Ukraine will die Grenze sperren Ein Konvoi mit 280 Lastern nährt die Angst vor einer Invasion

Moskau/Kiew · Moskau schickt 280 weiß lackierte Lkw ins Krisengebiet. Angeblich mit Hilfsgütern für die geschundene Bevölkerung im Donbas. Doch verlässliche Angaben über die Ladung gibt es nicht. Frankreichs Außenminister Fabius hält es für möglich, dass Moskau ein trojanisches Pferd an die Grenze entsandt hat.

August 2014: Russischer Hilfskonvoi auf dem Weg in die Ukraine
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August 2014: Russischer Hilfskonvoi auf dem Weg in die Ukraine

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Rund 1000 Kilometer sind es von Moskau bis zur ukrainischen Grenze. Die 280 Lkw sind unterwegs. Der Kreml hat angekündigt, damit Hilfsgüter in die Kriegsregion zu bringen. Doch die Ukraine ist misstrauisch. Sie will den Konvoi nichts ins Land lassen. Im Westen geht die Sorge um, Russland könne unter dem Deckmantel humanitärer Unterstützung in das Nachbarland einfallen.

Wie die Nachrichtenagentur RIA Nowosti berichtete, starteten die Transporter am frühen Morgen von der russischen Militärbasis Alabino im Südwesten Moskaus, nach dem sie von einem russisch-orthodoxen Priester gesegnet worden waren. Demnach soll der Konvoi am Mittwoch die Grenze zur Ukraine erreichen. Die etwa 2000 Tonnen Hilfsgüter waren nach russischen Medienberichten von Einwohnern Moskaus und Umgebung gesammelt worden.

Kiew will einen russischen Konvoi auf ihrem Staatsgebiet nicht dulden

Der Sprecher des russischen Präsidenten Wladimir Putin, Dmitri Peskow, sagte, die Lastwagen seien "ohne militärische Eskorte" unterwegs. Alles sei mit der Ukraine abgestimmt. Rund um den Konvoi waren keine Militärfahrzeuge zu sehen, lediglich weiße Lastwagen ohne Nummernschilder und zum Teil mit roten Kreuzen versehen.

Die ukrainische Präsidentschaft schloss am Dienstag jedoch aus, dass die russischen Lkws die Grenze passieren dürfen. "Wir erachten die Fahrt russischer Konvois über ukrainisches Territorium als unmöglich", erklärte ein Vertreter des Präsidialamtes in Kiew. Die russischen Lieferungen könnten aber an der ukrainischen Grenze an das Roten Kreuz, übergeben werden, damit dieses die Lieferungen übernimmt. Zudem werde die ukrainische Regierung nicht akzeptieren, dass russische Soldaten oder Mitarbeiter des russischen Ministeriums für Katastrophenhilfe die Auslieferung begleiten.

Das Rote Kreuz zeigt sich erstaunt

Zwar hat sich das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) tatsächlich angeboten, die Hilfsgüter zu den Menschen in die umkämpften Gebiete zu bringen. Doch nach Angaben des IKRK hat Russland bislang keine Angaben zu Art und Umfang der Hilfslieferungen gemacht. Zudem fehlten die Sicherheitsgarantien der Konfliktparteien, um eine Verteilung von Hilfsgütern zu ermöglichen, sagte eine Sprecherin der Organisation in Genf.

Bedingung sei, dass die Hilfsgüter an die Hilfsorganisation übergeben würden und geprüft werden könnten, sagte der IKRK-Sprecher in Kiew, Andre Loersch, der Deutschen Welle (Dienstag). Das Rote Kreuz könne dann unabhängig und nach vorhandenen Kriterien Bedürftige identifizieren und Hilfsmittel verteilen. Die Übergabe sollte demnach an der ukrainischen Grenze stattfinden.

Das Rote Kreuz in Kiew reagiert erstaunt auf die russischen Hilfslieferungen in die Ukraine. Loersch sagte dem Onlinedienst "EUobserver" in Brüssel, es habe zwar eine grundsätzliche Einigung darüber gegeben, dass Russland mit Hilfe des IKRK Hilfsgüter in die Ukraine liefere. Man habe bislang weder Informationen über die Hilfsgüter in den Lastwagen, noch wisse man, wohin sie unterwegs seien. Information über die Lieferungen habe man lediglich über russische Nachrichtenagenturen erhalten.

Fabius mahnt zu größter Vorsicht

Das Informationschaos rund um die Lieferung nährt das Misstrauen. Laut Zeit Online heißt es in russischen Bloggerkreisen, bei den Lastern handele es sich um umgespritzte Armee-Fahrzeuge. Zudem kursiert die Geschichte von einer Aussage eines russischen Gesandten in der Ostukraine: Der soll die Waffenlieferungen an die Separatisten als Hilfsleistung der russischen Zivilgesellschaft bezeichnet haben. Die Parallelen zur aktuellen Lage um den Hilfskonvoi liegen auf der Hand.

Auch in westlichen Hauptstädten traut man den Russen nicht über den Weg. Frankreichs Außenminister Laurent Fabius hatte zuletzt im Gespräch mit dem Radiosender France Info die Sorge geäußert, dass der humanitäre Konvoi nur "ein Vorwand" Moskaus zur Unterstützung der prorussischen Separatisten in der Ostukraine sein könnte und zu größter Vorsicht gemahnt. Es könne sein, dass sich auf diesem Wege Russen in der Nähe der Rebellenhochburgen Donezk und Luhansk in Stellung brächten und den Westen vor vollendete Tatsachen stellten.

Telefonat mit Merkel

Nach Angaben des Élysée-Palasts telefonierte Frankreichs Präsident François Hollande wegen der jüngsten Entwicklungen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Beide sähen die Lage in der Ukraine genau gleich, "insbesondere hinsichtlich der Bedingungen einer wirklichen humanitären Mission", teilte der Elysée-Palast mit. Hollande hatte zuvor in einem Telefonat mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin seine Warnungen vor einseitigen Hilfslieferungen ohne die Zustimmung Kiews erneuert.

In der Ostukraine bekämpfen sich seit Monaten Regierungstruppen und Aufständische, die sich vor allem in den selbsterklärten "Volksrepubliken" Donezk und Lugansk verschanzt halten. Die Menschen in der Region leiden infolge der Gefechte auch unter mangelnder Strom- und Wasserversorgung. Nach Donezk wollte die ukrainische Armee am Dienstag auch Lugansk militärisch einkesseln.

Kiew wirft der Regierung in Moskau vor, die Separatisten mit Waffen und Kämpfern zu unterstützen, die heimlich über die Grenze eingeschleust würden. Auch die USA zeigen sich davon überzeugt, dass Moskau die Separatisten aktiv unterstützt, indem es Rückzugsräume gewährt und Lieferrouten für Nachschub ermöglicht.

Nach UN-Angaben sind in den vergangenen vier Monaten etwa 1300 Menschen getötet worden. Fast 300.000 Menschen wurden demnach vertrieben.

(DEU/KNA/dpa/rtr)
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