Berater von Präsident Erdogan "Türkei hat kein Interesse an Krieg mit Syrien"

Ankara · Die Türkei hat auch am Donnerstag Ziele in Syrien beschossen. International steigt die Sorge um eine Ausweitung des Konflikts. Doch die Türkei beschwichtigt: Sie wolle keinen Krieg mit Syrien.

Drei Autobomben explodieren in Aleppo
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Die Türkei hat ihre Artillerie-Angriffe auf syrische Ziele am Donnerstagmorgen wieder aufgenommen. Das berichteten die staatlichen Medien in der Türkei. Bei dem Vergeltungsangriff der Türkei als Reaktion auf den Beschuss eines Grenzortes durch syrische Granaten waren am Mittwoch nach Angaben einer Nichtregierungsorganisation mehrere syrische Soldaten getötet worden.

Die Türkei will nach Angaben eines ranghohen Beraters von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan keinen Krieg mit dem Nachbarland Syrien beginnen. "Die Türkei hat kein Interesse an einem Krieg mit Syrien. Aber die Türkei ist in der Lage, ihre Grenzen zu schützen und wenn nötig zurückzuschlagen", erklärte Ibrahim Kalin am Donnerstag über den Kurznachrichtendienst Twitter. Die politischen und diplomatischen Initiativen würden fortgesetzt.

Explosion in Damaskus

Bei einer Explosion und anschließenden Schüssen nahe der syrischen Hauptstadt Damaskus sind am Donnerstag nach Aktivistenangaben 18 Mitglieder der Elitetruppe der Republikanischen Garde getötet worden. Die meisten Soldaten seien durch die Explosion getötet worden, teilte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit. Die Kämpfe mit den Aufständischen dauern demnach an.

Die Türkei hat unterdessen den UN-Sicherheitsrat eingeschaltet. Das höchste UN-Gremium wurde nach türkischen Medienangaben in einem Brief am Mittwoch aufgefordert, die syrische Aggression zu stoppen.

Verstoß gegen internationales Recht

Die Attacke sei ein Verstoß gegen das internationale Recht und ein Angriff auf den internationalen Frieden und die internationale Sicherheit. Der UN-Sicherheitsrat möge die notwendigen Schritte unternehmen, um die aggressive Haltung Syriens zu beenden, verlangte Ankara.

Nur wenige Stunden nach dem Granatenangriff beschoss die Türkei erstmals Ziele im Bürgerkriegsland Syrien. Der Einsatz sei eine Reaktion auf eine Attacke von Regierungstruppen, teilte das Büro des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan mit.

Das türkische Parlament wird heute (Donnerstag) bei einer außerordentlichen Sitzung über einen Gesetzentwurf beraten, der eine Intervention in Syrien möglich machen soll. Nach türkischen Medienangaben soll der Text in ein bereits bestehendes Gesetz aufgenommen werden, das "Operationen außerhalb der türkischen Grenzen" möglich macht. Ein solches Gesetz autorisiert beispielsweise Militäraktionen der türkischen Armee im Nordirak bei der Jagd auf kurdische Extremisten.

Syrien spricht Beileid aus

Der syrische Informationsminister Omran al-Subi kündigte am Mittwoch eine Untersuchung des Angriffs an. Zudem drückte er im Namen der Regierung den Angehörigen und dem türkischen Volk sein Beileid aus, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Sana. Im Fall von Grenzzwischenfällen müssten die Länder und Regierungen vernünftig, rational und verantwortungsvoll handeln, meinte der Minister.

Die Nato nannte den syrischen Angriff nach einer eilig einberufenen Sondersitzung der ständigen Nato-Botschafter einen flagranten Bruch internationalen Rechts und eine Sicherheitsbedrohung für den Verbündeten Türkei.

"Wie schon am 26. Juni festgestellt, beobachtet die Allianz die Situation in Syrien sehr genau", teilte das Bündnis am späten Mittwochabend in Brüssel mit. Damals hatte es bereits nach dem Abschuss eines türkischen Kampfflugzeugs Beratungen nach Artikel vier des Nato-Vertrags gegeben. Diese Konsultationen kann ein Verbündeter beantragen, wenn er seine Sicherheit als bedroht ansieht.

USA unterstützt Türkei

Die USA sagten der Türkei ihre Unterstützung zu. "Wir stehen zu unserem türkischen Verbündeten", sagte der nationale Sicherheitsberater Tommy Vietor nach Angaben des Weißen Hauses. Er verurteilte den syrischen Angriff auf ein türkisches Grenzdorf. "Alle verantwortungsvollen Nationen" müssten jetzt deutlich machen, dass ein Rücktritt des syrischen Machthabers Baschir al-Assad überfällig sei. Damaskus müsse einen Waffenstillstand im Bürgerkrieg erklären und den politischen Übergang beginnen.

Noch vor Bekanntwerden des türkischen Gegenangriffs hatte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon sich zutiefst besorgt über die Lage gezeigt. Die Türkei müsse alle Kommunikationskanäle zu syrischen Behörden offenhalten, um einen weiteren Aufbau von Spannungen zu vermeiden, sagte Ban nach Angaben eines Sprechers bei einem Telefonat mit dem türkischen Außenminister Ahmet Davutoglu.

Westerwelle: "schwerwiegener Vorfall"

Bei einem Telefongespräch mit Davutoglu nannte Bundesaußenminister Guido Westerwelle "die erneute Verletzung der territorialen Integrität der Türkei aus Syrien" einen schwerwiegenden Vorgang.

"Wir verurteilen diese Gewalt in aller Schärfe", erklärte er am Mittwochabend am Rande einer Feier zum Tag der Deutschen Einheit in Paris. Zugleich bat er seinen türkischen Kollegen, "bei aller verständlicher Empörung mit Besonnenheit und mit dem Blick für die außerordentlich gefährliche Lage in der ganzen Region zu handeln".

In Akcakale waren nach türkischen Angaben mindestens drei aus Syrien abgefeuerte Granaten eingeschlagen, von denen eine vier Kinder und deren Mutter tötete. 13 weitere Menschen wurden verletzt, darunter mehrere Polizisten. Fernsehsender zeigten Dorfbewohner, die in Panik über die Straßen rannten oder Deckung suchten.

Man habe die Angreifer mit Hilfe von Radargeräten identifiziert, teilte die Regierung in Ankara mit. Die türkische Artillerie habe sie dann unter Feuer genommen. Berichte über Opfer auf syrischer Seite wurden zunächst nicht bekannt.

Syrer flüchten in die Türkei

Akcakale liegt unmittelbar an der Grenze zu Syrien und nahe dem lange umkämpften Grenzübergang Tell Abjad, den syrische Rebellen nach zweitägigen Gefechten eingenommen hatten.

Die Türkei hat seit Beginn des Bürgerkrieges im Nachbarland mehr als 93.000 syrische Flüchtlinge aufgenommen. Die Forderung Ankaras, eine Schutzzone für Vertriebene auf der syrischen Seite der Grenze einzurichten, hat international keine ausreichende Unterstützung erhalten. Die türkische Regierung sympathisiert mit den Assad-Gegnern.

(dpa/afp)
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