Athen Tsipras-Mitstreiter einig gegen Troika und Sparpaket

Athen · Der neue griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras hat eine Garde scharfsinniger Intellektueller um sich geschart. Die Praxis jedoch fehlt ihnen.

 Der neue Regierungschef: Alexis Tsipras

Der neue Regierungschef: Alexis Tsipras

Foto: afp, AT/nb

Griechenland steckt tief im ökonomischen Schlamassel. Dabei herrscht an Wirtschaftsexperten kein Mangel im Land. Einige besonders scharfsinnige Ökonomen, allesamt im Ausland ausgebildet, haben Alexis Tsipras, den neuen Superstar der griechischen Politik, beraten und hoffen jetzt auf Ministerposten. Die Vertreter von Europäischer Union, Internationalem Währungsfonds und der Europäischen Zentralbank, der sogenannten Troika, müssen sich auf harte Verhandlungen mit den neuen Spezialisten einstellen.

Koalitionspartner Panos Kammenos

 Panos Kammenos ist Koalitionspartner von Tsipras.

Panos Kammenos ist Koalitionspartner von Tsipras.

Foto: ap

Schon der Koalitionspartner von Tsipras, Panos Kammenos (49), ist studierter Wirtschaftswissenschaftler. Er verkörpert die nationalistische Rechte, die das Land als besetzt ansieht - von der Troika, den europäischen Partnerregierungen und vor allem von Deutschland. Er schlägt bisweilen schrille fremdenfeindliche Töne an und fordert eine scharfe Politik gegen Nachbarn wie Mazedonien, denen er den Namen nehmen will, weil eine Region in Griechenland den gleichen Namen trägt. Gegen die Türkei vertritt er eine harte Linie im Streit um Hoheitsrechte in der Ägäis, vor allem dort, wo Öl und Gas vermutet werden. Seine Spezialfeindin ist allerdings Kanzlerin Angela Merkel, die er für die Leiden der griechischen Bevölkerung verantwortlich macht. Persönlich wirft er ihr die 6000 Selbstmorde in der Krise vor, die Merkels angebliches Spardiktat verursacht habe.

Giannis Varoufakis

 Giannis Varoufakis: der Ökonom hat schon Giorgos Papandreou beraten.

Giannis Varoufakis: der Ökonom hat schon Giorgos Papandreou beraten.

Foto: dpa

Intellektuell ungleich schärfer ist Giannis Varoufakis (53), der unter anderem als neuer Finanzminister gehandelt wird. Der in Großbritannien ausgebildete Mathematiker und Ökonom gilt als linker Medienstar. Er bloggt, erforscht für den Videofilmhersteller Valve die digitale Ökonomie und hat sich als Kritiker des globalen Kapitalismus einen Namen gemacht. Zuerst hat er den sozialistischen Ministerpräsidenten Giorgos Papandreou beraten, von dem er sich wegen dessen Sparprogramms aber enttäuscht abwandte. Varoufakis ist der Vordenker des Schuldenerlasses und hat Tsipras davon überzeugt, in der Euro-Zone zu bleiben. Er möchte auf jeden Fall einen neuen Vertrag mit den Gläubigerländern und der EU aushandeln. Die Sparpolitik hält er für selbstzerstörerisch, weil sie die Wirtschaft in allen Ländern stranguliert und deshalb in die Depression führt. Stattdessen empfiehlt er einen Finanzausgleich in der EU, also die aus seiner Sicht notwendige Transferunion, die vor allem die Bundesbank und die konservativen Wirtschaftspolitiker vehement ablehnen.

Theodoros Paraskevopoulos

Für die rustikale Politik ist Theodoros Paraskevopoulos (69) verantwortlich. Er ist zwar ebenfalls Vordenker für Syriza, aber erfahren in der praktischen Politik. Auch er hat seine Ausbildung im Ausland bekommen und war mehrere Jahre an der Universität Kiel. Er spricht gut deutsch und kennt das in der Syriza-Fraktion verhasste Deutschland am besten. Er plädiert für eine moderate Politik gegenüber der Merkel-Regierung. Nicht Deutschland sei schuld an der Krise der Griechen, sondern die weltweiten Kapitalinteressen, wobei er die griechischen Reichen ausdrücklich mit einschließt. Er plädiert für die Anhebung von Renten und Löhnen sowie einen Interessenausgleich mit den europäischen Partnern. Vehement wehrt er sich gegen einen Austritt aus der Währungsunion.

Giannis Dragasakis

 Giannis Dragasakis (67) ist der Politik-Veteran unter den neuen Köpfen der Tsipras-Regierung.

Giannis Dragasakis (67) ist der Politik-Veteran unter den neuen Köpfen der Tsipras-Regierung.

Foto: afp, MS

Giannis Dragasakis (67) ist der Politik-Veteran unter den neuen Köpfen der Tsipras-Regierung. Er kommt aus der Kommunistischen Partei, hat ebenfalls Wirtschaft studiert und sogar schon einmal als Vizeminister im Wirtschaftsressort gedient. Er ist Mitglied der Syriza-Fraktion und derzeit Vizepräsident des griechischen Parlaments. Er ist EU-freundlich, weshalb er die Kommunistische Partei verlassen hat. Dragasakis empfiehlt einen Schuldenerlass nach dem Vorbild der Londoner Schuldenkonferenz, die 1953 einen großen Teil der deutschen Finanzschuld aus dem Zweiten Weltkrieg strich und am Anfang des Wirtschaftswunders stand.

Georgios Stathakis und Euklid Tsakalatos

Eine starke Stellung hat auch der Reedersohn Georgios Stathakis, ein marxistischer Ökonom aus Kreta, der die Macht der bisherigen Geldeliten brechen will, darunter die seiner eigenen Familie, oder Euklid Tsakalatos, ein Wirtschaftsprofessor aus Athen, der wie Varoufakis für das Amt des Finanzministers gehandelt wird und schon Mitglied des Schattenkabinetts war.

(RP)
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