Ukraine spricht von "Kaltem Krieg" Timoschenko-Tochter fordert Beistand

Kiew · Anderthalb Wochen nach Beginn des Hungerstreiks der inhaftierten ukrainischen Oppositionspolitikerin Julia Timoschenko wendet sich Tochter Jewgenia an die Ukrainer. Sie forderte die Bürger auf, für ihre Mutter auf die Straße zu gehen.

 Jewgenia Timoschenko sorgt sich um das Leben ihrer Mutter.

Jewgenia Timoschenko sorgt sich um das Leben ihrer Mutter.

Foto: dpa, Samantha Zucchi Insidefoto

Timoschenkos Tochter Jewgenia macht sich große Sorgen um den Gesundheitszustand Julia Timoschenkos. Ihre Mutter sei "sehr geschwächt" und in schlechter Verfassung, sagte Jewgenia am Montag in Prag. Es sei unklar, wie lange sie ihren Hungerstreik noch durchhalten werde: "Wir haben keine Zeit mehr."

Sie forderte die Ukrainer auf, für ihre Mutter auf die Straße zu gehen: "Wenn das Janukowitsch-Regime einer ehemaligen Ministerpräsidentin so etwas antun kann, stellt euch vor, was es jedem einzelnen von euch antun kann", warnte sie am Dienstag auf der Website ihrer Mutter. Präsident Viktor Janukowitsch äußerte sich bislang nicht zu Timoschenkos Hungerstreik und den Boykottdrohungen.

Die 32-jährige Jewgenia Timoschenko begrüßte den politischen Boykott der Ukraine durch EU-Politiker als wichtigen Schritt, um das Leben politischer Gefangener in dem Land zu retten. Den angekündigten Boykott des Treffens mitteleuropäischer Staatschefs Mitte Mai im ukrainischen Jalta durch Bundespräsident Joachim Gauck und mindestens vier weitere EU-Staatschefs bezeichnete sie als "letzte diplomatische Warnung an das Regime" in Kiew.

Angesichts der politischen Lage will EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso zudem nicht zur Fußball-EM in die Ukraine reisen. Nach Informationen des "Spiegel" erwägt auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) einen Boykott der Spiele durch das Bundeskabinett. Ein Besuch Merkels hängt nach Regierungsangaben von der Achtung rechtsstaatlicher Prinzipien und dem Umgang mit Timoschenko ab.

Kiew vergleicht Situation mit "Kaltem Krieg"

Der ukrainische Außenamtssprecher Oleg Woloschin warnte daraufhin vor "Methoden wie im Kalten Krieg". Der Sport dürfe nicht zu einer "Geisel der Politik" gemacht werden, sagte er der Nachrichtenagentur Interfax-Ukraine.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) wies den Vorwurf zurück. Der Vergleich mit "Methoden wie im Kalten Krieg" sei "abwegig", sagte er "Spiegel Online". Es gehe ausschließlich um eine angemessene Behandlung Timoschenkos und die Wahrung von Rechtsstaatlichkeit. Politiker mehrerer Parteien sprachen sich unterdessen für eine Verlegung der in der Ukraine geplanten EM-Spiele nach Deutschland oder eine alleinige Ausrichtung der Europameisterschaft durch Polen aus.

Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) sagte dem Sender HR-Info, eine politische Teilnahme an der EM wäre "unerträglich". FDP-Chef Philipp Rösler sagte dagegen, es gehe um weit mehr als die Teilnahme deutscher Politiker. "Da ist Diplomatie gefragt", sagte er der "Passauer Neuen Presse".

Die an Bandscheibenproblemen leidende Timoschenko verbüßt eine siebenjährige Haftstrafe wegen Amtsmissbrauchs. Zudem wurde gegen sie ein neuer Prozess wegen Korruption eröffnet, der ihre Haft bis ins Jahr 2023 verlängern könnte. Die EU kritisiert Timoschenkos Inhaftierung als politisch motiviert. Seit dem 20. April befindet sich die Oppositionspolitikerin aus Protest gegen ihre Haftbedingungen im Hungerstreik.

(AFP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort