Wahlschlappe, CO2-Steuer, Streiks Sarkozy in der Aktionismus-Falle

Paris (RPO). Frankreichs Präsident unter Druck: Nach der verheerenden Niederlage in den Regionalwahlen verfällt Nicolas Sarkozy in Aktionismus. Nachdem er am Montag als Konsequenz aus der Schlappe seine Regierung umgebildet hatte, kippte er heute sein Prestigeprojekt: die Einführung einer CO2-Steuer wird nicht kommen. Unterdessen haben die Gewerkschaften mit landesweiten Streiks den Druck auf die konservative Regierung erhöht.

Sarkozy: Höhepunkte seiner Ratspräsidentschaft
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Die Arbeitsniederlegung zahlreicher öffentlicher Beschäftigter kam zwei Tage nach der Niederlage der Regierungspartei UMP bei den Regionalwahlen. Die Proteste richteten sich gegen die geplanten Wirtschafts-, Arbeitsmarkt- und Sozialreformen. Den Gewerkschaften zufolge gingen 650.000 Menschen auf die Straße. Premierminister François Fillon erklärte, die Regierung werde ungeachtet dessen an ihren Plänen festhalten.

Paris werde bei der Notwendigkeit, "unser Land zu modernisieren", keine Kompromisse eingehen, erklärte Fillon vor dem Parlament. Arbeitsminister Eric Woerth, der frühere Finanzminister, kündigte an, die Reform des "extrem instabilen" Rentensystems voranzutreiben. Der Umbau der Pensionskassen gilt als entscheidender Bestandteil der Reformpolitik. "Das Land muss wettbewerbsfähiger werden, um die Arbeitsplätze der Zukunft zu schaffen", sagte Woerth.

Für die Einwohner von Paris war der Streik ein Ärgernis, aber keine Katastrophe. In der Metro kam es nur zu minimalen Einschränkungen. Doch landesweit waren nur zwei Drittel aller Bahnfahrten sichergestellt. Verbindungen ins Ausland wurden nicht bestreikt. Etwa jeder dritte Grundschullehrer erschien nicht zum Dienst. An Mittel- und Oberschulen streikten zwischen 11 und 18 Prozent der Kollegien. Auch das Französische Inforadio war von dem Ausstand betroffen, ein Teil der Sendungen musste durch Musik ersetzt werden.

Die Gewerkschaften hatten zu Demonstrationen in mehr als 70 Städten aufgerufen. Die größte Kundgebung von rund 180 war in Paris geplant. Am Sonntag hatte die Sozialistische Partei (PS) in 23 der 26 Regionen die Mehrheit errungen. Präsident Nicolas Sarkozy reagierte mit einer Kabinettsumbildung auf die Wahlniederlage.

CO2-Steuer laut Fillon europaweit oder gar nicht

Außerdem muss Sarkozy auf eines seiner Prestigeprojekte offenbar endgültig verzichten: Die Regierung kündigte an, doch keine CO2-Steuer zum Klimaschutz einzuführen. Der konservative Abgeordnete Jean-Francois Cope sagte nach einem Treffen mit Premierminister Fillon, dieser habe erklärt, eine Steuer auf den Kohlendioxidausstoß werde es entweder europaweit oder gar nicht geben.

Das französische Verfassungsgericht hatte die Einführung der CO2-Steuer schon im Dezember gestoppt. Die Richter erklärten damals, es gebe zu viele Ausnahmeregelungen in dem Gesetz, das eigentlich zum 1. Januar in Kraft treten sollte. Das führe dazu, dass die Steuergerechtigkeit leide, zudem wären überhaupt nur "weniger als die Hälfte der Treibhausgas-Emissionen von der Steuer betroffen". Fillon kündigte danach an, dass ein überarbeiteter Gesetzentwurf vorgelegt werde, damit das Gesetz im Juli in Kraft treten könne.

Sarkozy hatte sich für die Regelung stark gemacht, um die weltweite Klimaerwärmung und die französische Abhängigkeit vom Erdöl zu verringern. In seiner eigenen Partei wurde das Gesetz kritisiert, weil dadurch die Wettbewerbsfähigkeit der französischen Wirtschaft gefährdet werde.

Regierungsumbildung nach Wahl-Niederlage

Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy zieht Konsequenzen aus der deutlichen Niederlage der bürgerlichen Mehrheit bei den Regionalwahlen. Der Präsident bildete die Regierung am Montag um und besetzte das Arbeits- und Sozialministerium neu, das Schlüsselressort für seine geplante Rentenreform. Der bisherige Arbeitsminister Xavier Darcos scheidet nach seinem schlechten Ergebnis bei der Regionalwahl aus der Regierung aus.

An die Spitze des Arbeitsministeriums holte Sarkozy den bisherigen Haushaltsminister Eric Woerth, wie das Präsidialbüro am Abend mitteilte. Woerth soll nun die umstrittene Rentenreform angehen, die der Präsident vor gut einem Monat angekündigt hatte.

Der scheidende Darcos bekomme "demnächst" eine andere Verantwortung übertragen, erklärte Sarkozys Büro. Darcos hatte sich in der Region Aquitaine in der entscheidenden zweiten Wahlrunde am Sonntag mit nur 28 Prozent der Stimmen gegen die Sozialisten geschlagen geben müssen, die auf 56 Prozent kamen. Der Minister erklärte kurz vor Bekanntgabe der Regierungsumbildung, er sei stolz auf seine bisherige Arbeit. In Darcos' Umfeld hieß es, es sei unverständlich, dass der Minister gehen müsse; offenbar brauche Sarkozy "einen Sündenbock".

Für den neuen Arbeitsminister Woerth kommt der frühere Übersee- und Innenminister François Baroin ins Haushaltsministerium, ein enger Vertrauter von Sarkozys Vorgänger Jacques Chirac. Mit seiner Ernennung begegnet der Staatschef offenbar wachsendem Unmut im eigenen Lager. Baroin hatte zwischen den beiden Runden der Regionalwahl in der vergangenen Woche Sarkozy unter anderem für seine "Öffnungspolitik" gegenüber der Linken kritisiert.

Der Präsident holte neben Baroin noch einen weiteren Vertreter des Chirac-Lagers in die Regierung, den konservativen Abgeordneten Georges Tron. Er wird Staatssekretär im Arbeitsministerium. Sarkozy werde nach der wöchentlichen Kabinettssitzung am Mittwoch eine Erklärung abgeben, kündigte sein Büro an.

Sarkozys Stabschef hatte am Wochenende angekündigt, dass nach dem Urnengang nur eine kleinere, "technische" Regierungsumbildung zu erwarten sei. Offenbar veranlasste das schlechte Wahlergebnis den Präsidenten zu drastischeren Schritten. Ihren Kurs ändern will die regierende UMP nach eigenem Bekunden nicht. Die Wähler hätten "aber nicht Nein zu den Reformen" gesagt, sagte Parteichef Xavier Bertrand.

(AP/AFP)
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