Doppelrücktritt in Japan Schwerer Schlag für Shinzo Abe

Tokio · Die japanische Regierung wankt: Am Montag erklärten zwei der fünf Ministerinnen von Ministerpräsident Shinzo Abe wegen Affären um Spenden- und Amtsmissbrauch ihren Rücktritt.

 Shinzo Abe umringt von Yuko Obuchi (links) und Midori Matsushima (oben, 2te von rechts).

Shinzo Abe umringt von Yuko Obuchi (links) und Midori Matsushima (oben, 2te von rechts).

Foto: ap

Er wolle "Japan zurückholen", hatte Abe den Wählern vor einem Jahr versprochen. Nach langer Stagnation und schleichender internationaler Marginalisierung soll Japan auf der Weltbühne wieder als wirtschaftlich, politisch und militärisch starkes Land auftreten, auf das seine Bürger stolz sein können. Mit seiner "Abenomics" genannten Wirtschaftspolitik aus billigem Geld, schuldenfinanzierten Konjunkturspritzen und dem Versprechen von Reformen schürte er die Erwartung an ein Comeback.

Weil Japan rapide überaltert und von Immigrationspolitik nichts wissen will, sollen nach Abes Willen Frauen einen wesentlichen Beitrag dazu leisten. Die männerdominierte Gesellschaft soll sich ändern, damit Japan ein Land wird, in dem Frauen "glänzen" können. Bis zu den Olympischen Spielen 2020 in Tokio will Abe den Anteil von Frauen in Führungspositionen von unter zehn auf 30 Prozent steigern. Um seine Entschlossenheit zu zeigen, erhöhte Abe zuletzt die Zahl der Frauen in seinem Kabinett von zwei auf fünf - Rekord. Doch "glänzend" war die Wahl nicht, wie sich nun keine zwei Monate später herausstellt.

Immer wieder Spenden- und Korruptionsskandale

Anstatt Japan "zurückzuholen", holten seine Industrieministerin Yuko Obuchi und Justizministerin Midori Matsushima vielmehr die Erinnerung an überwunden geglaubte Zeiten von Filz und Vetternwirtschaft zurück, als es in Abes Liberaldemokratischer Partei (LDP) immer wieder zu Spenden- und Korruptionsskandalen gekommen war. Abe selbst wird plötzlich wieder an seine erste Amtszeit erinnert. Diese hatte 2007 nach einer Reihe ähnlicher Skandale um Minister, von denen mehrere zurücktraten und einer sich umbrachte, nach nur einem Jahr kläglich geendet. Zweifel an Abes Führungsqualitäten kamen damals auf.

Zwar mögen die Skandale der zurückgetretenen Ministerinnen um Theaterkarten und Papierfächer dagegen vergleichsweise harmlos ausschauen, dennoch drohen sie, Abes Position erneut zu schwächen. Ihr Rücktritt soll Schlimmeres vermeiden. Doch ob das gelingt, bleibt abzuwarten. Schließlich hatte sich Abe stark für die Frauen eingesetzt in der Hoffnung, damit sein Image zu stärken. Gerade Obuchi galt mit ihren gerade mal 40 Jahren als Starfigur und Aushängeschild für Abes "womenomics" genannte Frauenpolitik.

Dabei hatte alles bisher recht gut ausgesehen. Abe schien aus der ersten Amtszeit gelernt zu haben. Dank seiner Wirtschaftspolitik genoss er seit seinem erneuten Amtsantritt Ende 2012 ungewöhnlich stabile Umfragewerte. In diesem ruhigen Fahrwasser schaffte er es auch, seine nationalistische Agenda voranzubringen und Japan deutlich nach rechts zu rücken. Die pazifistische Verfassung ließ er kurzerhand uminterpretieren, um das Militär zu stärken. Zugleich kommen Personen und Gruppen, die Japans kriegerische Vergangenheit verharmlosen und relativieren, zunehmend aus der Deckung. Hasstiraden von Ultrarechten vor koreanischen Schulen haben deutlich zugenommen.

Doch die Umfragewerte für Abe sinken in letzter Zeit. Zweifel an "Abenomics" kommen auf, die Preise steigen schneller als die Löhne. Und nun auch noch wieder Skandale. Die Zustimmung für Abe ist nach einer Umfrage der Nachrichtenagentur Kyodo um 6,8 Prozent auf 48,1 Prozent gesunken. Zudem sorgen zwei weitere Ministerinnen für Kritik. Innenministerin Sanae Takaichi und die Vorsitzende der Kommission für nationale Sicherheit, Eriko Yamatani, sehen sich mit Fotos konfrontiert, die sie mit dem Anführer einer Neonazi-Gruppe zeigen.

Abe weiß aus der Vergangenheit seiner LDP, dass sinkende Umfragewerte schnell das politische Schicksal von Partei- und Regierungschefs besiegeln können. Für die in den vergangenen Monaten in die völlige Bedeutungslosigkeit versunkene Opposition sind die jüngsten Skandale und Rücktritte ein unverhofftes Fressen. Ob es jedoch ausreicht, den politischen Kurs im Land wieder zu drehen, bleibt abzuwarten.

(dpa)
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