Krieg in Syrien Assads schrecklicher Sieg in Aleppo

Aleppo · Die Schlacht um Aleppo ist entschieden, die Folgen sind katastrophal. Dieses mit russischer Billigung und Hilfe verübte Massaker an der Zivilbevölkerung wird die nächste Generation von Islamisten hervorbringen.

Zivilisten verlassen Rebellengebiete von Aleppo
11 Bilder

Zivilisten verlassen Rebellengebiete von Aleppo

11 Bilder
Foto: afp

Seit Monaten bekommen die Menschen im Osten von Syriens zweitgrößter Stadt Aleppo zu spüren, was es bedeutet, sich gegen Baschar al Assad zu stellen: gnadenlose Vernichtung. Für Syriens Diktator und seine russischen Schutzherren ist jeder Regime-Gegner ein Terrorist, der wie Ungeziefer ausgemerzt werden darf. Mit Brand, Fass- und Streubomben, mit Angriffen auf Krankenhäuser, Schulen und Friedhöfe, mit Hungerblockaden, höchstwahrscheinlich auch mit Giftgas. Es handelt sich um schwerste Kriegsverbrechen, begangen vor den Augen der Weltöffentlichkeit und dennoch absolut ohne Konsequenzen für die Täter.

Ein Exempel in Aleppo

Künftige Gewaltherrscher können von Assad lernen, dass man ungehindert Hunderttausende töten und Millionen vertreiben darf, solange man mit Russland ein Mitglied des UN-Sicherheitsrates an seiner Seite weiß.

Die Vereinten Nationen, in deren oberstem Gremium Russland jeden Versuch im Keim erstickt hat, Assad in den Arm zu fallen oder ihn auch nur zu verurteilen, müssen hilflos zuschauen, wie die Verantwortung der internationalen Gemeinschaft für den Schutz von Zivilisten ausgehebelt wurde. Es stimmt, unter den Rebellen in Ost-Aleppo haben auch radikale Islamisten gekämpft, von denen einige ebenfalls abscheuliche Verbrechen verübt und Unschuldige massakriert haben. Nach Angaben der UN handelte es sich zwar nur um wenige Hundert Kämpfer, aber das spielte keine Rolle. Das Regime wollte in Aleppo ein Exempel statuieren, das erklärt die besondere Grausamkeit der Angriffe.

In Aleppo ist eine Entscheidung gefallen, an deren Folgen Syrien und wohl auch Europa noch viele Jahre leiden werden. Nicht einmal Assad wird behaupten, dass nach der Eroberung von Ost-Aleppo der Krieg in Syrien entschieden sei, obwohl das Regime nun wieder alle wichtigen Städte des Landes kontrolliert. Aber nun wird er sich vermutlich endgültig für unbesiegbar halten, obwohl er den Sieg in Aleppo vor allem russischen Bombern und schiitischen Söldnern aus dem Iran und dem Libanon zu verdanken hat.

Bollwerk gegen den Islamismus

In Wirklichkeit hat Assad mit der schrecklichen Erstürmung von Aleppo vor allem dafür gesorgt, dass die nächste Spirale der Gewalt und der Radikalisierung angeworfen wird. In gewisser Weise war dies stets Assads Kalkül: sich in diesem Konflikt als das kleinere Übel zu präsentieren, als Bollwerk gegen den islamistischen Terrorismus. Der vorgebliche Kampf gegen den Dschihadismus war stets Assads stärkstes Argument und zugleich willkommenes Feigenblatt für seine russischen Helfer. In Wirklichkeit konzentrierte das Regime seine Angriffe im Zweifelsfall stets gegen die national gesinnte Rebellion.

Diese ist durch den Fall Aleppos stark geschwächt, wovon islamistische Gruppen profitieren dürften. In den zurückliegenden Monaten war bereits zu beobachten, dass insbesondere die heute unter anderen Namen auftretende Nusra-Front, der syrische Ableger von Al Kaida, ihren Einfluss ausdehnen konnte. Den Islamisten spielte dabei auch in die Hände, dass die Glaubwürdigkeit der als prowestlich geltenden Rebellen in dem Maße erodierte, wie der Westen der schamlosen Ausübung von Gewalt gegen die Bevölkerung tatenlos zusah. Viele Syrer fühlen sich mit gutem Grund von aller Welt verraten, das wird sie in die Arme der Islamisten treiben.

Für die sunnitischen Extremisten ist der Fall von Aleppo daher weniger eine Niederlage als eine propagandistische Steilvorlage. In Aleppo wurde eine mehrheitlich sunnitische Stadt von schiitischen Milizen und russischen (also christlichen) Bomben in Schutt und Asche gelegt. Man hat im Irak gesehen, wie sich vor dem Hintergrund solcher traumatischer Ereignisse ein sunnitischer Widerstand rekrutieren lässt.

Bombenterror als Reaktion?

Im Irak stellen die Schiiten noch dazu eine Zweidrittelmehrheit der Bevölkerung; in Syrien ist es genau umgekehrt, was die Lage dort sehr viel instabiler macht. Das von der schiitischen Minderheit der Alawiten dominierte Regime stützt sich vor allem auf eine dünne städtische Mittelschicht und auf einige religiöse Minderheiten wie Christen oder Drusen. Diese nur sehr schmale soziale Basis für seine Macht ist der wesentliche Grund, warum Assad diesen Krieg am Ende wohl nicht gewinnen kann. Zwar wird das Regime jetzt vermutlich versuchen, auch in den eher ländlichen Regionen des Landes wieder stärker Fuß zu fassen. Aber zur Rückeroberung von ganz Syrien fehlen Assad die nötigen Truppen, seine Armee ist nach fünf Jahren Krieg beinahe ausgeblutet. Schon jetzt kann sich Assad in Wahrheit nur dank der Hilfe seiner russischen und iranischen Verbündeten halten. Und diese fremden Kämpfer, die sich teilweise schon wie die neuen Herren in Syrien aufführen, würden auf Dauer als Besatzungstruppen empfunden.

Gibt es eine Chance für den Frieden?

Militärs halten es für gut möglich, dass die syrischen Aufständischen sich wegen ihrer unzureichenden Bewaffnung angesichts der russischen Feuerkraft künftig stärker auf eine asymmetrische Kriegsführung verlegen, mit Autobombenanschlägen und Überfällen aus dem Hinterhalt. Sie könnten dabei auf Rückhalt in der Bevölkerung zählen und nach den Attacken schnell wieder untertauchen. Damit droht in Syrien ein zweites Afghanistan. Nur dass dieses Afghanistan nicht weit weg ist, sondern unmittelbar vor unserer Haustür liegt.

Gibt es noch einen Ausweg, eine Aussicht auf Frieden? Wenn, dann jedenfalls nicht mit Assad. Er weiß, dass er als Verantwortlicher für den Tod Hunderttausender einer Aussöhnung im Weg steht. Deswegen wird er weiter auf Kampf setzen. Wohl nur Russland und der Iran könnten dafür sorgen, dass Assad für eine politische Lösung Platz macht. Wenn nicht, wird Assad irgendwann untergehen. Und jene Syrer, die ihm die Treue halten, müssen schreckliche Rache fürchten. Rache für Aleppo.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort