Terroranschlag in Istanbul Tod vor der Blauen Moschee

Istanbul · Mitten in der Istanbuler Altstadt explodiert die Bombe eines Selbstmordattentäters. Aus morgendlicher Idylle wird eine Szenerie des Grauens. Mit dem Anschlag erreicht der Terror in der Türkei eine neue Dimension.

 "Fürchterliche Schreie schlugen mir entgegen", berichtet eine Passantin.

"Fürchterliche Schreie schlugen mir entgegen", berichtet eine Passantin.

Foto: dpa, pla sir gab

Ein sonniger Januarmorgen in Istanbul. Der Südwestwind Lodos bläst warm durch die Straßen der türkischen Metropole; die Touristen in der Altstadt freuen sich daran, denn sie haben sehr gutes Wetter für ihren Besuch erwischt. Gegen 10.20 Uhr versammelt sich eine Reisegruppe, bestehend aus Deutschen, Norwegern und Peruanern, auf dem Pferdeplatz vor der Blauen Moschee. Mit seinen zwei uralten Obelisken ist der Platz, die frühere Wagenrennbahn von Konstantinopel, Ausgangspunkt vieler Besichtigungstouren durch diese berühmteste Moschee von Istanbul im Stadtviertel Sultanahmet.

Um diese Zeit ist noch nicht viel los; die meisten Touristen brechen erst später auf. Die Mitglieder der Reisegruppe haben sich gerade vor einem der Obelisken aufgestellt, um sich von ihrer Fremdenführerin etwas erzählen zu lassen, als ein gewaltiger Knall die morgendliche Ruhe zerreißt. Ein oranger Feuerball steigt inmitten der Gruppe auf, wie ein Augenzeuge später schildern wird. Körperteile werden Dutzende Meter weit in den Eingangsbereich eines Museums auf der anderen Seite des Platzes geschleudert. Die schockierte Museumsleitung lässt die Besucher durch einen Hinterausgang ins Freie führen. Leute in der Gegend hören nicht nur die Detonation, sie riechen verbranntes Fleisch. Ein deutscher Tourist, so berichten es Medien, sagt später der Polizei, er habe den Selbstmordattentäter gesehen.

Die Explosion wirft die Menschen zu Boden, einige haben schwerste Verletzungen und werden von den kurz darauf eintreffenden Sanitätern für tot erklärt. Leyla Akcam, eine türkische Passantin, entkommt nur knapp der "lebenden Bombe", wie Selbstmordattentäter in der Türkei genannt werden. Kurz vor der Explosion geht sie an der Reisegruppe vorbei. "Drei Minuten haben mich gerettet, drei Minuten!", schluchzt sie später in die Mikrofone türkischer Reporter. "Ich hörte einen gewaltigen Lärm. Als ich mich umdrehte, war überall Rauch." Akcam rennt zurück zum Explosionsort, um zu helfen: "Fürchterliche Schreie schlugen mir entgegen."

Wenig später drängt die Polizei Journalisten und Schaulustige vom Platz und fordert Bombenspezialisten an, die die Gegend nach weiteren Sprengsätzen absuchen. Der Verkehr auf einer Straßenbahnlinie in der Nähe wird unterbrochen.

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"Verunsicherung hat die ganze Welt ergriffen"

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Fest steht, dass mit dem Anschlag nicht nur ein Lebensnerv der Türkei getroffen werden sollte. Die Täter wollten ein brutales Zeichen setzen: Wir können überall zuschlagen, selbst im Herzen der größten Stadt des Landes. Vor einem Jahr hatte sich am Rand des Platzes eine tschetschenische Frau in einer Polizeiwache in die Luft gesprengt. Der damalige Anschlag wurde nie gründlich aufgeklärt.

Diesmal zielt die Gewalt auf Zivilisten. Für Präsident Recep Tayyip Erdogan und die meisten Türken steht fest: Der Islamische Staat (IS) greift jetzt in ihrem Land westliche Touristen an. "Es war ein ausländisches Mitglied des IS", sagt Ministerpräsident Ahmet Davutoglu über den Täter. Das ist eine neue Dimension.

Im vergangenen Jahr hatten IS-Mitglieder an der syrischen Grenze und in der Hauptstadt Ankara bei Selbstmordanschlägen mehr als 130 Menschen getötet. Damals richteten sich die Gewalttaten gegen linke und kurdische Aktivisten, die vom IS als gottlos und gefährlich betrachtet wurden. Kurz vor dem Jahreswechsel nahm die türkische Polizei in Ankara zwei Männer fest, die als Selbstmordkandidaten des IS geplant haben sollen, sich in der Silvesternacht in der türkischen Hauptstadt in die Luft zu sprengen.

Schon damals machten Berichte die Runde, der IS habe mehr als ein Selbstmord-Team aus Syrien über die Grenze nach Istanbul geschickt. Diese Berichte haben sich nun offenbar bewahrheitet.

(RP)
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