Vizekanzler und SPD-Chef in Teheran Sigmar Gabriels Iran-Mission

Teheran · Der Vizekanzler reist mit einer Wirtschaftsdelegation nach Teheran. Dort will er für die Unternehmer Türen öffnen, gleichzeitig aber auch kritisch über Menschenrechtsverletzungen und über den Krieg in Syrien sprechen.

 Sigmar Gabriel verhandelt in Iran.

Sigmar Gabriel verhandelt in Iran.

Foto: dpa, nie jhe sup fpt

Sigmar Gabriel ist nicht nur SPD-Vorsitzender und der voraussichtlich nächste Kanzlerkandidat der Sozialdemokraten, sondern auch noch Wirtschaftsminister der viertgrößten Volkswirtschaft der Erde. In dieser Rolle reiste Gabriel gestern in den Iran, begleitet von einer großen Wirtschaftsdelegation. Er will Türen für die deutschen Unternehmer öffnen, zugleich aber auch außenpolitischer Brückenbauer sein in einer Phase, in der sich die Situation in Syrien weiter zuspitzt.

Es ist die zweite Reise Gabriels in die islamische Republik. Schon unmittelbar nach dem historischen Abschluss des Atomabkommens mit dem Iran, das vor gut einem Jahr die wirtschaftliche Isolation des Landes beenden sollte, war Gabriel als erster westlicher Vertreter überhaupt nach Teheran gereist. Damals hatte er für diese sehr schnelle Reise viel internationale Kritik einstecken müssen. Der Vorwurf: Allein die Unterzeichnung des Abkommens habe die islamische Republik noch nicht zu einem verlässlichen Partner für den Westen gemacht.

Doch Gabriel war nur etwas früher in Teheran als die Vertreter anderer Nationen. Nach dem Abschluss des Atomabkommens begann ein Wettlauf um den iranischen Markt mit seinen 80 Millionen Einwohnern, die nach zehn Jahren der wirtschaftlichen Sanktionen des Westens großen Nachholbedarf an Gütern, Infrastruktur und industriellen Dienstleistungen haben. Vor allem Frankreich und China sind im Iran bereits gut im Geschäft. Im Mai wollte Gabriel daher nachziehen und erneut in den Iran reisen, doch eine Krankheit kam dazwischen und er musste die Reise kurzfristig verschieben.

Deutsche Wirtschaft will zuschlagen

Nun holt er sie nach, und die deutschen Wirtschaftsvertreter konkurrierten um einen der knapp 40 Plätze in seinem Flugzeug. Weitere 80 deutsche Repräsentanten wollen Am Montag vor Ort hinzustoßen. Auch die deutsche Wirtschaft möchte sich ein größeres Stück vom Kuchen des sich öffnenden iranischen Marktes abschneiden. Gerüchten zufolge soll der Iran dank seiner wieder angezogenen Öl-Exporte 100 Milliarden Euro an Kapital für Investitionen zur Verfügung haben. Und "Made in Germany" hat im Iran einen hervorragenden Ruf. Irans nach außen moderater Präsident Hassan Ruhani setzt vor allem auf deutsche Hilfe, wenn es darum geht, die Infrastruktur des Landes aufzubauen.

Den Rahmen bildet heute ein deutsch-iranisches Wirtschaftsforum, das nach 15-jähriger Pause nun erstmals wieder tagt. Deutsche Unternehmen, allen voran der Anlagenbauer Siemens, hoffen auf die Unterzeichnung eines Vertrages. Der Iran habe vor allem Interesse an Partnern im Maschinen- und Anlagenbau, im Bahn- und Luftverkehrssektor, doch auch für Mittelständler ergäben sich Chancen, etwa bei erneuerbaren Energien, in der Gesundheitswirtschaft oder als Automobilzulieferer, hieß es im Wirtschaftsministerium.

Wer hat die macht über das Geld in Iran?

Ein Problem, das Geschäfte verhindert, ist nach wie vor die Finanzierung: Große Banken halten sich im Iran zurück, weil internationale Bankenstandards nicht eingehalten werden und oft unklar ist, wer letztlich die Macht über das Geld im Land hat. Immerhin: Deutschland hat die staatliche Hermes-Kreditversicherung für Exporte in den Iran wieder geöffnet, nachdem das Land Altschulden bezahlt hat.

Doch Gabriel reist zu einem Zeitpunkt nach Teheran, in dem sich die Lage in Syrien verschlimmert hat. Die Welt schaut zu, wie der syrische Präsident Baschar al Assad in Aleppo sein eigenes Volk mit russischer Hilfe auslöscht - und auch der Iran steht auf Assads Seite. Da sieht ein Besuch des deutschen Wirtschaftsministers in Teheran aus wie ein Besuch auf der Seite des Bösen.

Gabriel konterte diese Kritik vor seiner Abreise. Es gebe ein "doppeltes deutsches Interesse", das wirtschaftliche und das moralische, sagte er "Spiegel Online". Es sei unehrlich, das zu verschweigen. "Wir müssen über das Verbindende und das Trennende sprechen", so Gabriel. Trotz aller Interessen der deutschen Wirtschaft werde er in Teheran auch die Menschenrechte und die Rolle Irans im Syrien-Krieg ansprechen. Ob Gabriels kritische Worte beim wichtigsten Mann im Iran überhaupt ankommen können, ist noch offen: Präsident Ruhani hat noch nicht klar signalisiert, ob er den Vizekanzler empfangen wird.

(mar)
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