Gesuchter Journalist lebt in Deutschland Türkei will Interpol auf Can Dündar ansetzen

Istanbul · Erneut macht die Türkei mit einem internationalen Haftbefehl von sich reden: Ankara will den in Deutschland lebenden Journalisten Can Dündar nach einem Bericht auf die Fahndungsliste der internationalen Polizeiorganisation Interpol setzen.

Can Dündar (Archivbild).

Can Dündar (Archivbild).

Foto: dpa, bsc

Ein Istanbuler Gericht habe das Justizministerium aufgefordert, Dündar mittels einer sogenannten "Red Notice" bei Interpol suchen zu lassen. Das berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu am Montag. Zudem sei ein Haftbefehl ausgestellt worden. Dündar kritisierte die Entscheidung in einem auf Twitter verbreiteten Video und sagte, damit "blamiere" sich die Türkei vor der ganzen Welt.

Hintergrund der Gerichtsentscheidungen sind laut Anadolu Veröffentlichungen aus dem Jahr 2015 in der regierungskritischen Zeitung "Cumhuriyet", die Waffenlieferungen der türkischen Regierung an islamistische Rebellen in Syrien belegen sollen. Der ehemalige "Cumhuriyet"-Chefredakteur Dündar war im Mai 2016 wegen Geheimnisverrats zu fünf Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt worden. Vom Vorwurf der Spionage wurde er damals freigesprochen. Ein Berufungsgericht kassierte das Urteil Anfang März jedoch und entschied, dass Dündar sich in einem neuen Verfahren auch wegen Spionage verantworten müsse.

Zu den "Cumuriyet" Berichten von damals sagte Dündar, die Schuld liege nicht bei den Journalisten, sondern bei der türkischen Regierung, die ohne Zustimmung des Parlaments und ohne Wissen der Öffentlichkeit "illegal" Waffen nach Syrien geliefert habe. Die türkische Führung könne ihn und seine Kollegen "niemals einschüchtern", sagte Dündar. "Wir werden das, was wir als richtig erachten, in allen Bereichen bis zum Ende verteidigen."

Dündar war nach seiner Verurteilung 2016 aus der Türkei ausgereist und im August desselben Jahres als Chefredakteur der "Cumhuriyet" zurückgetreten. Er lebt zurzeit in Deutschland.

Wenn ein Mitgliedsland einen Verdächtigen zur Fahndung ausschreiben will, informiert Interpol mit einer "Red Notice" ("rote Notiz" oder "rote Ausschreibung") und steuert die länderübergreifende Kooperation. Jedes Land entscheidet selbst, ob es dem Fahndungsaufruf nachkommt.

Zudem ist mehr als zwei Jahre nach dem tödlichen Anschlag auf den russischen Botschafter in der Türkei Haftbefehl gegen den islamischen Prediger Fethullah Gülen und sieben weitere Personen erlassen worden. Ihnen werde vorsätzliche Tötung und ein Umsturzversuch vorgeworfen, meldete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu am Montag. Die türkische Führung macht den in den USA lebenden Gülen auch für den Putschversuch vom Juli 2016 verantwortlich.

Der russische Botschafter Andrej Karlow war am 19. Dezember 2016 bei einer Ausstellung in der Hauptstadt Ankara von einem türkischen Polizisten erschossen worden. Der Attentäter wurde anschließend von Spezialkräften getötet.

Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hatte schon kurz nach dem Anschlag Verbindungen des Attentäters zur Gülen-Bewegung vermutet. Die Haftbefehle kommen nur einen Tag vor dem Treffen von Erdogan und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in Ankara. Im Juni 2017 hatte Putin einen Nachfolger für Karlow ernannt.

(felt)
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