Nahost-Konflikt Tödlicher Anschlag heizt Krawalle in Jerusalem an

Jerusalem · Nach einem Anschlag in der Altstadt von Jerusalem ist es rund um den Tempelberg zu gewatätigen Auseinandersetzungen zwischen Israelis und Palästinensern gekommen. In Israel wächst die Angst einer erneuten Intifada.

 Die Polizei gelang es nur mit Mühe, die Situation unter Kontrolle zu bringen.

Die Polizei gelang es nur mit Mühe, die Situation unter Kontrolle zu bringen.

Foto: dpa, jwh ase

Ein neuer Anschlag in der Jerusalemer Innenstadt und damit verbundene Straßenkrawalle haben den Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern weiter angefacht. Ein palästinensischer Autofahrer raste am Mittwoch nach Polizeiangaben in zwei Fußgängergruppen, tötete einen Beamten und verletzte etliche Passanten, bevor er selbst erschossen wurde. In der Altstadt und auf dem Tempelberg gab es Zusammenstöße mit dutzenden Verletzten.

Der Attentäter steuerte sein Auto laut Polizeiangaben zunächst in eine Gruppe von Polizisten, als diese eine Straße überquerten. Anschließend habe er Wartende an einer Straßenbahnhaltestelle überfahren und mit einer Eisenstange auf Passanten eingeschlagen. Streifenpolizisten hätten ihn schließlich erschossen.

Attentäter wurde erschossen

Bei dem Vorfall wurde neben dem Attentäter auch ein Polizist getötet. Mindestens neun Menschen seien zudem verletzt worden, zwei von ihnen schwebten nach Angaben der Rettungskräfte in Lebensgefahr.

Der Anschlag ereignete sich unweit der Stelle, an der vor zwei Wochen ein anderer Palästinenser ebenfalls an einer Straßenbahnhaltestelle mit seinem Auto in eine Fußgängergruppe gefahren war. Ein dreimonatiges Baby im Kinderwagen und eine Passantin aus Ecuador wurden getötet, der flüchtende Attentäter wurde von einem Polizisten erschossen.

Tempelbergbewegung löst Krawalle aus

Schon vor dem neuerlichen Anschlag hatte es am Mittwochvormittag schwere Zusammenstöße zwischen israelischen Sicherheitskräften und Demonstranten vor der Al-Aksa-Moschee und in der Jerusalemer Altstadt gegeben. Nach Angaben des Palästinensischen Roten Halbmonds erlitten 39 Menschen Verletzungen, als die Polizei mit Hartgummigeschossen, Blendgranaten und Tränengas einschritt.

Anlass der Krawalle war der demonstrative Besuch rechtsradikaler jüdischer Splittergruppen auf dem Tempelberg. Die aus israelischen Ultranationalisten und religiösen Eiferern gebildete Tempelbergbewegung hatte zu einer gemeinsamen Begehung des Ortes aufgerufen, der sowohl von Juden als auch Muslimen als heilige Stätte verehrt wird. Als dafür der einzige Besucherzugang für Nichtmuslime geöffnet wurde, "bewarfen dutzende Vermummte die Sicherheitskräfte mit Steinen und Knallkörpern. Diese drängten die Demonstranten zurück in die Moschee", berichtete Polizeisprecherin Luba Samri.

Straßenschlachten im Osten der Stadt

Der Anschlag des Autofahrers löste später weitere Krawalle in Ost-Jerusalem aus - auch im Flüchtlingslager Schuafat, aus dem der 38-jährige Attentäter stammte. Palästinensischen Quellen zufolge pflegte er vermutlich Verbindungen zur radikalislamischen Hamas-Bewegung. Die Hamas feierte ihn denn auch als "Helden", dessen Attentat eine "natürliche Antwort" auf Israels Umgang mit dem Tempelberg gewesen sei.

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu befand, dass "wir uns in einer anhaltenden Schlacht um Jerusalem befinden". Er machte für den tödlichen Anschlag neben der Hamas auch Palästinenserpräsident Mahmud Abbas direkt verantwortlich, da dieser den Angehörigen eines von Polizisten erschossenen Palästinensers nach dessen Angriff auf einen jüdischen Ultranationalisten in der vergangenen Woche kondoliert hatte. Der für Innere Sicherheit zuständige Minister Jitzhak Aharonowitsch empfahl, die Wohnung des palästinensischen Autofahrers und anderer Attentäter in ähnlichen Fällen zu "zerstören".

Jordanien beruft Botschafter zurück

Das aktuelle Gewaltklima in Ost-Jerusalem hat sich entwickelt, seit dort Anfang Juli als Rache für die Ermordung von drei jüdischen Schülern im Westjordanland ein 16-jähriger Palästinenser von israelischen Rechtsextremisten lebendig verbrannt wurde. Der siebenwöchige Gaza-Krieg sowie Bestrebungen ultranationalistischer Splittergruppen, auf dem Tempelberg einen neuen jüdischen Tempel anstelle des islamischen Felsendoms zu errichten, ließen die Lage weiter eskalieren.

Aus Protest gegen die Gewalteskalation am Tempelberg berief Jordanien am Mittwoch seinen Botschafter aus Israel zurück und kündigte an, beim UN-Sicherheitsrat Beschwerde gegen "wiederholte israelische Angriffe auf muslimische heilige Stätten" einzulegen. Jordaniens oppositionelle Muslimbruderschaft rief für Freitag zu Massenprotesten gegen Israels Umgang mit dem Tempelberg auf.

US-Außenminister John Kerry verurteilte den "terroristischen" Akt des Autofahrers, der die Spannungen zwischen Israelis und Palästinensern nur weiter anheize. Er rief alle Seiten zur Zurückhaltung auf, um eine Entschärfung des Konflikts zu ermöglichen.

(AFP)
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