Lohnnebenkosten sollen um 30 Milliarden Euro sinken Top-Manager verschreibt Frankreich Rosskur

Paris · Frankreich ist nach Deutschland das wichtigste Land der Eurozone. Doch wie ist es um die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit unseres Nachbarn bestellt? Der frühere Chef des europäischen Luftfahrt- und Rüstungskonzerns EADS, Louis Gallois, sieht diese Frage kritisch. Frankreichs Wirtschaft verschreibt er eine Rosskur.

Ein Mann, ein Bericht: Louis Gallois am Montag in Paris.

Ein Mann, ein Bericht: Louis Gallois am Montag in Paris.

Foto: dapd, Thibault Camus

Mit einer Senkung der Lohnnebenkosten um 30 Milliarden Euro soll Frankreichs Wirtschaft wieder wettbewerbfähiger werden. Das empfiehlt Louis Gallois in einem Bericht zur französischen Wettbewerbsfähigkeit, den er am Montag der sozialistischen Regierung in Paris übergab.

Nach einem Treffen mit Regierungschef Jean-Marc Ayrault sagte Gallois, die Sozialabgaben sollten um 20 Milliarden Euro auf Arbeitgeberseite und um zehn Milliarden Euro auf Arbeitnehmerseite gesenkt werden.

Insgesamt schlägt Gallois in seinem seit Wochen mit Spannung erwarteten Bericht 22 Maßnahmen zur Stärkung der französischen Wettbewerbsfähigkeit vor. Nötig sei ein "Sozialpakt", damit eine "industrielle Rückeroberung" möglich sei, sagte Gallois.

"Wettbewerbsschock"

Er sprach sich erneut für einen "Wettbewerbsschock" aus, dies müsse aber ein "Schock des Vertrauens" sein. Frankreichs Staatschef François Hollande hatte unlängst gesagt, er wolle keinen "Wettbewerbsschock", sondern einen längerfristig angelegten "Wettbewerbspakt".

Über die Grundzüge des Gallois-Berichts hatten französische Medien bereits in den vergangenen Tagen berichtet. Neben der massiven Senkung der Lohnnebenkosten wirbt Gallois demnach auch für eine Förderung von Forschung, Innovation und Exporten sowie für einen Abbau bürokratischer Hürden.

Die Details des Berichts sollten am Montagnachmittag bekanntgegeben werden. Am Dienstag will die Regierung auf Grundlage des Berichts erste Maßnahmen zur Stärkung von Frankreichs Wettbewerbsfähigkeit verkünden.

Hollande will alle Schlüsse ziehen

Kurz vor der Übergabe des Berichts sagte Staatschef Hollande am Rande des europäisch-asiatischen Gipfeltreffens ASEM am Montag in Laos, die Regierung werde "alle Schlüsse" aus dem Bericht ziehen. Er betonte, es werde "alles" getan, um Arbeitsplätze zu erhalten und zu schaffen.

Industrieminister Arnaud Montebourg sagte dem Sender RTL, der Bericht werde "geprüft, analysiert und respektiert". Frankreich befinde sich in einer "wirtschaftlichen Notsituation", deswegen müsse ein "nationaler Konsens" zur Rettung der Wirtschaft des Landes gefunden werden.

Die größten französischen Unternehmen haben sich hinter den Vorschlag von Gallois zu einer massiven Senkung der Lohnnebenkosten gestellt. Finanziert werden soll dies über eine Erhöhung der Mehrwertsteuer und der Sozialsteuer CSG.

Gewerkschaften lehnen Debatte ab

Die sozialistische Regierung hat einer deutlichen Erhöhung dieser Steuern aber eine Absage erteilt: Sie will angesichts des Null-Wachstums der französischen Wirtschaft eine zusätzliche Schwächung der Kaufkraft vermeiden. Die Gewerkschaften lehnen eine Verengung der Debatte auf die Arbeitskosten ab.

Frankreichs Wirtschaft gilt im Vergleich zu anderen EU-Ländern wie Deutschland als international wenig wettbewerbsfähig. Als Gründe werden immer wieder der vergleichsweise rigide Arbeitsmarkt, die fehlende Ausrichtung der Unternehmen auf Wachstumsmärkte wie China und die Schwäche der kleinen und mittleren Unternehmen genannt, die in Deutschland als Innovationsmotor wirken.

(AFP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort