Syrien-Einsatz Russische Kampfjets verfolgen deutsche "Tornados"

Düsseldorf · Die deutschen "Tornado"-Aufklärer werden nach Informationen unserer Redaktion bei ihren Einsätzen über Syrien regelmäßig von russischen Jagdflugzeugen beschattet.

 Ein deutscher "Tornado"-Pilot vor einem Einsatz.

Ein deutscher "Tornado"-Pilot vor einem Einsatz.

Foto: dpa, htf

Die deutschen Tornado-Aufklärer werden bei ihren Einsätzen über Syrien auch von russischen Jagdflugzeugen begleitet. Die Tornados seien aber nicht Ziel eines Abfangmanövers oder würden gar aus dem syrischen Luftraum abgedrängt, betonte der Kommandeur des Zentrums Luftoperationen der Bundeswehr, Generalleutnant Joachim Wundrak, im Gespräch mit unserer Redaktion: "Diese Begegnungen laufen professionell ab. Es gab keine Zwischenfälle."

Der General ist gerade von einem Besuch des US-Luftwaffen-Hauptquartiers zurückgekehrt, das im arabischen Emirat Katar unter anderem die Operationen der internationalen Koalition gegen die Terrormiliz Islamischer Staat über Syrien koordiniert. Acht Soldaten der Luftwaffe nehmen in Katar die Aufträge für die sechs im türkischen Incirlik stationierten Tornados entgegen. Die Soldaten haben ein Veto-Recht, können Flüge ablehnen oder die Weitergabe der Daten stoppen, wenn diese Missionen nicht vom Bundestagsmandat gedeckt sind.

"Moskauer Begleitaktionen"

Wundrak wertet die "Moskauer Begleitaktionen", bei denen die modernsten russischen Kampfflugzeuge wie der Jäger Sukhoi Su-35 S eingesetzt würden, vor allem als politische Demonstration: Die Russen wollten mit ihrer Präsenz die Auffassung verdeutlichen, "dass sie im Gegensatz zu der internationalen Anti-IS-Koalition auf Einladung der legitimen syrischen Regierung unterwegs sind". Auch die Luftwaffe der Assad-Regierung sei wieder sehr aktiv. Sie habe von Moskau neue Jets und Hubschrauber erhalten.

Viel Erfahrung im Umgang mit russischen Militärflugzeugen haben die deutschen Piloten bereits bei den regelmäßigen Nato Air-Policing-Einsätzen über dem Baltikum und der Ostsee gewonnen: Estland, Lettland und Litauen haben keine eigenen Abfangjäger; ihr Luftraum wird deshalb im Wechsel von anderen Nato-Staaten geschützt. Ab Herbst, so informierte Wundrak, werden sich an dieser Aufgabe für vier Monate wieder deutsche Eurofighter beteiligen.

100 Kampfflugzeuge über Syrien im Einsatz

Bereits seit Monaten sind weit über 100 Kampfflugzeuge über Syrien und dem Irak gegen den IS im Einsatz, dazu Drohnen in unbekannter Zahl. Um Kollisionen zu vermeiden, hätten die USA und Russland eine Art Rotes Telefon eingerichtet, berichtete Wundrak. Auf diesem Wege informiere man sich rechtzeitig über geplante Missionen und Anflugrouten, weil zivile Fluglotsen in dem Bürgerkriegsland nicht mehr tätig sind.

Der deutsche Airbus-Tanker - Wundrak: "Jede moderne Luftkriegsoperation ist abhängig von Luftbetankung" - und die sechs Tornados würden von den Alliierten als wichtige Beiträge geschätzt, so der General. "Die deutsche Luftwaffe konzentriert sich bei ihrer operativ-taktischen Aufklärung auf die hochauflösende Abbildung. In dieser Qualität besitzen die meisten anderen Nationen diese Fähigkeit nicht. Erst das ermöglicht vorweg sorgfältig geplante, sehr präzise Angriffe, wie sie angesichts der verworrenen Lage in Syrien nötig sind."

IS verdient mit Öl Millionen

Zwar fliegt der zweistrahlige Tornado-Jet bereits seit Anfang der 80er Jahre bei der Bundeswehr, er wurde aber ständig modernisiert. Die Ausstattung mit Kameras und Infrarot-Wärmebild-Scanner ist deshalb technisch auf aktuellem Stand - die Jets können ihre digitalen, hochauflösenden Bilder bei Tag und Nacht live an eine Bodenstation übertragen; selbst Tarnnetze verhindern die genaue Identifizierung von Kämpfern, Waffen und Fahrzeugen nicht. In Syrien und dem Irak stehen auch Tanklastwagen auf der Zielliste - mit illegalem Erdöl-Verkauf verdient der IS Millionen.

Die Aufregung um die angeblich nachtblinde deutsche Luftwaffe vermag Dreisterne-General Wundrak nicht nachzuvollziehen. Die Besatzungen hätten zu Beginn der Mission keine Nachtsichtbrillen tragen können, weil die Cockpitbeleuchtung in der modernsten Version der Tornados wegen eines Software-Fehlers zu stark blenden würde. Aber erst in der Kombination der Tageslicht-Sensoren mit den Infrarotkameras würden die besten Aufklärungsergebnisse erzielt, stellt Wundrak fest. Nachteinsätze über Syrien seien daher gar nicht nachgefragt. Die deutschen Maschinen hätten bislang 88 Aufklärungseinsätze "zuzüglich ergänzender Trainingsflüge" erfolgreich absolviert.

Kollisionswarnungen

Das 2013 am Doppelstandort Kalkar/Uedem in Dienst gestellte Zentrum Luftoperationen führt 40 Verbände und Dienststellen der Luftwaffe. "Unser Weltraumlagezentrum wird ab Mitte dieses Jahres zusammen mit Frankreich, Großbritannien, Italien und Spanien zusätzliche operationelle Dienste für die EU erbringen", sagt Wundrak: "Unter anderem geht es dabei um Kollisionswarnungen für europäische Satellitenbetreiber."

In den Kasernen bieten Container-Komplexe vorübergehend Platz für die zusätzlich erforderlichen Büros, Unterkünfte und Ausbildungsgebäude. 1300 Soldaten und Zivilisten aus 20 Nationen sind dort inzwischen stationiert. Wundrak: "Der Standort gehört zu den großen Playern in den deutschen Streitkräften, aber auch in der Nato."

(RP)
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