Ankündigung des türkischen Präsidenten Erdogan will Geheimdienst unter seine Kontrolle stellen

Ankara · Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan baut zwei Wochen nach dem gescheiterten Militärputsch in der Türkei seine Macht weiter aus. In einem TV-Interview kündigte er am Samstagabend an, den Geheimdienst MIT sowie alle militärischen Stabschefs direkt unter seine Kontrolle stellen zu wollen.

Recep Tayyip Erdogan: Das ist der türkische Staatspräsident
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Zugleich stellte er Pläne vor, alle Militärschulen des Landes zu schließen und durch eine nationale Militäruniversität zu ersetzen. Er werde ein "kleines Paket" mit Verfassungsänderungen ins Parlament einbringen, sagte Erdogan dem Fernsehsender Al-Haber. Sollten die Maßnahmen verabschiedet werden, würden der Nachrichtendienst MIT und die Stabschefs der Präsidentschaft unterstellt. Da dafür aber eine Zweidrittelmehrheit notwendig ist, dürfte die türkische Führung auf die Unterstützung von Oppositionsparteien angewiesen sein.

In Zukunft würden die Chefs der Luftwaffe, der Marine und der Bodentruppen zudem direkt Verteidigungsminister Fikri Isik Bericht erstatten, fuhr Erdogan fort. Die Maßnahmen dürften nach der Festnahme tausender angeblicher Regierungsgegner sowie dem radikalen Umbau der Armee nach dem vereitelten Putsch nun ein weiterer Versuch Erdogans sein, seine Macht über Streitkräfte und Geheimdienste auszuweiten.

Nach dem Umsturzversuch vor zwei Wochen war außerdem ein dreimonatiger Ausnahmezustand verhängt worden. Wenn sich die Lage nicht bald wieder normalisiere, könne der Ausnahmezustand "wie in Frankreich verlängert werden", sagte der türkische Staatschef. Dort war die Maßnahme nach den November-Attentaten in Paris ergriffen worden.

Erdogans Worten zufolge wurden seit dem Putschversuch knapp 18.700 Menschen festgenommen, zumeist weil sie dem islamischen Prediger Fethullah Gülen nahestehen sollen. Unter ihnen sind unter anderem Staatsbedienstete, Politiker, Wissenschaftler und Journalisten. Die türkische Führung macht den im US-Exil lebenden Gülen für den Putschversuch verantwortlich. Gülen, ein einstiger enger Verbündeter von Erdogan, bestreitet aber jede Verwicklung in die versuchte Machtübernahme durch das Militär.

Nach Angaben eines Behördenvertreters fing die Türkei bereits lange vor dem Putschversuch verschlüsselte Nachrichten von Gülen-Anhängern ab. Dadurch habe Ankara die Namen von zehntausenden Mitgliedern des Gülen-Netzwerks gehabt, sagte der ranghohe Vertreter, der anonym bleiben wollte, am Samstag.

Demnach begann der türkische Geheimdienst MIT bereits im Mai vergangenen Jahres damit, über die Handy-App ByLock versendete Nachrichten zu entschlüsseln. Darüber seien fast 40.000 Namen von Gülen-Anhängern, darunter die von 600 Militärangehörigen, identifiziert worden. Eine "große Anzahl" der auf diese Weise Identifizierten sei "direkt" in den Putschversuch verwickelt gewesen, sagte der Behördenvertreter weiter.

Am Sonntag findet in Köln eine Großkundgebung mit dem Titel "Ja zur Demokratie — Nein zum Staatsstreich" statt, zu der bis zu 30.000 türkischstämmige Demonstranten erwartet werden. Vier Gegendemonstrationen sind angemeldet, unter anderem aus dem linken Spektrum sowie von Jugendorganisationen deutscher Parteien.

Mehr zum gescheiterten Putschversuch in der Türkei und den Folgen lesen Sie in unserem Dossier.

(das/AFP)
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