Ukrainerin in Donezk Irina Dowgan — misshandelt von Separatisten

Kiew · Die Ukrainerin Irina Dowgan wurde mehr als drei Stunden an einem Laternenpfahl in der ostukrainischen Rebellenhochburg Donezk gestellt und von den prorussischen Separatisten misshandelt. Nun hat sie über jene Stunden gesprochen.

 Irina Dowgan fällt es zwischenzeitlich sichtlich schwer, über das Erlebte zu sprechen.

Irina Dowgan fällt es zwischenzeitlich sichtlich schwer, über das Erlebte zu sprechen.

Foto: afp, gs/AMD

Die blau-gelbe ukrainische Flagge um die Schultern gehüllt, einen Haarreifen mit zwei ukrainischen Flaggen als lächerliche Ohren auf dem Kopf, ein Schild um den Hals gehängt: "Sie tötet unsere Kinder" — so wurde Irina Dowgan an einen Laternenpfahl in Donezk gestellt. Die Aufständischen richteten ihre Gewehre auf die 52-Jährige. Passanten bespuckten sie, mehrere Frauen schlugen zu. Eine Frau bewarf sie mit Tomaten, voller Abscheu darüber, dass Dowgan die ukrainischen Truppen unterstützte.

Zwei Wochen nach der grausamen Demütigung hat die schlanke, blonde Frau noch Schrammen am Körper; von Tritten und Schlägen, die ihr die Aufständischen zufügten, als sie sie stundenlang quälten. "Sie haben so dicht an meinen Ohren vorbeigeschossen, dass ich fast taub wurde", erzählt sie in Kiew, wo sie bei Freunden Zuflucht gefunden hat.

"Sie haben in Einzelheiten geschildert, wie sie mich vergewaltigen wollten", fährt Dowgan fort. "Sie zeigten mir ein Bild meiner 15-jährigen Tochter und fragten: 'Wie viele Männer wird sie wohl ertragen, bevor sie stirbt? 50, 60?'." Sie habe sich auf den Boden gelegt und eingerollt und die Männer angefleht, sie nicht zu berühren.

Spenden für ukrainische Soldaten gesammelt

Das Martyrium begann am 24. August, dem ukrainischen Unabhängigkeitstag. Rund ein Dutzend Rebellen stürmen ihr Haus in Jasinuwata bei Donezk. Dowgan wurde zum Verhängnis, dass sie in dem Konflikt auf der Seite Kiews stand und Spenden sammelte, um den ukrainischen Soldaten Zigaretten und Medikamente zu kaufen. Auf ihrem Tablet-Computer fanden die Separatisten Bilder von den Käufen. Auch ein Fernrohr deuteten sie als Beweis für Dowgans "Kollaboration" mit Kiew. Ihre Häscher warfen ihr sogar vor, die Artillerie der Regierungstruppen zu Rebellenstellungen gelockt zu haben. Die Separatisten stülpten ihr eine Kapuze über den Kopf und brachten sie in ihr Hauptquartier in Donezk.

Nachdem sie getreten, geschlagen und beleidigt wurde, hätten die Rebellen angedroht, sie in die Schusslinie der ukrainischen Artillerie zu stellen. "Ich dachte: 'Gott sei Dank, denn werde ich einfach sterben", erzählt sie. Aber die Aufständischen änderten ihre Pläne und stellten sie als Verräterin im Stadtzentrum von Donezk an den Pranger.

Die Frauen seien die Schlimmsten gewesen, erinnert sie sich. "Eine Frau forderte ihren Mann auf, den Wagen anzuhalten. Dann öffnete sie den Kofferraum und warf Tomaten auf mich, einige zerdrückte sie in meinem Gesicht." Eine etwa 70-Jährige habe ihr mit einem Stock auf den Rücken geschlagen.

Ein Foto von ihr ging um die Welt

Gerettet hat sie womöglich ein Team ausländischer Reporter. Ein Foto, auf dem sie von einer jungen Frau angeschrien wird, erscheint in der "New York Times". Der Bericht stößt eine Kampagne in sozialen Netzwerken an. Ihre Identität wird bekannt. In Facebook-Kommentaren werden ihren Peinigern Nazi-Methoden vorgeworfen. Einen Tag später wird sie freigelassen und gelangt nach Kiew.

Dowgan hatte in der Donezk-Region ausgeharrt, als die Kämpfe zwischen prorussischen Aufständischen und Regierungstruppen eskalierten. "In jedem Krieg gibt es Menschen, die die Befreier mit Flaggen begrüßen", sagt sie. "Mein Schicksal war es, dort zu sein, wenn unsere Befreier kommen." Seit vergangenem Freitag herrscht in der Region eine brüchige Waffenruhe. Teil der Vereinbarung ist, dass die Rebellen in Donezk eine autonome Gebietsverwaltung aufbauen dürfen. Die Befreier, auf die Dowgan wartete, werden wohl nicht mehr kommen.

Von weiteren Verhandlungen mit den Separatisten hält die Ukrainerin nichts. "Es ist nicht die Zeit zu glauben, wir könnten mit den Rebellen ein Abkommen erreichen und an den gesunden Menschenverstand appellieren. Diese Menschen haben keine Gesetze, keine Ehre oder Gnade. Es sind Wilde."

Bis der Konflikt ihre Heimat heimgesucht habe, sei es ihrer Familie gut gegangen, sagt sie noch. Inzwischen hätten sie alles verloren. "Freunde warnten uns, nie wieder einen Fuß in unser Dorf zu setzen, wenn wir nicht umgebracht werden wollen."

(DEU)
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