Neuer Regierungschef der Ukraine Arseni Jazenjuk — technokratischer Reformer vor heikler Aufgabe

Kiew · So schnell kann es gehen: Noch vor wenigen Tagen stand Arseni Jazenjuk als Protestführer auf dem Maidan, nun ist er neuer Regierungschef. Auf den 39-Jährigen warten große Aufgaben.

 Arseni Jazenjuk ist während der Proteste zu einer Galionsfigur der Opposition geworden.

Arseni Jazenjuk ist während der Proteste zu einer Galionsfigur der Opposition geworden.

Foto: afp, ss/LK/MS

Für Arseni Jazenjuk ist nach dem Umsturz in der Ukraine nach Jahren in der Opposition die große Stunde gekommen: Aus dem bisherigen Protestführer ist der neue Regierungschef geworden. Das ukrainische Parlament bestätigte ihn am Donnerstag als neuen Ministerpräsidenten. Tags zuvor hatte sich dafür bereits Übergangspräsident Alexander Turtschinow vor Tausenden Demonstranten auf dem Unabhängigkeitsplatz Maidan stark gemacht.

Mit Jazenjuk setzt die neue Führung in Kiew auf einen Politiker, der mit gerade einmal 39 Jahren als gewiefter Technokrat mit großem Reformeifer gilt. Seine politischen Meriten verdiente sich der Ex-Banker und Millionär vor der Machtübernahme des inzwischen abgesetzten Staatschefs Viktor Janukowitsch: Im September 2005 wurde Jazenjuk unter Präsident Viktor Jutschtschenko zum Wirtschaftsminister ernannt, zwei Jahre später stieg Jazenjuk zum Chefdiplomaten der Ukraine auf.

Drängende Wirtschaftsprobleme

Zudem genießt der Professorensohn aus dem westukrainischen Tschernowitz die Gunst des Westens. Als die US-Spitzendiplomatin für Europafragen, Victoria Nuland, in einem abgehörten Telefonat ihrer Missachtung für die Europäische mit den Worten "Fuck the EU" Luft machte, fielen auch wohlwollende Worte über Jazenjuk. "Ich glaube, dass Jaz (Jazenjuk) der Typ ist, der die ökonomische Erfahrung mitbringt, die Regierungserfahrung", ist auf dem Tonbandmitschnitt zu hören.

Jazenjuk stieg während der Proteste gegen das System Janukowitsch zu einer der Galionsfiguren der Opposition auf. Als ihn der Präsident auf dem Höhepunkt des Machtkampfs mit dem Posten des Regierungschefs lockte, lehnte Jazenjuk noch ab. Er sei nicht käuflich, beschied er. Nun steht Jazenjuk als designierter Regierungschef vor einer heiklen Herausforderung.

Angesichts der drängenden Wirtschaftsprobleme der Ukraine dürfte ihm und seinem Kabinett zunächst die Aufgabe zukommen, finanzielle Hilfe von EU und Internationalem Währungsfonds sicherzustellen. Die Summe hat es in sich: Nach Angaben des amtierenden Finanzministers braucht das Land 35 Milliarden Dollar, um die kommenden zwei Jahre überstehen zu können. Ein Deal dürfte den neuen Ministerpräsidenten jedoch zu unpopulären Schritten wie einer Anhebung der Gaspreise für Konsumenten zwingen.

"Die Ukraine braucht unbedingt einen Marshall-Plan"

Ein Rettungspaket könnte auch mit der Auflage verbunden sein, dass die Ukraine ihre Währung gegenüber dem Dollar und dem Euro abwertet. Das wiederum würde die Kosten für importierte Güter schmerzhaft in die Höhe treiben.

Die mögliche Marschrichtung hatte Arseni Jazenjuk bei einem Auftritt als Oppositionsführer bei der Münchner Sicherheitskonferenz im Januar vorgegeben. "Die Ukraine braucht unbedingt einen Marshall-Plan und kein Kriegsrecht, um die politische und wirtschaftliche Situation zu stabilisieren", sagte er.

(ap)
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