Irritationen bei US-Republikanern Sind Papst Franziskus und Barack Obama Verbündete?

Washington · Marco Rubio versteht bis heute nicht, was den Papst umtrieb, als er hinter den Kulissen eine Annäherung zwischen den USA und dem kommunistischen Kuba vermittelte.

Päpste und US-Präsidenten: diese Treffen gab es
13 Bilder

Diese US-Präsidenten trafen Päpste

13 Bilder
Foto: ap

"Die Kubaner verdienen dieselbe Chance, in einer Demokratie zu leben, wie die Menschen in Argentinien, wo er herkommt, oder die das italienische Volk genießt, wo er nun lebt", kritisierte der republikanische Senator aus Florida kürzlich das Oberhaupt seiner Kirche.

Sein Kollege Mario Diaz Balart, der im Repräsentantenhaus einen Wahlbezirk in Miami mit vielen Exil-Kubanern vertritt, wird noch deutlicher. Er wünschte sich, der Papst stünde für das kubanische Volk auf "statt für dessen Unterdrücker". Und die Kuba-Frage ist nicht das einzige Thema, bei dem die Wege zwischen den Konservativen im Kongress und der katholischen Kirche auseinandergehen.

Forbes-Liste der mächtigsten Menschen der Welt
11 Bilder

2014: Forbes-Liste der mächtigsten Menschen der Welt

11 Bilder

Seit seinem Amtsantritt im März 2013 hat Papst Franziskus Akzente gesetzt, die oft im Gegensatz zur Agenda der "Grand Old Party" stehen. Statt über Abtreibung spricht der Papst lieber von den Härten im Leben der Einwanderer. Ihm liegt der Einsatz gegen die Gefahren des Klimawandels stärker am Herzen als die Fortsetzung bitterer Kulturkämpfe. In das Hohelied auf den Kapitalismus stimmt Franziskus nicht ein. Lieber erinnert er die Reichen an ihre Verantwortung für das Gemeinwohl.

Vor allem wird der Papst nicht müde, soziale Gerechtigkeit anzumahnen. "Ungleichheit ist die Wurzel des sozialen Übels", twitterte Franziskus im März 2014 - nachdem er zuvor schon die zur Rechtfertigung der zunehmend auseinanderklaffenden Wohlstandsschere herangezogene "Trickle down"-Lehre, nach der Wirtschaftswachstum und Wohlstand der Reichen nach und nach auch in die unteren Schichten der Gesellschaft durchsickere, als "naiv" gegeißelt hatte.

Franziskus feiert Weltrekord-Messe mit sechs Millionen auf den Philippinen
16 Bilder

Papst Franziskus feiert Weltrekord-Messe in Manila

16 Bilder

"Papst Franziskus treibt einen Keil zwischen die katholische Kirche und die Partei", betitelte die republikanische Pflichtlektüre "The Hill" eine viel beachtete Analyse. Tatsächlich findet sich der Papst bei vielen seiner Prioritäten mehr im Einklang mit den Demokraten und Präsident Barack Obama als der Partei, die sich über lange Zeit als natürliche Verbündete der katholischen Kirche gesehen hat.

Wenn Obama am Dienstag vor beiden Häuser des Kongresses zur Lage der Nation spricht, wird er eine Reihe von Initiativen präsentieren, die auch dem Papst wichtig sind: von der Armutsbekämpfung über den Schutz von Millionen Einwanderern ohne Papiere bis hin zum Klimaschutz.

"Das schafft eine interessante Dynamik", analysiert der Direktor des "Center for Politics" an der Universität von Virginia, Larry Sabato. Etwa jeder dritte Kongressabgeordnete ist katholisch - wobei sich deren Zahl einigermaßen gleichmäßig zwischen Republikanern und Demokraten verteilt. An ein Umdenken der konservativen Katholiken glaubt Sabato nicht. "Ihre Liebe zum Papst mag groß sein. Ihre Wut auf Obama ist größer", beschreibt er die Stimmung.

Papst Franziskus trägt auf den Philippinen ein gelbes Regencape
13 Bilder

Papst Franziskus trägt auf den Philippinen ein gelbes Regencape

13 Bilder

Änderungen seien eher bei den katholischen Wählern selbst denkbar, die nun aufgefordert sind, bei ihren Entscheidungen über mehr als über Abtreibung und "Homo-Ehe" nachzudenken - zumal der Papst mit der jüngsten Versetzung von Kurienkardinal Raymond Leo Burke zum Malteserorden einen der lautstärksten katholischen US-Kulturkämpfer kaltgestellt hat. So jedenfalls ist es die öffentliche Wahrnehmung in den USA. Damit wird auch für die Republikaner ein Verbündeter degradiert, der vor Wahlen ausdrücklich davor warnt, für Politiker zu stimmen, die bei den traditionellen Reizthemen nicht auf der Linie der Kirche liegen.

US-Analysten warnen allerdings davor, die neue Öffnung unter Franziskus allzu einseitig zu interpretieren. Er habe zwar den Ton und die Kultur verändert, nicht aber die Lehre. Der Kolumnist Al Hunt spekuliert bereits darüber, was passieren könnte, wenn der Papst die Einladung des katholischen Kongresssprechers John Boehner annähme und im September als erster Papst vor dem US-Kongress spricht: "Die Demokraten werden sich krümmen, wenn der Pontifex die Heiligkeit des Lebens betont, und die Republikaner zucken, wenn der Heilige Vater soziale Gerechtigkeit, Ungleichheit bei den Einkommen und den Klimawandel anspricht." Es würde, so Hunt, unangenehme Momente für alle Zuhörer geben.

(KNA)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort