Türkei nach dem Putschversuch Bildungsministerium suspendiert 15.000 Mitarbeiter

Ankara · Nach dem Putschversuch in der Türkei schlägt die Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan auch im Bildungssektor gegen vermeintliche Gegner zu. Regierungschef Binali Yildirim warnt die Bevölkerung indes vor "Rachegefühlen".

 Präsident Recep Tayyip Erdogan nutzt die Tage nach dem Putsch für gigantische "Säuberungsaktionen".

Präsident Recep Tayyip Erdogan nutzt die Tage nach dem Putsch für gigantische "Säuberungsaktionen".

Foto: dpa, sdt pt

Das Bildungsministerium suspendierte am Dienstag mehr als 15.000 Beamte, die Verbindungen zur Bewegung des Erdogan-Gegners Fethullah Gülen haben sollen. Während Erdogan weiter die Wiedereinführung der Todesstrafe vorantreibt, warnte Regierungschef Binali Yildirim die Bevölkerung vor "Rachegefühlen" gegenüber mutmaßlichen Putschisten.

Die türkische Regierung geht mit großer Härte gegen mutmaßliche Beteiligte des gescheiterten Militärputsches vom Wochenende vor. Nach Angaben von Vize-Ministerpräsident Numan Kurtulmus wurden mittlerweile mehr als 9300 Ermittlungsverfahren gegen Militärs, Richter und Polizisten eröffnet.

Riesige Entlassungswelle

Auch gegen die 15.200 suspendierten Beamten aus dem Bildungsbereich wird ermittelt, wie das Bildungsministerium mitteilte. Der türkische Hochschulrat forderte laut der amtlichen Nachrichtenagentur Anadolu zudem die mehr als 1500 Rektoren und Dekane aller staatlichen und privaten Universitäten zum Rücktritt auf. Mehr als 200 Entlassungen gab es demnach auch im Amtssitz des Ministerpräsidenten sowie fast 500 in der Religionsbehörde.

Die Entlassungs- und Verhaftungswelle richtet sich vor allem gegen Anhänger der Gülen-Bewegung. Die türkische Regierung macht den Rivalen von Präsident Erdogan für den Putschversuch verantwortlich. Am Dienstag entzog die Telekommunikationsbehörde allen Radio- und Fernsehsenden, die Verbindungen zur Gülen-Bewegung haben sollen, die Lizenz.

Die Gülen-Bewegung müsse "an der Wurzel" gepackt werden, sagte Yildirim. Rachegefühle seien in einem "Rechtsstaat jedoch inakzeptabel". Der Generalstab der Armee betonte, dass "die überwältigende Mehrheit" der Streitkräfte nichts mit dem Putschversuch zu tun habe.

Zuvor waren Fotos von Erdogan-Anhängern verbreitet worden, die auf mutmaßliche Putsch-Unterstützer einprügeln. Eine Reihe von Soldaten wurde sogar gelyncht.

Parlament soll über Todesstrafe entscheiden

Auch der von türkischen Medien als Rädelsführer dargestellte frühere Luftwaffenkommandeur Akin Öztürk wirkte bei einem Gerichtstermin am Montagabend ausgezehrt, an einem Ohr trug er einen dicken Verband. "Ich bin nicht derjenige, der den Putsch geplant oder angeführt hat", sagte er laut Anadolu vor Gericht. "Ich weiß nicht, wer den Umsturzversuch plante und anführte."

Das Gericht in Ankara ordnete an, dass Öztürk und 25 weitere Ex-Generäle bis zum Beginn ihres Prozesses im Gefängnis bleiben müssen. Ihnen wird versuchter Umsturz der verfassungsmäßigen Ordnung, das Anführen einer bewaffneten Gruppe sowie die versuchte Ermordung des Präsidenten zur Last gelegt.

Als mögliche Strafe für die Putschisten sieht Präsident Erdogan weiter die Todesstrafe an. Wenn das Parlament die Todesstrafe debattiere, dann "werde ich als Präsident jede Entscheidung billigen, die das Parlament fällt", sagte er dem US-Sender CNN.

International löste die Debatte über die Wiedereinführung der Todesstrafe massive Kritik aus. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) machte nach Angaben einer Regierungssprecherin bei einem Telefonat mit Erdogan klar, dass eine Wiedereinführung der Todesstrafe "mit dem Ziel einer EU-Mitgliedschaft in keiner Weise vereinbar ist".

Auch Bundespräsident Joachim Gauck forderte die türkische Regierung auf, rechtsstaatliche Grundsätze zu wahren. "Ein Land, das sich als Demokratie versteht und Mitglied der EU sein möchte, sperrt kritische Journalisten nicht ein, setzt nicht kurzerhand tausende Richter ab oder diskutiert über die Wiedereinführung der Todesstrafe", sagte Gauck der "Bild"-Zeitung vom Mittwoch.

Edogan sieht in seinem einstigen Weggefährten Gülen, der seit 1999 im Exil in den USA lebt, den Drahtzieher des Putschversuchs und verlangt von den USA dessen Auslieferung. Der 75-jährige Anführer der einflussreichen Hizmet-Bewegung weist jedoch jede Verwicklung zurück und deutete an, dass Erdogan selbst den Putsch inszeniert haben könnte. Erdogans Sprecher wies diese Anschuldigungen am Dienstag als "unsinnig" zurück.

(AFP)
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