Eskalation an syrisch-türkischer Grenze Soldaten erschießen syrische Flüchtlinge

Istanbul · Die Lage im blutigen Bürgerkrieg in Syrien spitzt sich zu: Syrische Soldaten haben am Montag unmittelbar an der Grenze zur Türkei das Feuer auf eine Gruppe von Flüchtlingen eröffnet und mindestens zwei Menschen getötet. Unterdessen hat die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch dem syrischen Regime Massenhinrichtungen vorgeworfen.

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Foto: dapd, Bilal Hussein

Auf der syrischen Seite der Grenze war es zu Kämpfen zwischen syrischen Regierungstruppen und Rebellen der oppositionellen Freien Syrischen Armee gekommen. Bewohner eines in der türkischen Provinz Kilis unmittelbar an der Grenze gelegenen Flüchtlingslagers hätten den Rebellen am Morgen zur Hilfe kommen wollen, als diese unter Feuer gerieten.

Unter den Verletzten sei auch ein türkischer Staatsbürger, der auf türkischem Gebiet getroffen worden sei, teilten die Behörden mit. Er habe in dem Flüchtlingslager als Übersetzer gearbeitet. In der Türkei halten sich insgesamt fast 24 700 syrische Flüchtlinge auf, wie das Außenministerium in Ankara am Montag mitteilte.

Ankara richtete eine scharfe Warnung an das syrische Regime. Die Angriffe müssten umgehend gestoppt werden. Der Zwischenfall schlage ein neues Kapitel in dem Konflikt auf, zitierte das türkische Staatsfernsehen TRT einen Sprecher des Außenministeriums in Ankara. Die Türkei verstärkte ihren Truppen in dem Gebiet.

Annan will Grenze besuchen

Der internationale Sondergesandte Kofi Annan wird am Dienstag im türkischen Grenzgebiet zu Syrien Flüchtlingslager besuchen. Annan wolle sich über die Lage der syrischen Flüchtlinge informieren, bevor er weiter zu Gesprächen über den Konflikt nach Teheran reise, berichtete die türkische Nachrichtenagentur Anadolu am Montag unter Berufung auf türkische Diplomaten.

Die Türkei hatte in der vergangenen Woche auf eine Zuspitzung der humanitären Krise im Grenzgebiet zu Syrien hingewiesen. Wegen der größer werdenden Zahl von Flüchtlingen und der syrischen Militäreinsätze bat Außenminister Ahmet Davutoglu UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, Vertreter zu entsenden.

Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hatte beim Treffen der Kontaktgruppe der Freunde Syriens in Istanbul eine "moralische Intervention" gefordert, um das Blutvergießen in dem Nachbarland zu beenden. Öffentlich nannte er keine Details zu seinen Plänen. Erdogan warnte aber, die internationale Gemeinschaft dürfe nicht zu spät reagieren.

Human Rights Watch prangert Massenhinrichtungen an

Unterdessen hat die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch dem Regime des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad vorgeworfen, bei den jüngsten Militäroffensiven mehr als 100 Menschen in den Protesthochburgen hingerichtet zu haben. In einem am Montag in New York veröffentlichten 25-seitigen Bericht schreibt die Gruppe, dass es sich bei den Getöteten um Zivilisten sowie um verletzte oder festgenommene Rebellen gehandelt habe.

Dokumentiert werden mehr als ein Dutzend solcher Hinrichtungen mit mindestens 101 Opfern seit Ende 2011 durch Regierungstruppen und regimetreue Milizen in den Unruheprovinzen Idlib und Homs. Viele davon hätten sich im März 2012 ereignet, heißt es. Mindestens 85 Opfer seien Menschen gewesen, die nicht an den Kämpfen beteiligt waren, darunter auch Frauen und Kinder.

"Bei ihrem verzweifelten Versuch, den Aufstand niederzuschlagen, haben syrische Truppen Menschen kaltblütig hingerichtet, Zivilisten wie oppositionelle Kämpfer", sagte Ole Solvang, einer der Verfasser des Berichts. Human Rights Watch rief den Weltsicherheitsrat auf, im Zuge der Friedensmission des UN-Sondergesandten Kofi Annan auch solche Verbrechen zu dokumentieren.

(dpa)
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