"Einverständnisgesetz" Schweden verschärft Strafrecht - kein Sex ohne Einwilligung

Stockholm · Die "Me Too"-Kampagne gegen sexuelle Übergriffe hat in Schweden hohe Wellen geschlagen. Die rot-grüne Regierung in Stockholm will nun die Gesetze für Sexualstraftaten radikal verschärfen und ein "Einverständnisgesetz" einführen.

 Die Hand eines Mannes liegt auf dem Knie einer Frau (Symbolfoto).

Die Hand eines Mannes liegt auf dem Knie einer Frau (Symbolfoto).

Foto: dpa, kj sir kde

In Schweden müssen Frauen zukünftig ihrem Partner nicht mehr mit einem verbalen "Nein" oder körperlich deutlich machen, wenn sie keinen Sex möchten. Wer Sex mit einem anderen Menschen haben möchte, muss sicherstellen, dass sein Gegenüber in den Akt einwilligt - entweder durch Worte oder durch eindeutige Handlungen. Sonst droht eine Verurteilung wegen Vergewaltigung. Auch, wenn es zu keiner merkbaren Auseinandersetzung, Gewalt oder anderweitiger Bedrohung vor oder beim Sex kam. Wer sicher gehen wolle, solle sich künftig lieber etwas Schriftliches geben lassen, kommentierten Schweden in Internetforen. Schließlich stünde ja Wort gegen Wort.

Das neue "Einverständnis-Gesetz" soll im Juli 2018 in Kraft treten und dürfte das erste seiner Art weltweit sein. Sämtliche Parlamentsparteien stehen bislang dahinter. Die Einverständnisregel gilt dabei für alle - auch für gleichgeschlechtliche Beziehungen und für Männer, die Opfer von Frauen geworden sind.

Zwei neue Tatbestände eingeführt

"Das Gesetz besagt, was selbstverständlich sein sollte: Sex muss freiwillig sein. Und ist es nicht freiwillig, ist es illegal" , sagte der sozialdemokratische Ministerpräsident Stefan Löfven und machte das Thema damit zur Chefsache.

Mit dem neuen Gesetz will Schweden mehr sexuelle Handlungen als bislang als Vergewaltigung einstufen können. Dafür werden zwei neue Tatbestände eingeführt: die "unachtsame Vergewaltigung" und der "unachtsame sexuelle Übergriff". Bei der Gesetzesverschärfung in Schweden kommt auch eine politische Dimension hinzu: Im kommenden Jahr sind Parlamentswahlen.

Die "Me Too"-Kampagne schlägt in dem feministisch geprägten Land noch höhere Wellen als andernorts in Europa. Hunderte Frauen berichteten derzeit täglich in den Medien darüber, wie sie im Schlaf oder betrunkenem Zustand vergewaltigt wurden und deshalb nicht "nein" sagen konnten. Oft beschreiben Frauen, dass sie beim Akt zwar völlig gegenwärtig gewesen seien, aber psychisch "eingefroren" und es ihnen deshalb nicht möglich gewesen sei, nein zu sagen.

Kaum öffentliche Kritik

Zudem, so berichtet etwa eine Politikerin der Grünen aufgrund eigener Erfahrungen offen auf Facebook, würde Frauen auch erst Tage oder Wochen nach dem Sex bewusst, dass sie eigentlich vergewaltigt worden sind. Mit dem neuen Gesetz soll sich das ändern. Männer müssen rücksichtsvoller werden.

Öffentliche Kritik an der Gesetzesverschärfung gibt es kaum. Sämtliche Parlamentsparteien sind dafür. Gegenstimmen gibt es ausschließlich von Juristen. "Das Gesetz verlangt ja, dass bei jeder sexuellen Handlung immer wieder erneut um Erlaubnis gebeten werden muss. Erwachsene Menschen wissen doch, dass man nicht vor jedem Akt verhandelt und ein Abkommen auf diese Weise setzt", kritisierte Anne Ramberg, Chefin vom schwedischen Anwaltsverbund im Sender SVT. Es werde in der Rechtspraxis sehr schwer sein, zu definieren, was als Eindruck von Freiwilligkeit beim Sex gewertet werden kann.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Textes stand, dass Männer in Schweden künftig verpflichtet werden sollten, ihre Partnerin vor dem Sex um Erlaubnis zu bitten. Tatsächlich soll eine Einwilligung auch durch "eindeutige Handlungen" möglich sein - und damit ohne, dass der Partner ausdrücklich nachfragt. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.

(RP)
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