Nordirland Seitensprung wird zur Staatsaffäre

Belfast/London/Düsseldorf (RPO). Eine untreue Ehefrau, ein jugendlicher Liebhaber und mysteriöse Geldzahlungen: Das sind die Zutaten für eine Staatsaffäre, die die nordirische Politik erschüttert. Nachdem mit Regierungschef Peter Robinson der gehörnte Ehemann zurückgetreten ist, könnte der Aussöhnungsprozess zwischen den ehemals verfeindeten pro-britischen Protestanten und den pro-irischen Katholiken zum Stillstand kommen.

Nordirland: Seitensprung wird zur Staatsaffäre
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Es ist der Stoff, der bei den nicht gerade zimperlichen britischen Boulevardblättern die Champagnerkorken knallen lässt. Eine Politikerin hat eine Affäre mit einem Teenager. Sie missbraucht ihm zuliebe ihr Amt und bricht die strengen Finanzregeln für Parlamentsmitglieder. Sie verschafft ihrem jungen Liebhaber das Startkapital für die Eröffnung eines Cafes, indem sie 50.000 Pfund von Freunden leiht. Sie verschweigt die Zahlung und sorgt laut BBC dafür, dass er Wettbewerbsvorteile bei der Vergabe einer Cafe-Lizenz bekommt.

Der Name der Frau: Iris Robinson. Der gleiche Nachname wie die Femme fatale aus dem Filmklassiker "Die Reifeprüfung", in dem der junge Dustin Hoffman von einer reiferen Dame verführt wird. Die Parallelen zwischen Fiktion und Realität sind unübersehbar, eine Steilvorlage für hämische Kommentare im Blätterwald. Nur handelt es sich dieses Mal um den seinerzeit 19 Jahre alten Kirk McCambley und die damals 59-Jährige Vorzeigepolitikerin. 2008 soll es zu der gefährlichen Liebschaft gekommen sein, die Robinson nach eigenen Angaben einging, um den Tod ihres Vaters zu verarbeiten.

Solche Affären gibt es tausendfach, doch Iris Robinson ist Mitglied der Democratic Unionist Party (DUP), die sich aus erzkonservativen Protestanten zusammensetzt. Ihr übergeordnetes Ziel: der Verbleib der Grafschaft Ulster im Vereinigten Königreich. Vor diesem Hintergrund ist es besonders pikant, dass Mrs. Robinson - wie im Film - verheiratet ist.

Und das nicht mit irgendwem. Peter Robinson ist Vorsitzender der DUP und Regierungschef in Belfast. Zusammen sind die beiden ein politisches Vorzeigepaar, das nun Kratzer davonträgt. Mr. Robinson soll bereits im März 2009 von der Affäre und den anderen Details erfahren haben. Nach Informationen des BBC hatte er wider alle Regeln die Behörden nicht über die unsauberen Geschäfte in seiner Familie unterrichtet.

Rücktritt auf Zeit

Das Ausweichmanöver des regionalen Spitzenpolitikers folgte am Montag. Robinson legte sein Amt "temporär" nieder, um eine "objektive" parlamentarische Untersuchung seiner möglichen Verwicklung in den Sex- und Finanzskandal zu ermöglichen. Als Vorsitzender der DUP übertrug er seine Amtsgeschäfte für die Dauer von bis zu sechs Wochen an die Parteikollegin und Handelsministerin, Arlene Foster. Nur wenige Analysten rechnen damit, dass Robinson, der sich unschuldig nennt, in den Premiersessel zurückkehren wird. Foster sagte hingegen, sie habe "keinen Zweifel", dass er zurückkehren werde. "Peter Robinson wird seinen Namen rein waschen", sagte sie im Parlament.

Neben der privaten Dimension hat die Affäre somit auch eine politische Tragweite erhalten, die derzeit noch gar nicht abzusehen ist. Beobachter in Belfast gehen davon aus, dass die Affäre von Mrs. Robinson zum Ende der Koalitionsregierung mit der irisch-republikanischen Sinn Fein und Neuwahlen in der Provinz führen könnte. Bei dem Urnengang könnten dann die separatistischen Republikaner als stärkste Kraft in die neue Regierung zurückkehren.

Dieses Szenario wird immer wahrscheinlicher. Die sensible Machtbalance in Nordirland, das jahrzehntelang unter einem blutigen Terrorkrieg gelitten hatte, könnte durch die Schwäche eines der Koalitionspartner zerstört werden. Die Erklärung von Peter Robinson ließ darauf schließen, dass die blamierte DUP der nationalistischen Sinn Fein keine vollwertige Partnerschaft mehr anbieten kann.

Politisches Gleichgewicht in Gefahr

"Die brutale Wahrheit ist, dass wir in Nordirland bereits vor den Robinson-Enthüllungen auf eine gefährliche politische Krise zusteuerten", schrieb der Irland-Experte und Mitglied des britischen Oberhauses, Paul Bew, am Montag in der Zeitung "The Times". Katholiken und Protestanten streiten seit Monaten über Einzelheiten der geplanten Übertragung von Polizei- und Justizbefugnissen von London an die nordirische Provinzregierung. Sollte die Situation tatsächlich aus dem Gleichgewicht geraten, hätte auch Premier Gordon Brown in London ein Problem. Schließlich stehen in fünf Monaten Wahlen an und die Chancen für Labour sind bereits jetzt denkbar schlecht.

Und Mrs. Robinson? Sie verkündete bereits am Wochenende, sich aus der Politik zurückziehen zu wollen und befindet sich derzeit in psychiatrischer Behandlung. Sie werde in einer Klinik in Belfast derzeit "intensiv" betreut, sagte ihr Mann, der seiner Frau die Äffare verziehen hat.

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