Spanien Verfassungsgericht verbietet Parlamentssitzung in Katalonien

Madrid · Weiter Gegenwind für die katalanischen Unabhängigkeitsbestrebungen: Das spanische Verfassungsgericht hat die für Montag geplante Sitzung des katalanischen Regionalparlaments zumindest vorläufig untersagt.

Dies berichteten spanische Medien am Donnerstag unter Berufung auf Justizkreise. Erwartet wird, dass bei der Sitzung die Unabhängigkeit Kataloniens ausgerufen wird. Die katalanischen Sozialisten (PSC) hatten zuvor Beschwerde gegen die geplante Sitzung eingereicht. Diese verletze nicht nur die Verfassung, sondern mache auch die Rechte der Abgeordneten zunichte, hieß es. Die PSC ist strikter Gegner der Separatisten.

Auch die spanische Regierung wird in der Katalonien-Krise nach Worten von Wirtschaftsminister Luis de Guindos nicht nachgeben. Man werde im weiteren Verlauf zwar vorsichtig, aber bestimmt agieren, sagte de Guindos in einem Reuters-Interview am Donnerstag in Madrid.

Zugleich wies er darauf hin, dass die gegenwärtige Unsicherheit Investitionen in Katalonien hemme. "Wir sehen enorme Besorgnis wegen der Unverantwortlichkeiten der katalanischen Regierung", sagte de Guindos. Einen Einfluss auf das spanische Wirtschaftswachstum habe die Krise bislang aber nicht.

Mögliche Szenarien

Katalonien könnte nach dem umstrittenen Referendum bald seine Unabhängigkeit von Spanien erklären. Die Fronten zwischen Madrid und Barcelona sind verhärtet, ein Ausweg aus der Krise ist derzeit nicht in Sicht.

Verkündung der Unabhängigkeit

Das katalanische Regionalparlament könnte schon am kommenden Montag einseitig die Unabhängigkeit der Region ausrufen. Bis dahin sollen alle beim Referendum abgegebenen Stimmen ausgezählt sein. Das am 6. September verabschiedete Gesetz über das Referendum sieht vor, dass das Regionalparlament binnen zwei Tagen nach der offiziellen Verkündung des Wahlergebnisses die Unabhängigkeit erklärt. Für den 9. Oktober ist eine Parlamentssitzung zum Ausgang der Abstimmung angesetzt - dann könnte auch die Unabhängigkeit von Spanien verkündet werden.

Aufhebung von Kataloniens Teilautonomie

Um eine Abspaltung Kataloniens zu verhindern, könnte die spanische Regierung den Artikel 155 der Verfassung anwenden - das wäre eine Premiere in der Geschichte des Landes. Der Artikel erlaubt der Regierung alle "notwendigen Maßnahmen", um eine Region zur Erfüllung ihrer verfassungsmäßigen und gesetzlichen Verpflichtungen zu zwingen oder das Allgemeininteresse Spaniens zu schützen. Konkret könnte Madrid die Regionalregierung entmachten und Katalonien die Teilautonomie entziehen.

Als möglich gilt auch, dass die Zentralregierung den katalanischen Regionalpräsidenten Carles Puigdemont festnehmen lässt. "Auch meine Verhaftung ist möglich, was ein barbarischer Schritt wäre", sagte Puigdemont der "Bild"-Zeitung.

Allerdings warnen Experten, dass ein Entzug von Kataloniens Teilautonomie zu Massenprotesten führen dürfte. Auch ist die Frage, wie groß der Einfluss der Zentralregierung in Katalonien wirklich ist.

Trotz eines Großaufgebots habe die spanische Polizei beim Referendum nur vier Prozent der Wahllokale schließen können, sagt der Politikwissenschaftler Pablo Simón. "Es hat sich gezeigt, dass die Regierung das katalanische Territorium nicht kontrolliert."

Neue Verhandlungen und Vermittlung

Dass Madrid und Barcelona trotz internationaler Appelle wieder einen Dialog aufnehmen, erscheint derzeit wenig wahrscheinlich. Puigdemont hat wiederholt eine Vermittlung gefordert, ist damit in Madrid aber auf klare Ablehnung gestoßen: "Die Regierung wird über nichts Illegales verhandeln und wird keine Erpressung hinnehmen", erklärte zuletzt das Büro von Ministerpräsident Mariano Rajoy. Madrid verlangt, dass Puigdemont zuerst seine Drohung einer Abspaltung zurücknimmt, bevor "gesprochen oder verhandelt" wird.

Misstrauensvotum gegen Rajoy

Zwischenzeitlich hatte ein Misstrauensvotum gegen den Ministerpräsidenten als möglich gegolten. Rajoys konservative Volkspartei und die verbündeten liberalen Ciudadanos (Bürger), die strikt gegen eine Unabhängigkeit Kataloniens sind, haben keine absolute Parlamentsmehrheit. Theoretisch könnten die oppositionellen Sozialisten zusammen mit der linken Podemos-Partei und mehreren Regionalparteien die Rajoy-Regierung stürzen.

Das gilt aber inzwischen als höchst unwahrscheinlich. Denn auch die Sozialisten pochen im Streit um die Zukunft Kataloniens auf die Einhaltung der Verfassung. Mit der harten Haltung der katalanischen Regionalregierung scheint jeder Spielraum für Kompromisse verloren.

(felt)
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