Vorwahl-Desaster der Repubilkaner Obama kann sich ins Fäustchen lachen

Washington · Der neue US-Präsident wird wahrscheinlich auch der alte sein. Während die republikanische Konkurrenz zerstritten ist, punktet der Amtsinhaber vor allem in Fragen der Wirtschaft.

Vorwahl-Desaster der Repubilkaner: Obama kann sich ins Fäustchen lachen
Foto: dapd, Gerry Broome

Der Präsident hat die Kulisse gewechselt, passend zum neuen Optimismus im Land. Normalerweise sitzt er vor schweren, gediegenen Möbeln im Oval Office, wenn er seine wöchentliche Videoansprache hält. Diesmal spricht er im metallisch grauen High-Tech-Ambiente einer Maschinenhalle. Er wirkt tatsächlich ein bisschen wie Mr. Spock, jener kühle Star-Trek-Offizier mit den großen Ohren, mit dem Karikaturisten Barack Obama gerne vergleichen.

Die Fabrik in Petersburg, Virginia, produziert Teile für Flugzeugmotoren. Sie hat gerade rund 100 Leute neu eingestellt, weil sich die Auftragslage deutlich bessert. Obama spricht von Solarenergie und Windkraft, von Biodiesel und Benzinsparen. Er spricht von besseren Verbrauchswerten für Automobile, die er energisch durchsetzen wolle und denen seine konservativen Widersacher nur ihr ewig gleiches Mantra entgegenzusetzen hätten: bohren, bohren, bohren, immer mehr Öl fördern, statt technologische Erneuerung zu fördern. Obama klingt wie der Vorsitzende eines Wissenschaftsrats — Professor Obama, der Aufgeklärte.

Neuerdings sprechen Fakten für Obama

Kein Zweifel, es läuft gerade ganz gut für ihn. Während Mitt Romney, bei der Wahl im November sein wahrscheinlicher Rivale, gegen seine eigenen Überzeugungen nach rechts driftet, um dem erzkonservativen Konkurrenten Rick Santorum Wähler abzujagen, kann der Präsident in der Mitte punkten. Obamas Sympathiewerte sind zwar nicht berauschend, aber klar besser als im vergangenen Sommer, als sich der Kongress im Schuldenpoker blamierte und der Normalverbraucher an der gesamten politischen Klasse verzweifelte.

Doch jetzt hat die amerikanische Wirtschaft offenbar die Wende geschafft. Zwar verharrt die Arbeitslosigkeit bei 8,3 Prozent, weit über dem langjährigen Durchschnitt, aber nur, weil sich Menschen, die die Suche bereits aufgegeben hatten, wieder zurückmelden bei den Arbeitsämtern. Seit die Rezession vor knapp drei Jahren ihren Tiefpunkt erreichte, sind vier Millionen neue Jobs entstanden, 227.000 allein im Februar. Setzt sich der positive Trend fort, hat Obama die Argumente auf seiner Seite. Dann dürfte es dem Geschäftsmann Romney zusehends schwerer fallen, seinen wichtigsten Trumpf auszuspielen: seine Wirtschaftskompetenz.

Obama klingt ein wenig republikanisch

Noch etwas hat sich der Ex-Senator aus Chicago zu Herzen genommen: Seinen Landsleuten steht der Sinn nicht nach kühnen Reformen, nicht nach einem überall eingreifenden Staat. Die Seelenlage Amerikas ist noch immer eine eher konservative. Deshalb sagt Obama neuerdings Sätze, wie sie auch von einem Republikaner alter Schule stammen könnten. Etwa, wenn er Abraham Lincoln zitiert, dass die Regierung "nur das tun sollte, was die Menschen allein nicht besser tun könnten, und keinesfalls mehr".

In Detroit allerdings kann er Romney, der die schöpferischen Zerstörungskräfte des Kapitalismus beschwört, eine überzeugende Erfolgsgeschichte über den aktiv handelnden Staat entgegensetzen. Romney wollte General Motors und Chrysler strikt nach der reinen Lehre bankrottgehen lassen. Obama hat die angeschlagenen Autobauer auf Kosten des Steuerzahlers vor der Pleite bewahrt, beide schreiben wieder schwarze Zahlen, so dass sich allen der Sinn der Rettungsaktion erschließt. Von Detroit dürfte bis zum Herbst noch öfter die Rede sein.

Ist das Rennen damit schon gelaufen? Steht der Amtsinhaber vor einem Kantersieg über seinen Herausforderer? "Nichts dergleichen", sagt Paul Begala, ein Stratege, der einst Bill Clinton im Wahlkampf beriet. Zum einen, prophezeit er, werden sich die momentan so zerstrittenen Republikaner schnell zusammenraufen, sobald sie ihren Vorwahlmarathon hinter sich haben. Die Gegnerschaft zu Obama werde sich als starker Kitt erweisen. Zum anderen gebe es Unwägbarkeiten, die von einem Tag auf den anderen alles umstülpen könnten.

Die größte Unbekannte, darin herrscht Einigkeit, ist der Nahe und Mittlere Osten. Sollte Israel die Nuklearanlagen Irans angreifen, würden die USA fast zwangsläufig in den Konflikt hineingezogen. Eine Welle von Terroranschlägen wäre womöglich die Folge, der aufkeimende Optimismus der Amerikaner drohte einem Bedrohungsgefühl wie nach dem 11. September 2001 Platz zu machen. Nicht auszuschließen, dass es Obama ergeht wie Jimmy Carter, dessen Wiederwahl auch deshalb scheiterte, weil er 1979/80 in der Geiselkrise nach der Besetzung der US-Botschaft in Teheran den Eindruck von Schwäche erweckte. Schließlich ließe eine Militäraktion in Mittelost den Ölpreis auf Rekordhöhen steigen, was die konjunkturelle Erholung zwischen Miami und Seattle gefährden würde.

Noch ist das Thema Wirtschaft das vorherrschende im Duell ums Weiße Haus. Doch niemand kann sagen, ob sich die Prioritäten in acht Monaten nicht noch spürbar verschieben.

(RP/pst)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort