Referendum Tag der Entscheidung für Schottland

Edinburgh · Die Schotten stehen vor einer historischen Entscheidung mit großer Tragweite: Im Vereinigten Königreich bleiben - oder nicht? Umfragen lassen auf ein extrem knappes Ergebnis schließen.

Fragen und Antworten zum Referendum in Schottland
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Foto: afp, LN/aa/JR

Tag der Entscheidung in Schottland: In einem mit Hochspannung erwarteten Referendum stimmen die Bewohner am (heutigen) Donnerstag über eine Abspaltung von Großbritannien ab. In Umfragen liegen Befürworter und Gegner einer Unabhängigkeit nahezu gleichauf.

Es wird mit einer regen Beteiligung gerechnet. Mehr als 4,2 Millionen Schotten und damit 97 Prozent der Wahlberechtigten haben sich für den Volksentscheid registrieren lassen, erstmals sind auch 16- und 17-jährige zugelassen. Das Ergebnis wird am Freitagmorgen erwartet.

Am letzten Tag vor der Abstimmung mobilisierten beide Lager noch einmal ihre Unterstützer. Freiwillige gingen am Mittwoch von Haus zu Haus, um Unentschlossene zu umwerben. Auch das Straßenbild spiegelte vielerorts die Schlacht um die Herzen und Köpfe der Schotten wider: "Yes Scotland"-Poster und "Nein, danke"-Transparente hingen in den Fenstern, einschlägige Sticker an den Jacken und Flugblätter an den Häuserwänden. Mit Megafonen ausgestattete Wahlkampfautos fuhren auf den Straßen ab, aus den Lautsprechern ertönten schottische Lieder und der Song "Children of the Revolution."

Der britische Ex-Premierminister Gordon Brown, selbst Schotte, sprach auf einer Kundgebung der Abspaltungsgegner. Die stille Mehrheit der Schotten, die für die Union mit dem Vereinigten Königreich sind, "wird nicht länger still sein", erklärte er. Bei dem Votum gehe es nicht darum, ob Schottland eine Nation sei. "Wir sind es, gestern, heute und morgen", sagte Brown. Bei der Wahl gehe es vielmehr darum, ob man jegliche Verbindung zum Rest des Landes durchtrennen wolle.

Der schottische Regierungschef Alex Salmond, der die "Ja"-Bewegung anführt, bat die Wähler indes inständig, eine erstmals seit 307 Jahren erwachsene demokratische Chance nicht ungenutzt zu lassen.
Trotz der wachsenden Zustimmung für eine Abspaltung sah er sein Lager jedoch als Außenseiter. "Aber, wie uns die Lebenserfahrung lehrt, haben Underdogs in der Politik und ganz bestimmt in diesem Festival der Demokratie die Gewohnheit, manchmal zu gewinnen", fügte Salmond hinzu.

Alistair Darling, Wortführer der Unabhängigkeitsgegner, riet den Schotten, im Zweifel mit "Nein" zu stimmen. "Wenn wir für den Austritt stimmen, gibt es kein Zurück." Der Vorsitzende der Abspaltungskampagne, Dennis Canavan, rief den Wählern jedoch entgegen: "Lasst es uns wagen".

Schon jetzt scheint festzustehen, dass das Referendum eine ungemein knappe Angelegenheit wird: Eine Telefonumfrage unter 1373 Bürgern des Marktforschungsinstituts Ipsos MORI sah das Lager der Gegner einer Abspaltung bei 51 Prozent, die Befürworter bei 49 Prozent. Fünf Prozent waren demnach noch unentschlossen.

Mit dem Ende des Wahlkampfs wurden sich viele Schotten der Tragweite der Entscheidung bewusst. Cathy Chace aus Edinburgh sagte der Nachrichtenagentur AP, sie würde das Land verlassen, wenn es sich tatsächlich von Großbritannien abspalte. "Ich will nicht in einer nationalistischen Nation leben." Roisin McLaren, die um "Ja"-Stimmen warb, sah sich auf dem Weg zur Unabhängigkeit schon fast am Ziel. "Jetzt in den letzten Tagen scheint es möglich zu sein, in Reichweite. Ich kann es schon fast schmecken."

Sollten die Schotten tatsächlich mit Ja stimmen, wären monatelange Verhandlungen zwischen dem Land und der Regierung in London über die Details die Folge. Inkrafttreten würde die Unabhängigkeit Schottlands dann nach örtlichen Behördenangaben offiziell am 24. März 2016 - dem Jahrestag der schottischen Entscheidung für eine Vereinigung mit Großbritannien im Jahr 1707.

(ap)
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