP-Reporter vor Ort konnten nahe Donezk Einschlagkrater sehen. Die Behörden der Stadt meldeten drei Tote.

Die Bundesregierung wollte sich am frühen Abend noch nicht zu dem Dekret sowie zu möglichen Auswirkungen für die deutsche Wirtschaft äußern, da ihr die Entscheidung mit allen Einzelheiten noch nicht vorlag.

Der Deutsche Bauernverband erwartet negative Auswirkungen für Landwirte in Deutschland und Europa. "Der Angebotsdruck im EU-Binnenmarkt dürfte steigen", sagte Vize-Generalsekretär Udo Hemmerling der Nachrichtenagentur dpa. "Bei unseren Hauptexportprodukten ist Russland schon ein wichtiger Markt, vor allem bei Fleisch und Milchprodukten."

Deutschland war zuletzt der zweitwichtigste Handelspartner Russlands. Nach Daten der Germany Trade & Invest (GTAI) für 2012 kamen 9,4 Prozent der russischen Einfuhren aus Deutschland - damit liegt die Bundesrepublik hinter China auf Rang zwei der Lieferländer.

(dpa)
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