Pro und Contra Schnelle Geschäfte mit den Mullahs?

Meinung | Düsseldorf · Unmittelbar nach dem Atom-Abkommen besucht der Bundeswirtschaftsminister den Iran und erntet dafür nicht nur Lob. Kritiker werfen ihm vor, keine Rücksicht auf Israel und die Menschenrechte zu nehmen.

 Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel trifft auf Irans Präsidenten Hassan Ruhani. Bei Gabriels Besuch ging es darum, die Handelsbeziehungen mit dem Iran zu beleben.

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel trifft auf Irans Präsidenten Hassan Ruhani. Bei Gabriels Besuch ging es darum, die Handelsbeziehungen mit dem Iran zu beleben.

Foto: Presidential Official Website Ha

Sigmar Gabriel hat mit seiner Iran-Reise alles richtig gemacht. Zu Unrecht ist der Eindruck aufgekommen, es sei dem Wirtschaftsminister nach dem alten Motto "Wer zuerst kommt, mahlt zuerst" moralisch zwielichtig nur darum gegangen, nach dem Atom-Abkommen schnell lukrative Verträge für deutsche Unternehmen möglich zu machen - unabhängig davon, mit wem man da Geschäfte macht. Erstens hat sich Gabriel nicht vorgedrängt, sondern der Zufall spielte mit: Durch die Verzögerung der Atom-Gespräche "passte" die bereits im April geplante Reise plötzlich genau, Deutschland war als Erstes vor Ort. Das ist ein Glücksfall und nicht verwerflich. Zweitens aber, und das ist viel wichtiger, nutzt die Wiederbelebung der traditionell engen Handelsbeziehungen allen Seiten - nicht zuletzt den 78 Millionen Iranern, die unter dem strengen Mullah-Regime und den internationalen Sanktionen zu leiden haben.

Seit Jahren lebt die Bevölkerung mit galoppierender Inflation und explodierenden Lebenshaltungskosten. Der Außenhandel liegt am Boden, Arbeitslosigkeit und Armut sind groß. Ändert sich all dies nun Schritt für Schritt, werden die Hardliner massiv an Rückhalt verlieren. Damit wäre letztlich auch Israels Sicherheit gedient, das Teheran nachvollziehbar als Bedrohung ansieht.

"Es war wichtig zu zeigen, dass sich Frieden lohnt" ist ein Schlüsselsatz, den Gabriel, leicht variiert, während der Reise mehrfach wiederholte: Die geknüpften Kontakte werden die gemäßigten Kräfte im Iran stärken. Das ist allemal sinnvoller, als weiter einem finster wirkenden, nach der Atombombe strebenden Mullah-Regime zuzusehen. Würde man ausgerechnet jetzt Teheran jeden Kontakt verweigern, würde das den Kriegstreibern in die Hände spielen. Im Nahen Osten toben heftige Machtkämpfe, zuletzt ging auch der Jemen in Flammen auf. Die Terrormiliz "Islamischer Staat" destabilisiert großflächig die Region um Syrien und den Irak. Teheran, noch Teil des Problems, nicht der Lösung, kann im Kampf gegen diese Bedrohungen zum nützlichen regionalen Verbündeten werden - ein Argument, das in den USA den Willen zur Atom-Einigung zuletzt stark gefördert hat. Doch dazu muss weiter mit dem Iran geredet werden. Und das kann Deutschland vielleicht sogar am besten, weil es im Land noch immer ein hohes Vertrauen genießt.

Um Risiken und Stolpersteine weiß auch Gabriel. Er sprach die inakzeptablen Drohungen gegen Israel, die Missachtung der Menschenrechte und andere Missstände bei der Reise so offen an, dass es den begleitenden Wirtschaftsvertretern schon wieder zu dick aufgetragen war. Doch durch das Atom-Abkommen gibt es nun eine realistische Chance, die Verhältnisse zu ändern. Handelsbeziehungen sind dazu ein guter, weil sehr pragmatischer Weg.

Helmut Michelis (61) ist Politik-Redakteur und Experte für Sicherheitspolitik.

Die Unterschriften unter dem Atom-Deal sind kaum trocken, und das ganze Abkommen ist noch nicht ratifiziert, da reist Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel bereits an der Spitze einer ganzen Heerschar von deutschen Managern nach Teheran. Deutschland hat sich jahrelang mit großem diplomatischen Einsatz um das Abkommen bemüht und sich dabei international den Ruf eines ehrlichen Maklers erworben. Nach Gabriels Business-Trip wird man sich hässliche Gedanken über Deutschlands wahre Absichten machen.

Natürlich stehen nicht nur deutsche Unternehmen in den Startlöchern und gieren nach Geschäften mit dem Iran. Trotzdem hätte man sich in Berlin mehr Fingerspitzengefühl gewünscht. Die Zeit für das Feilschen um lukrative Kontrakte ist noch nicht gekommen. Der Pariser Außenminister Laurent Fabius weiß das, und er ist vorsichtiger als Gabriel, im Umgang mit dem iranischen Regime. Er hat die zahlreichen Unternehmer, die ihn derzeit zu einer schnellen Geschäftsreise nach Teheran drängen, erst einmal zu Vorbereitungskursen ins Außenministerium eingeladen.

Ein wenig Abstand täte auch in Berlin ganz gut. Denn selbst, wenn das Atom-Abkommen schließlich in Kraft tritt, sind damit längst nicht alle Risiken vom Tisch. Der Iran der Ajatollahs ist ein Staat, der das Existenzrecht Israels ablehnt, der Terrorgruppen unterstützt hat und der nach der Bombe strebt. Es ist leider überhaupt nicht garantiert, dass der Vertrag von Wien an einem dieser Punkte etwas ändern wird.

Auch wenn einige Konservative im Iran jetzt über eine angebliche Unterwerfung unter den "Satan Amerika" schäumen, ist Teheran doch in Wirklichkeit der große Gewinner der Atom-Verhandlungen. Sein großes Ziel - die Aufhebung der Wirtschaftssanktionen - hat der Iran erreicht. Die Beschränkungen des Atom-Programms bleiben zeitlich befristet auf maximal 15 Jahre. Den Kern seiner nuklearen Kapazitäten hat das Regime gerettet, und es darf nun auf einen Wirtschaftsboom hoffen, der es ihm gestattet, das Atom-Programm in einigen Jahren ohne Angst vor den Folgen erneuter Sanktionen fortzusetzen. Wenn es dazu überhaupt kommt. Denn wer mag schon glauben, dass wirtschaftliche Strafmaßnahmen noch durchsetzbar wären, wenn westliche Länder erst einmal viele Milliarden im Iran investiert haben?

Dass die iranische Theokratie sich jetzt nicht nur für westliche Investitionen öffnet, sondern auch für eine nach innen liberalere und nach außen kooperative Haltung, ist bisher nur eine Hoffnung. Denn faktisch profitieren von der Aufhebung der Sanktionen erst einmal die Hardliner, die nicht nur das Atom-Programm kontrollieren, sondern auch wesentliche Teile der iranischen Wirtschaft. Der Iran ist noch lange kein "normales" Land.

Matthias Beermann (50) ist Chefkorrespondent und Experte für Außenpolitik

(RP)
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