Unabhängigkeitsreferendum in Schottland Letzte Umfragen prognostizieren Sieg des Einheitslagers

Edinburgh · "Soll Schottland ein unabhängiger Staat werden?": Mit ihrer Antwort auf diese Frage haben die Schotten am Donnerstag in einem Referendum darüber entschieden, ob sie sich nach mehr als 300 Jahren von Großbritannien abspalten wollen.

Solche kuriosen Blüten trieb das Referendum in Schottland
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Knapp 4,3 Millionen Landesbewohner durften an der historischen Volksabstimmung teilnehmen, deren Ergebnis europaweit mit Spannung erwartet wurde. Letzten Umfragen zufolge lagen die Unabhängigkeitsgegner knapp vorne.

Knapp 4,3 Millionen Landesbewohner durften an der historischen Volksabstimmung teilnehmen, deren Ergebnis europaweit mit Spannung erwartet wurde. Die Entscheidung über die Zukunft ihrer Heimat hat die Schotten seit Wochen umgetrieben. Da sich 97 Prozent der Stimmberechtigten ab 16 Jahren für das Referendum registriert haben, wurde mit einer ausgesprochen hohen Beteiligung gerechnet. Meinungsforscher räumten den Befürworten eines Verbleibs im Vereinigten Königreich einen hauchdünnen Vorsprung vor den Unabhängigkeitsverfechtern ein. Allerdings bewegte sich die Differenz innerhalb der dreiprozentigen Fehlermarge. Da zudem der Anteil unentschiedener Wähler noch zuletzt auf bis zu 14 Prozent geschätzt wurde, dürften diese den Ausschlag geben.

Im restlichen Großbritannien ist eine große Mehrheit der Engländer, Waliser und Nordiren gegen die Abspaltung, die sich der schottische Regierungschef Alex Salmond zur Lebensaufgabe gemacht hat. "Wir können unsere Zukunft in unsere eigenen Hände nehmen", sagte Salmond nach der Stimmabgabe in seinem Heimatdorf Strichen im Nordosten Schottlands. Der Chef der Schottischen Nationalpartei (SNP) warb ein letztes Mal für die Loslösung von Großbritannien: "Wir haben die Chance, eine erfolgreichere Wirtschaft aufzubauen, aber auch eine gerechtere Gesellschaft."

Im März 2016 könnte Schottland unabhängig sein

Falls die Schotten seinem Wunsch folgen, sollen die politischen Folgeverhandlungen mit London am 24. März 2016 in die Unabhängigkeit münden. Salmonds Lager will zwar weiterhin die britische Königin als Staatsoberhaupt einer konstitutionellen Monarchie behalten, Schottland soll auch EU- und Nato-Mitglied bleiben. Das Gelingen dieser Vorhaben ist aber genauso offen wie die Fragen, welche Währung Schottland bekäme, wie hoch der von Großbritannien zu übernehmende Staatsschuldenanteil ausfiele und was mit den Milliardeneinnahmen aus dem Ölgeschäft in der Nordsee geschieht.

Die Befürworter einer Unabhängigkeit argumentierten, dass nur eine schottische Regierung die wahren Interessen des Landes im Blick habe. Das gegnerische Lager taufte seine Kampagne hingegen "Better together" ("Besser zusammen") und argumentierte, gemeinsam seien die Nationen England, Wales, Nordirland und Schottland politisch und wirtschaftlich stärker als alleine.

Aufgeschreckt durch das Kopf-an-Kopf-Rennen in den Umfragen warben die Chefs der großen Parteien im Londoner Parlament zuletzt noch einmal eindringlich und mit wortreichen Versprechen für einen Verbleib im Königreich. Premierminister David Cameron warnte vor einer "schmerzhaften Scheidung", welche die Schotten teuer zu stehen kommen werde. Salmond hatte ihm vor dem Referendum zahlreiche Zusagen abgerungen und könnte daher in jedem Fall triumphieren: Indem er Schottland zur Unabhängigkeit verhilft - oder seinen Landsleuten weiterreichende Autonomierechte sichert.

"Das ist eine endgültige Entscheidung"

Die vor den Wahllokalen wartenden Schotten waren sich der Tragweite ihres Votums bewusst. "Das ist eine endgültige Entscheidung, die auch meine Kinder betreffen wird", sagte die 34-jährige Charlotte Farish, die in Edinburgh mit "Nein" stimmte. "Ich liebe mein Land, ich will nicht, dass es ruiniert wird." Der Unabhängigkeitsverfechter Martin Monaghan sagte hingegen: "Wenn das 'Nein' gewinnt, werde ich mich einen Monat verstecken."

Unter prominenten Kommentatoren des Votums schienen die Gegner einer Unabhängigkeit zuletzt Übergewicht zu haben. Auch auf den Finanzmärkten herrschte offenkundig Erleichterung über den Umfragevorsprung des "Nein"-Lagers: Das britische Pfund erreichte am Freitagmittag seinen höchsten Kurs gegenüber dem Euro seit August 2012.

Die Wahlbüros in Schottland öffneten am Donnerstagmorgen um 08.00 Uhr (MESZ) und sollten um 23.00 Uhr schließen. Da es keine Nachwahlbefragungen gibt, wurde das Ergebnis erst am Freitagmorgen erwartet. Anschließend wollte sich Cameron in einer Fernsehansprache äußern.

(AFP)
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