Ukraine-Krise Michail Gorbatschow warnt vor neuem Kalten Krieg

Zürich · Seine Reformen läuteten das Ende der Sowjetunion ein: Michail Gorbatschow. Angesichts der Ukraine-Krise warnt er nun in einem Interview vor einem erneuten Wettrüsten und einem neuen Kalten Krieg. "Wenn das passiert, ist es ein großer Fehler – von uns allen", sagte er. Zugleich zeigte er Verständnis für die Konfliktparteien – auch für Wladimir Putin.

 Friedensnobelpreisträger Michail Gorbatschow — hier ein Foto aus dem Jahr 2011 — warnte schon Ende August vor einem "schrecklichen Blutvergießen".

Friedensnobelpreisträger Michail Gorbatschow — hier ein Foto aus dem Jahr 2011 — warnte schon Ende August vor einem "schrecklichen Blutvergießen".

Foto: dpa

Seine Reformen läuteten das Ende der Sowjetunion ein: Michail Gorbatschow. Angesichts der Ukraine-Krise warnt er nun in einem Interview vor einem erneuten Wettrüsten und einem neuen Kalten Krieg. "Wenn das passiert, ist es ein großer Fehler — von uns allen", sagte er. Zugleich zeigte er Verständnis für die Konfliktparteien — auch für Wladimir Putin.

Seit Monaten schwelt der Konflikt zwischen der Ukraine und Russland. Sanktionen gegen Russland, Drohungen vonseiten Moskaus und Warnungen vonseiten der USA und der EU sind an der Tagesordnung. Nun äußert sich auch der Mann zu dem Konflikt, der mit seiner Politik den Weg zum Ende des Kalten Krieges ebnete: der letzte sowjetische Staatschef, Michail Gorbatschow. Schon Ende August hatte er vor einem "schrecklichen Blutvergießen" gewarnt, sollte der Konflikt nicht bald beigelegt werden.

Im Interview mit dem Schweizer Fernsehen SRF spricht Gorbatschow nun von einem Wendepunkt in der Geschichte. "Mir kommt es so vor, als würde man uns eine neue Version des Kalten Krieges aufdrängen", sagt der Friedensnobelpreisträger, der in Russland weniger angesehen ist als zum Beispiel in Deutschland. "Wenn das passiert, ist es ein großer Fehler — von uns allen", so Gorbatschow.

"Das ist nicht das, was die heutige Welt braucht"

Der inzwischen 83-Jährige fügte hinzu, dass die Konfliktparteien in 40 Jahren Kalter Krieg vieles angerichtet hätten, von dem sich die Menschen weder in den Köpfen noch in der Politik befreien könnten. Dabei hätten die Menschen nach dem Kalten Krieg doch gemerkt, dass alle friedlich zusammenleben könnten. Aber: "Jetzt wird uns die Vorstellung eines neuen Kalten Krieges aufgedrängt." Er verurteile eine solche Politik, betont Gorbatschow in dem Interview. "Das ist nicht das, was die heutige Welt braucht." Der frühere Staatschef spricht dabei immer wieder davon, dass die größte Gefahr vom "militärisch-industriellen Komplex" ausgehe, der "uns wieder in ein Wettrüsten hineinziehen" wolle.

Gorbatschow, der den russischen Präsidenten auch immer wieder angesichts seiner Innenpolitik zum Rücktritt aufgefordert hatte, zeigt nun Verständnis für Wladimir Putin. "Putin wird provoziert, um den Rüstungswettbewerb aufrecht zu erhalten", sagt er in dem Interview. Und er sagt auch: "Wie soll ich mich verhalten, wenn das amerikanische Raketenabwehrsystem vor meiner Gartentür steht?"

"Man versucht, uns wütend zu machen"

Stellung zur Ukraine selbst und dem bewaffneten Konflikt nimmt Gorbatschow laut dem Sender nicht, aber er zeigt nicht nur für Putin, sondern auch für US-Präsident Barack Obama Verständnis. "Ich sehe, wie schwer es für Obama ist. Er gilt als schwach und nicht entscheidungsfreudig." Denn am Ende entscheide er nicht so, wie es der "militärisch-industrielle Komplex" wolle.

Auch zu den Sanktionen gegen Russland äußert er sich. Russland sei ein großes Land mit vielen Ressourcen. Nun aber werde es daran gehindert, damit Handel zu betreiben. "Man versucht, uns wütend zu machen" und "uns zu provozieren", sagt er dazu.

(das)
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