EU verhängt erstmals Wirtschaftsstrafmaßnahmen Welche Folgen die neuen Sanktionen gegen Russland haben

Brüssel · Seit Monaten geht die EU in der Ukraine-Krise mit Sanktionen gegen Russland vor. Doch bislang zeigten sich der Kreml und Präsident Wladimir Putin davon recht unbeeindruckt. Nun aber hat die Europäische Union erstmals Wirtschaftssanktionen gegen Moskau beschlossen. Und das dürfte das Land empfindlich treffen. Aber auch auf andere Länder dürften die Maßnahmen Auswirkungen haben. Wir beantworten die wichtigsten Fragen dazu.

Akteure in der Krim-Krise
11 Bilder

Akteure in der Krim-Krise

11 Bilder

Mit den Wirtschaftssanktionen werde eine "starke Warnung" ausgesandt, dass Moskaus Destabilisierung der Ukraine nicht länger hingenommen werde, teilten EU-Ratspräsident Herman van Rompuy und EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso mit. Und auch die USA verkündeten, dass sie ihre Strafmaßnahmen gegen Russland verschärfen wollen. Der Druck auf den Kreml wächst.

Wie genau sehen die neuen Sanktionen aus?

Die letzten Details sind noch nicht bekannt, sie werden vermutlich am Donnerstag verkündet. So ist etwa noch offen, welche Produkte und Firmen genau von den Handelsbeschränkungen betroffen sind und ob dies für laufende Geschäfte oder nur für Neuaufträge gilt. Der grobe Rahmen aber ist bereits bekannt. So soll es neben einem Verbot von künftigen Rüstungslieferungen auch ein Exportverbot für bestimmte Technologiegüter an das russische Militär geben. Das kann etwa Verschlüsselungssoftware sein. Außerdem soll es ein Ausfuhrverbot für Spezialtechnik zur Ölförderung geben. Als Hauptpunkt gelten aber die Sanktionen im Finanzbereich. Russisc hen Banken, an denen der Staat mehr als 50 Prozent hält, soll der Zugang zu westlichen Kapitalmärkten versperrt werden. Diesen wird der Handel mit Anleihen in der EU verboten.

Welche Folgen hat das für Russland?

Russlands Wirtschaftsmodell beruhte bislang ganz entscheidend auf der Gewinnung und dem Export von Energie. Angesichts der Strafmaßnahmen müsste sich das Land nach Alternativen an Lieferanten etwa für die Technologie umsehen. In Bezug auf die Kapitalmärkte dürften die Kosten für die Finanzierung der angeschlagenen russischen Wirtschaft noch einmal steigen. Schon jetzt hat sich das Wachastum in Russland enorm verlangsamt, der Rubel gerät unter Druck. "Die Abhängigkeit Russlands von externen ausländischen Finanzierungen hat in den letzten Jahren stark zugenommen", urteilen die Volkswirte der Hypovereinsbank. Und der Staat hat wachsende Probleme, frisches Kapital aufzunehmen. Der Zinssatz für russische Staatsanleihen ist zuletzt binnen eines Monats auf bis zu 9,4 Prozent gestiegen. Angesichts der neuen Strafmaßnahmen dürfte sich dies nun noch verschärfen.

Wie sehen die neuen Strafmaßnahmen der USA aus?

Bislang hatten die USA einen härteren Kurs in Bezug auf Strafmaßnahmen gegen Russland als die EU gefahren. Angesichts der europäischen Wirtschaftssanktionen legen nun auch noch einmal die Vereinigten Staaten nach. Ihre geplanten Sanktionen betreffen ebenfalls den russischen Energie-, Finanz- und Waffensektor. US-Präsident Barack Obama betonte aber, das dies "kein Kalter Krieg" sei. Die Sanktionen der EU etwa sollen ein Jahr gelten und schon nach drei Monaten überprüft werden.

Welche Folgen haben die Sanktionen für die deutsche Wirtschaft?

Russland hatte 2013 Waren für rund 36 Milliarden Euro in Deutschland gekauft. Das entspricht rund drei Prozent aller Exporte. Die Bundesrepublik steht damit auf Platz 11 der wichtigsten Kunden des Landes. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes führten aber nur zehn Prozent aller Exporteure Waren nach Russland aus. "Für etwa 73 Prozent dieser Unternehmen machen die Exporte maximal ein Viertel ihrer gesamten Exporte aus", heißt es demnach. Dementsprechend werden einzelne Firmen oder Branchen vermutlich deutlich stärker von den Strafmaßnahmen betroffen sein als die Gesamtwirtschaft. Dazu gehört etwa die Maschinebaubranche. Für sie ist Russland der viertgrößte Exportpartner, und die Branche verbucht jetzt schon einen deutlichen Rückgang bei den Exporten in das Land.

Droht jetzt ein Konjunktureinbruch?

Sollte die russische Wirtschaft noch weiter einbrechen, hätte dies zwar auch negative Folgen für Deutschland. Wegen des begrenzten Anteils der Exporte wäre das für die deutsche Wirtschaft aber "wohl verschmerzbar", sagen die Ökonomen der Hypovereinsbank. So hat das arbeitgebernahe Institut der Deutschen Wirtschaft ausgerechnet, dass Sanktionen im schlimmsten Fall das deutsche Bruttoinlandsprodukt um 16,4 Milliarden Euro schmälern könnten — allerdings nur dann, wenn die Exporte nach Russland komplett wegfallen sollten. Und das ist mit den nun angekündigten Sanktionen bei Weitem nicht der Fall.

Wie kann sich Russland wehren?

Russland droht angesichts von Krisen immer wieder mit dem Thema Gas und Öl und diesbezüglich die Exporte einzuschränken. Das hat auch die Ukraine immer wieder spüren müssen. Und so wäre es auch in diesem Fall das effektivste Mittel. Allerdings ist Russland auf die Deviseneinnahmen durch den Export von Öl und Gas angewiesen. Eine Beschränkung schadet damit der russischen Wirtschaft auch selbst.

Was wollen die EU und die USA mit den Sanktionen eigentlich erreichen?

Mit den koordinierten Maßnahmen wollen die Staaten den Druck auf Russland erhöhen, die Unterstützung für die Separatisten im Osten der Ukraine einzustellen und stattdessen zu einer Deeskalation der Lage beizutragen. Präsident Putin hatte dies zwar immer wieder in Aussicht gestellt, doch seinen Worten eher keine Taten folgen lassen. Entsprechend sind die Staats- und Regierungschefs der EU nun mit ihrer Geduld am Ende.

(das/dpa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort