Malaysia Airlines Pressestimmen zum Absturz der MH17
So kommentieren Medien die Lage nach dem Absturz der MH17 in der Ost-Ukraine.
Gazeta Wyborcza (Polen): "Kommen neue Konflikte und Unglücke, rückt die Tragödie der MH 17 in den Hintergrund. Die amerikanischen Sanktionen schmerzen Russland, aber sie bewirken nicht viel, wenn Europa wieder den Schwanz einzieht. Wenn brutale Aggression nicht ausreicht, damit Frankreich sich von der Lieferung moderner Waffen zurückzieht und der Siemens-Chef nicht auf einen Besuch in Putins Datscha verzichten kann, ist das nicht der Beweis für fehlendes Rückgrat, politischen Willen und Vorstellungskraft? ... Wenn das Unglücksflugzeug zur Lufthansa gehörte und 200 Deutschen an Bord gehabt hätte, hätte die Regierung in Berlin vielleicht mehr Mut und die deutschen Konzerne würden länger überlegen, ehe ihre Chefs zu Pilgerreisen um weitere Verträge eilten."
"De Telegraaf" (Niederlande): "Moskau versucht, Anschuldigungen gegen die (pro-russischen ukrainischen) Rebellen zu parieren, indem es erklärt, die Boeing wäre nicht abgeschossen worden, wenn Kiew seine Strafexpedition gegen die "Volksrepubliken Donezk und Lugansk" nicht fortgesetzt hätte. Und zwarmit Unterstützung des Westens. Aber es bleibt eine Tatsache, dass Abschussrampen von Menschen aus Fleisch und Blut bedient werden. Sie und ihre Auftraggeber sind schuld an dieser Katastrophe. Eine internationale Untersuchung muss die Schuldfrage klären. Der Kreml weist zwar alle Verantwortung von sich, er dürfte sich jedoch insgeheimimmer mehr in die Enge getrieben fühlen. Wird Moskau mitwirken an der Suche nach der Wahrheit und Konsequenzen ziehen, wenn sie gefunden ist? Die Antwort lautet: nein. Die kommunistische Sowjetunion mag nicht mehr bestehen, doch anno 2014 bestehen in der Welt im Großen und Ganzen immer noch zwei Wahrheiten: die des Westens und die Russlands. Solange Putin mit seiner antiwestlichen Paranoia im Kreml sitzt, müssen wir mit dieser traurigen Erkenntnis leben."
Pravda (Slowakei): "Die vollständige Wahrheit über den Flug MH17 werden wir vielleicht nie erfahren. Wir wissen aber einiges über die Beteiligten des Konflikts. Die direkten sind Kiew gegen die Separatisten. Indirekter Beteiligter ist aber auch der Westen, der mit seiner Impotenz dazu beiträgt, dass die ukrainische Armee Donezk und Lugansk auch noch in Schutt und Asche schießen wird. Doch irgendwo zwischen allen agiert Russland, das ein falsches Spiel mit ungewissem Ausgang spielt."
Neatkariga Rita Avize (Letlland): "Die Abwendung einer weiteren Eskalation und geografischen Ausweitung des Konflikts liegt nicht bei Putin, sondern in Händen der westlichen Führer. Putin spielt sein Spiel, und es basiert auf der Überzeugung, dass diewestlichen Führer "verweichlichte Botaniker" sind, die nicht in der Lage sind, entschieden und mutig zu handeln und vor starkenAlpha-Männern (zu denensich Putin selbst zählt) kapitulieren. Deshalb ist die einzige Möglichkeit, Putin zu stoppen, zu zeigen, dass es auch im Westen Männer und Frauen gibt, die Stärke demonstrieren und dem Krawallmacher ohne Maß entgegentreten können. Gibt es unter den westlichen Führern solche Politiker? Dies wird sich bald zeigen, da der Destabilisierung der weltweiten Lage Einhalt geboten werden muss."
Latvijas Avize (Lettland): "Zumindest eines ist klar. Es stellt sich nun nicht mehr die Frage, wie man die bewaffnetenMänner im Osten der Ukraine bezeichnet, die mit Moskaus Wohlwollen ihre "Republik" errichten wollen und in bewaffnete Kämpfe verwickelt sind.Sie sind keine Art von "Militanten", "Separatisten", "Föderalisten", "Antifaschisten" oder sonst nochwas, sondern klar und unzweideutig Terroristen, auf deren Konto der Mord an 298 unschuldigen Menschen geht. Bei den Opfern handelt es sich um am Ukraine-Konflikt unbeteiligte Zivilisten(...),die an Bord eines Flugzeugs waren, das über das von den Terroristen kontrollierte Gebiet flog und zum Ziel wurde."
Times (England): "Man kann argumentieren, dass es gefährlich ist, ihn jetzt in die Ecke zu drängen, aber da ist er schon. Seine Unterstützer zu Hause wissen es vielleicht nicht, aber der Mann, dem sie den Wiederaufbau Russlands aus den Ruinen der 90er Jahre zuschreiben, könnte jetzt ebenso zum Verlierer der Geschichte werden wie Oberst Muammar al-Gaddafi, ohne den es keine Explosion des PanAm-Flugs 103 über Lockerbie gegeben hätte. Russlands Anführer könnte es noch aus dieser Ecke schaffen, aber nur, wenn Europas Spitzenpolitiker unter Leitung Angela Merkels ihm klar machen, dass er keine Wahl hat."
