Protokoll des Tages zur Ukraine-Krise Viele ukrainische Soldaten strecken im Osten des Landes die Waffen

Kiew · Die Unruhen im Osten der Ukraine haben am Mittwoch zugenommen. Separatisten stürmten das Rathaus von Donezk. Einheiten der Luftlandetruppen sind offenbar übergelaufen: Ukrainische Panzer rollen unter russischer Fahne in Richtung Slwajansk. Die Nato schickt zusätzliche Soldaten in die östlichen Staaten des Bündnisses. Die Friedensgespräche am Donnerstag in Genf sollen dennoch stattfinden. Die Ereignisse des Tages im Überblick.

Panzer mit russischer Flagge fahren durch Kramatorsk
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+++ 20.45 Uhr: Die Suche nach einer politischen Lösung für den Ukraine-Konflikt steht am Donnerstag im Mittelpunkt eines Krisengipfels in Genf. Daran nehmen die Außenminister der USA, Russlands und der Ukraine sowie die Außenbeauftragte der Europäischen Union teil. Angesichts erheblicher Differenzen rechnen Diplomaten allerdings nicht mit einem Durchbruch zu einer umfassenden Friedenslösung. Die Gespräche finden hinter verschlossenen Türen im Genfer Hotel Intercontinental statt. Teilnehmer sind neben den Chefdiplomaten Russlands und der USA, Sergej Lawrow und John Kerry, die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton sowie der ukrainische Außenminister Andrej Deschtschiza.

+++ 20.25 Uhr: Kurz vor einem geplanten Krisentreffen zur Ukraine in Genf hat Russland die USA kritisiert. Indem die USA den Militäreinsatz der Regierung in Kiew gegen prorussische Separatisten in der Ostukraine rechtfertigten, unterstützten sie einen "Krieg gegen das Volk". Zugleich warf Russland den USA doppelte Standards vor. So verteidige Washington den Sturz der rechtmäßigen Regierung als Volksaufstand, kritisiere aber die Proteste im Osten als Terrorismus.

+++ 17.34 Uhr: Angesichts des massiven prorussischen Widerstandes hat eine ukrainische Militärkolonne im Osten des Landes am Mittwoch die Waffen gestreckt. Die Soldaten begannen in der Stadt Kramatorsk damit, vor einem uniformierten Mann ohne Abzeichen ihre Waffen unbrauchbar zu machen, wie Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichteten. Im Gegenzug erhielten sie von den Milizionären die Zusicherung, in ihren gepanzerten Fahrzeugen den Rückweg antreten zu können.

+++ 16.13 Uhr: Die von der Nato beschlossene Verstärkung der Militärpräsenz in Osteuropa ist nach Angaben des militärischen Oberkommandeurs, des US-Generals Philip Breedlove, rein defensiv. "Die Maßnahmen (...) sollen unseren Verbündeten die Sicherheit geben, dass wir unseren Verpflichtungen zur gemeinsamen Verteidigung gerecht werden", sagte er am Mittwoch in Brüssel. "Die Maßnahmen sind keine Bedrohung Russlands." Die verstärkte Präsenz sei zunächst bis zum 31. Dezember dieses Jahres geplant. "Wir werden später prüfen, was wir dann tun."

+++ 15.58 Uhr: Unter den prorussischen Aktivisten, die am Mittwoch sechs ukrainische Panzer vor der östlichen Stadt Slawjansk in ihre Gewalt gebracht haben, sind nach Angaben eines Anführers der Gruppe rund 150 Überläufer der ukrainischen Streitkräfte. Er selbst sei "ein Mitglied der Selbstverteidigungskräfte der Krim", sagte der etwa 50-jährige Mann, der sich am Mittwoch vor Journalisten als "Balu" ausgab. "Wir sind etwa zehn. Die anderen sind etwa 150 ukrainische Soldaten, die sich uns angeschlossen haben."

+++ 15.33 Uhr: Das von der Republik Moldau abtrünnige Transnistrien hat Russland und die Vereinten Nationen zur Anerkennung seiner Unabhängigkeit aufgefordert. Das Regionalparlament verabschiedete am Mittwoch einstimmig eine Resolution, in der die internationale Gemeinschaft aufgerufen wird, die Region als "souveränen und unabhängigen Staat" anzuerkennen. Die Einwohner des schmalen Gebiets an der Grenze zur Ukraine hatten sich im Jahr 2006 in einem Referendum mit großer Mehrheit für einen Beitritt zu Russland ausgesprochen. In Transnistrien sind 60 Prozent der Bewohner russischsprachig, sie sind etwa zur Hälfte Russen und zur anderen Hälfte Ukrainer.

