Fragen und Antworten zur Ukraine-Krise Steinmeier: Russland gefährdet Weltfrieden

Berlin · Deutliche Worte vom Bundesaußenminister: Frank-Walter Steinmeier (SPD) hat Russland mit Blick auf den Ukraine-Konflikt eine Gefährdung des Friedens in der Welt vorgeworfen.

Das ist Frank-Walter Steinmeier
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Foto: dpa/Swen Pförtner

"Wer sieben Jahrzehnte nach Kriegsende beginnt, bestehende Grenzen in Europa mutwillig zu korrigieren, der verletzt nicht nur Völkerrecht, sondern der öffnet eine Büchse der Pandora, aus der Unfrieden immer wieder neu entstehen wird", sagte Steinmeier am Mittwoch in der Haushaltsdebatte im Bundestag. "Dafür trägt Russland die Verantwortung."

Umso wichtiger sei es jetzt aber, eine weitere Eskalation des Konflikts zu verhindern, hob der Außenminister hervor. "Wo andere kopflos handeln, da dürfen wir es nicht auch noch sein, sondern müssen für Vernunft in der Außenpolitik stehen", mahnte Steinmeier. Er rief erneut dazu auf, "Russland und die Ukraine in ein direktes Gespräch miteinander zu bringen". Der Minister äußerte die Hoffnung, dass dazu kommende Woche ein erstes Vorbereitungstreffen einer gemeinsamen Kontaktgruppe zustandekommen werde, in der neben Russland und der Ukraine auch die EU und die USA vertreten sein sollen.

Einer Militarisierung der Außenpolitik erteilte Steinmeier erneut eine klare Absage. Zugleich rief er aber die Staaten Europas zu geschlossenem Handeln auf, um das in den vergangenen Jahrzehnten gewachsene europäische Friedenswerk zu bewahren: "Jetzt, wo an der Grenze Europas gezündelt wird, da müssen sich die Staaten Europas geschlossen vor dieses Friedenswerk stellen." Dieses dürfe nicht "in wenigen Wochen wieder zerstört" werden. Der Ukraine bot Steinmeier erneut Unterstützung für den nun dort anstehenden Reformkurs an.

Fragen und Antworten

Ein Ende des Konflikts um die vor dem Staatsbankrott stehende Ukraine ist deshlab nicht in Sicht. Zwar wollen sich bald erstmals Vertreter der EU, der USA und Russlands sowie der Ukraine an einen Tisch setzen, um Lösungswege der Krise auszuloten. Unklar ist aber, ob sie zu einem Ergebnis kommen. Die Gemengelage in Fragen und Antworten:

Wie ist die Lage im russischsprachigen Osten der Ukraine?

In den Städten Lugansk, Charkow und Donezk haben prorussische Kräfte einzelne staatliche Gebäude besetzt und russische Fahnen gehisst. Diese gewaltbereiten Gruppen haben aber bisher kaum Zulauf. Die prowestliche Führung in Kiew sieht sie als Provokateure, bezahlt vom gestürzten und nach Russland geflüchteten Präsidenten Viktor Janukowitsch. Initiativen der Gruppen, unabhängige "Volksrepubliken" auszurufen oder Volksentscheide anzusetzen, laufen ins Leere.

Werden die Gruppen von Russland unterstützt?

Russland weist den Vorwurf offiziell zurück, hinter der Finanzierung dieser gewaltbereiten Kräfte zu stecken. Es gibt anders als zuletzt auf der Krim keine Äußerungen in Moskau, dass diese Kräfte geschützt werden müssten. Allerdings warnte Moskaus Außenministerium vor Gewalt, nachdem die ukrainische Regierung eine härtere Gangart gegen die Aktivisten angekündigt hatte.

Ist ein Vorgehen Russlands wie auf der Halbinsel Krim möglich?

Russland hat die Krim als Sonderfall bezeichnet. Kremlchef Wladimir Putin führte für den Anschluss historische Gründe an - etwa, dass sie seit mehr als 230 Jahren Sitz der Schwarzmeerflotte ist. Im Süden und Osten der Ukraine gibt es keine Mehrheit für eine Vereinigung mit Russland. Die Menschen fühlen sich laut Umfragen als Ukrainer und orientieren sich eher nach Europa als nach Moskau. Nicht zuletzt dürften die wirtschaftlichen Kosten für Russland zu hoch sein - nicht nur wegen drohender Sanktionen der USA und EU.