+++ 15.17 Uhr: Das ukrainische Verteidigungsministerium bestätigt, dass die pro-russischen Separatisten am Mittwoch sechs Schützenpanzer der Armee in ihre Gewalt gebracht haben.

+++ 14.56 Uhr: Deutschland wird sich zunächst mit einem Schiff und sechs Kampffliegern an der Verstärkung der Nato-Präsenz in den östlichen Bündnisstaaten beteiligen. Das bestätigte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums am Mittwoch in Berlin. Der Tender "Elbe" mit rund 45 Soldaten Besatzung soll von Ende Mai bis Anfang ein Minenräum-Manöver in der Ostsee leiten. Bis zu sechs Kampfflieger vom Typ "Eurofighter" sollen sich ab September für vier Monate an der Luftraumüberwachung über dem Baltikum beteiligen.

+++ 14.44 Uhr: Die Parlamentspräsidenten der sieben großen Industrienationen (G7) haben ihr alljährliches Treffen mit dem Kollegen aus Russland abgesagt. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) begründete dies am Mittwoch damit, dass das Parlament in Moskau - die Duma - eine erhebliche Mitverantwortung am russischen Vorgehen trage.

+++ 14.28 Uhr: Auch Russlands Wirtschaft leidet unter der Ukraine-Krise. In den ersten drei Monaten des Jahres sei sie um nur 0,8 Prozent gewachsen und damit weit weniger stark als die ursprünglich prognostizierten 2,5 Prozent, sagte Wirtschaftsminister Alexej Uljukajew am Mittwoch den Abgeordneten der Staatsduma. Grund sei "die akute internationale Situation" der vergangenen Wochen und die große "Kapitalflucht".

+++ 14.05 Uhr: Die Bundesregierung hat der Regierung der Ukraine einen "verantwortungsbewussten" Umgang mit der aktuellen Krise bescheinigt. Es sei klar, dass Kiew "die gewaltsame Übernahme von Polizeistationen und anderer kritischer Infrastruktur durch bewaffnete Gewalttäter nicht unbegrenzt hinnehmen kann", sagte Vize-Regierungssprecher Georg Streiter. "Aus unserer Sicht hat sich die ukrainische Seite hier sehr verantwortungsbewusst und zurückhaltend verhalten."

+++ 13.38 Uhr: Der ukrainische Verteidigungsminister Michail Kowal kündigt eine Reise in die Ostukraine ab, um sich über die Lage der Truppen zu informieren.

+++ 13.11 Uhr: Die Nato verstärkt angesichts der Ukraine-Krise ihre militärische Präsenz in den östlichen Staaten des Bündnisses. Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen sagte am Mittwoch in Brüssel, es würden mehr Flugzeuge und Schiffe eingesetzt und auch Soldaten geschickt.

+++ 12.18 Uhr: Bundeskanzlerin Merkel hofft durch das Ukraine-Vierertreffen an diesem Donnerstag in Genf auf Impulse für eine diplomatische Lösung. "Wir hoffen, dass es stattfindet, dass es eine Grundlage ist, dass es möglichst weitere Treffen gibt", sagte Vize-Regierungssprecher Georg Streiter.

+++ 11.58 Uhr: In der ost-ukrainischen Region Lugansk sind nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Kiew zwei ukrainische Soldaten von prorussischen Aktivisten als "Geiseln" genommen worden. Ein Offizier und ein Soldat seien am Dienstag von "Extremisten" gefangen genommen und an einen unbekannten Ort gebracht worden, erklärte das Ministerium.

+++ 11.52 Uhr: Der ukrainische Regierungschef Arseni Jazenjuk wirft Russland vor, in Europa eine "neue Berliner Mauer" zu errichten. Was sich derzeit abspiele, sei eine "Gefahr für Europa und die Europäische Union", sagte er in Kiew. Es sei "klar", dass die russischen Nachbarn eine "Rückkehr zum Kalten Krieg" wollten.

+++ 11.44 Uhr: Der ukrainische Geheimdienst SBU behauptet, die bewaffneten pro-russischen Gruppen im Osten des Landes hätten den Befehl erhalten, auf ukrainische Soldaten zu schießen. In abgefangenen Gesprächen zwischen "russischen Saboteuren" sei deutlich geworden, dass die Aktionen vom "russischen Militärgeheimdienst" gesteuert würden. Beamte hätten den Befehl erteilt, zu "schießen, um zu töten".

+++ 11.03 Uhr: Offenbar kommt es an mehreren Orten im Osten zu Auflösungserscheinungen der ukrainischen Armee. Sowohl in Kramatorsk als auch vor Slwajansk wurden Panzer unter russischer Flagge gesichtet. Von bis zu zehn gepanzerten Fahrzeugen ist die Rede. Deren Besatzung soll zu den prorussischen Separatisten übergelaufen sein. Ein Video des Portals espreso.tv zeigt, wie die Truppen durch die Großstadt Kramatorsk rund 80 Kilometer nördlich von Donezk fuhren.