Also keine Annexion?

Für solche Pläne gibt es keine Hinweise, wie etwa der Politologe Konstantin Satulin in Moskau sagt. Bei der Krim dagegen gab es aus Moskau vorab viele Signale dafür, dass Russland nach Kontrolle der Halbinsel strebt: Besuche von Prominenten auf der Krim, weitreichende Hilfszusagen des Kremls und Propaganda in den Staatsmedien. Wegen der Schwarzmeerflotte war Russland dort auch gleich militärisch präsent.

Trotzdem sprechen einige von Kriegsgefahr - wie groß ist die?

Russland sieht die Nato-Ankündigung, im Osten die Militärpräsenz zu verstärken, mit Sorge. Von russischer Seite bestehe aber keine Gefahr, betont das Außenamt in Moskau. Auch Putin hatte beteuert, dass es keine Einmarschpläne gebe. Allerdings warnen alle Seiten vor einem Bürgerkrieg, sollte sich die Lage zwischen der prowestlichen Führung und den prorussischen Kräften zuspitzen.

Die USA, Russland, die EU und die Ukraine sind bereit zu Verhandlungen über eine Krisenlösung - was wollen die Seiten?

Der Westen will mit Demokratie- und Wirtschaftsreformen, Milliardenhilfen und der Präsidentenwahl am 25. Mai Stabilität erreichen. Vor allem auch Deutschland setzt sich dafür ein, dass Russland bei der Stabilisierung der rückständigen und hoch verschuldeten Ex-Sowjetrepublik hilft. Die EU und USA wissen, dass für sie allein eine Rettung der Ukraine kaum zu bezahlen ist.

Und Russland?

Russland will eine politisch neutrale Ukraine - also Garantien, dass das Land kein Mitglied der Nato wird. Moskau schlägt zudem eine Föderation mit weitgehenden Autonomierechten in den Regionen vor. Die Ukraine befürchtet jedoch den Zerfall, sollten die Gebiete künftig über ihr Schicksal selbst bestimmen. Beobachter erwarten, dass Russland etwa über hohe Gaspreise und wirtschaftlichen Druck alles tun wird, um das Ziel eines föderalen Staates zu erreichen.

Warum streiten der Westen und Russland über die Ukraine?

Die Seiten werfen sich im Ringen um das strategisch wichtige Land mit rund 43 Millionen Einwohnern geopolitische Machtspiele vor. Die Ukraine ist auch das wichtigste Transitland der EU für russische Gaslieferungen. Putin träumt außerdem von einer postsowjetischen Zollunion mit den autoritär geführten Staaten Weißrussland und Kasachstan, die ohne die Ukraine kaum Erfolgschancen hat.

Geht es nur um Wirtschaft?

Russland sieht sich auch bedroht vom Vorrücken westlicher Werte. So arbeitet das Kulturministerium in Moskau gerade an einem Leitbild unter dem Motto: "Russland ist nicht Europa". Staatsmedien warnen etwa vor einer "Homosexualisierung" der Gesellschaft. Zudem geht der Kreml angesichts der revolutionären Ereignisse in der Ukraine immer schärfer gegen Nichtregierungsorganisationen und Oppositionelle vor, die sich für eine Demokratisierung einsetzen.

Wie könnte eine Lösung des Konflikts aussehen?

Am liebsten würde Russland sich wohl mit dem Westen an einen Tisch setzen und über eine Aufteilung der Ukraine verhandeln. Das ist aber unrealistisch. Allerdings hat der Westen selbst eingeräumt, dass es eine Lösung ohne Russland am Ende nicht geben könne. Moskau könnte dafür einen Blockfreien-Status der Ukraine und eine Anerkennung der Krim als Teil Russlands verlangen. Klar ist im Moment nur, dass der Konflikt noch lange nicht beendet ist.

(AFP)
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