+++ 10.45 Uhr: Eine Einheit der ukrainischen Luftlandetruppen hat offenbar die Seiten gewechselt. Einer ihrer Soldaten sagte am Mittwoch in Slawjansk, man sei nun auf der Seite der prorussischen Aktivisten. Aktuelle Fotos aus der Ost-Ukraine zeigen Panzer mit vermummten Gestalten darauf, die die russische Flagge gehisst haben.

Ein AP-Reporter berichtete, sechs Schützenpanzer seien in die Kleinstadt gefahren und an den Kontrollpunkten von prorussischen Aktivisten enthusiastisch begrüßt worden. Die Soldaten hätten grüne Tarnanzüge getragen, sie seien ausgerüstet mit Automatikwaffen und Granatwerfern. Mindestens einer der Soldaten habe das Sankt-Georgs-Band getragen, ein Symbol des Sieges der Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg, das inzwischen zu einem Symbol prorussischer Demonstranten im Osten der Ukraine geworden ist.

+++ 10.28 Uhr: Rund 20 prorussische Bewaffnete haben das Rathaus der ostukrainischen Stadt Donezk gestürmt. Wie eine AFP-Reporterin vor Ort berichtete, erklärten die Aktivisten, ihre einzige Forderung sei die Organisation eines Referendums über die Bildung einer "föderalistischen" Ukraine. In Donezk wird seit Anfang April bereits der Sitz der Regionalregierung besetzt gehalten.

+++ 9.54 Uhr: In einigen Städten in der Ost-Ukraine haben sich Bürgerwehren gebildet. Sie wollen die Sicherheitskräfte der prowestlichen Führung in Kiew unterstützen und sich gegen die nach Russland orientierten Separatisten verteidigen.

+++ 9.41 Uhr: Trotz des Militäreinsatzes gegen pro-russische Aktivisten will Russland an der für Donnerstag geplanten internationalen Ukraine-Konferenz in Genf teilnehmen. Der russische Außenminister Sergej Lawrow sagte in Hanoi, die Gespräche blieben auf der Agenda.

+++ 9.35 Uhr: Die deutschen Ei-Produzenten befürchten wegen niedrigerer Zölle eine "Schwemme von Billig-Eiern" aus der Ukraine. Eine Importwelle könne zu weiter sinkenden Preisen führen, sagte der Vorsitzende des Bundesverbands Deutsches Ei (BDE), Günter Scheper, der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Hintergrund der Sorgen des BDE sind jüngste Beschlüsse der EU zur Unterstützung der ukrainischen Wirtschaft.

+++ 9.10 Uhr: Bei vielen Ostermärschen der Friedensbewegung wird die Ukraine Thema sein. Mit rund 80 Demonstrationen, Kundgebungen, Radtouren und Festen will die deutsche Friedensbewegung an Ostern gegen Krieg und Waffenhandel mobil machen.

+++ 7.55 Uhr: Die deutsche Wirtschaft sieht den Konflikt in der Ukraine mit großer Sorge. BASF-Chef Kurt Bock und der Geschäftsführer des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, Rainer Lindner, warnten vor schärferen Sanktionen gegen Russland.

+++ 4.25 Uhr: China hat sich besorgt über die Eskalation in der Ost-Ukraine gezeigt und alle Seiten zur Zurückhaltung aufgerufen. "Es ist eine unglückliche Entwicklung", sagte Vizeaußenminister Li Baodong am Mittwoch im Gespräch mit dem Vorsitzenden der Unionsfraktion, Volker Kauder, in Peking. Alle Beteiligten sollten umsichtig vorgehen.

+++ 0.10 Uhr: Außenminister Frank-Walter Steinmeier setzt alle Hoffnungen auf eine friedliche Lösung bei dem Vierer-Treffen in Genf. "Ein Scheitern ist nicht erlaubt", sagte Steinmeier unserer Redaktion.

+++ 23.15 Uhr: Russlands Präsident Putin erklärt in einem Telefonat mit Kanzlerin Merkel, er sehe die Ukraine am Rande eines Bürgerkriegs.

+++ 23.04 Uhr: UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hat sich gegen den Einsatz von Blauhelmsoldaten in der Ukraine ausgesprochen. "Die Entsendung von Friedenstruppen erscheint mir im Moment nicht durchführbar", sagte Ban in einem Interview der mexikanischen Zeitung "Reforma" vom Dienstag. "Ohne ein klares Mandat des Sicherheitsrates können wir keinen Einsatz einleiten."

(felt / jco)
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