La Republique des Pyrenees (Frankreich): "Was ist mit (...) der Boeing 777 der Malaysia Airlines passiert? Auch wenn es sich um russische Raketen handelt, so scheint es, als ob sie von prorussischen Milizen in Gang gesetzt worden seien. Die Amerikaner schließen nicht aus, dass sie von russischen Militärs ausgebildet und angeleitet wurden, ist doch diese Art militärischer Installationen recht komplex. Trotz seines Schweigens seit der Katastrophe ist (der russische Präsident Wladimir) Putin klar im Visier. Seine Projekte eines 'großen Russlands', die die Annexion der Krim und die sezessionistischen Versuche in der Ostukraine erklären, bringen ihm eine Rekord-Popularität bei einer Bevölkerung ein, die durch das Verschwinden der Sowjetunion frustriert ist. Aber sie haben zugleich die Büchse der Pandora eines extremen Nationalismus geöffnet, der die Ursache der Katastrophe ist."
Berliner Zeitung (Deutschland): "Verständnis- und fassungslos steht man nun einer Situation gegenüber, in der selbst die Bergung der Opfer in die Logik der kriegsführenden Akteure und ihrer Unterstützer hineingezogen wird. Die prorussischen Separatisten, die sich eben noch mit ihrer militärischen Omnipotenz brüsteten, wollen es nun nicht gewesen sein und verhindern oder verschleppen die Spurensuche."
Stuttgarter Zeitung (Deutschland): "Warum legt Putin nicht nachprüfbare Erkenntnisse seiner Militärs und Geheimdienste vor, die mit hundertprozentiger Sicherheit wissen, was im Luftraum über und am Boden der Ostukraine passiert? Warum tritt er nicht mit aller Entschiedenheit dafür ein, dass OSZE-Beobachter das abgestürzte Passagierflugzeug unbehelligt untersuchen können? Russlands Verhalten lässt im Moment nur eine Antwort auf diese Fragen zu: Putin fürchtet die Wahrheit. Er will sein Spiel aus Gewaltprojektion und Desinformation weiterspielen. Wenn dem so ist, sollte ihm der Westen klarmachen, dass der Preis dieser Politik steigt - und dafür die Sanktionsschraube schärfer anziehen."
Kölner Stadt-Anzeiger (Deutschland): "Vieles, ja im Grunde alles, spricht dafür, dass solch ein Boden-Luft-Geschoss die Boeing 777 der Malaysia Airlines mit fast 300 Menschen an Bord in Stücke gerissen hat. Die weiträumige Verteilung der Trümmer am Boden belegt eine Explosion in der Luft. Ein US-Satellit hat zudem den Raketenflug beobachtet. Fest steht außerdem: Die ukrainischen Streitkräfte schießen in der Region nicht mit Boden-Luft-Raketen, weil es schlicht keine gegnerischen Ziele am Himmel gibt."
General-Anzeiger (Deutschland): "Russland tut, was der Westen ihm erlaubt, es führt einen Abnützungskrieg gegen die Ukraine, die heraus will aus Moskaus Einflusssphäre. Russland kämpft um seine Machtinteressen, Brüssel und Berlin drücken alle Augen zu: Gott sei Dank, dass Kreml-Chef Putin nicht offiziell einmarschiert, sondern nur Freiwillige und Waffen über die Grenze schiebt! Gott sei Dank, dass er parallel immer neue Waffenstillstände fordert, da können wir auf ernsthaften Sanktionen verzichten. Die könnten ja auch uns weh tun!"
Le Monde (Frankreich): "Wladimir Putin verfolgt mehrere Ziele. Er will zum einen die Garantie dafür, dass Kiew niemals Nato-Mitglied wird. Zum anderen will er das Streben der Ukraine in Richtung Europäische Union aufhalten. Und er will dem Land eine föderale Struktur aufdrängen, die Russland eine Art politisches Mitspracherecht bei Angelegenheiten seines Nachbarn einräumt. Das Problem sind aber nicht einmal unbedingt diese Forderungen. Verhandlungen auf dieser Basis wären durchaus denkbar. Das Problem ist die Unaufrichtigkeit des Kreml, die Art und Weise, wie er den Konflikt weiter anstachelt, indem er seine Grenze geöffnet lässt, und sich weigert, eine Vermittlerrolle gegenüber den Separatisten zu übernehmen. Man darf hoffen, dass das Malaysia-Airlines-Drama Moskau dazu bringt, über die Sinnlosigkeit seiner Politik nachzudenken."
Nürnberger Nachrichten (Deutschland): "Putin hat Öl ins Feuer gegossen, immer mehr Kämpfer, Panzer und Gewehre über die Grenze geschickt - den Krieg zu beenden hat er nicht wirklich versucht. Die Welt weiß das und Putin selbst weiß es ebenfalls. Deshalb sind die 298 Toten der MH17 auch eine schreckliche, womöglich letzte Mahnung an den russischen Präsidenten: Dem Blutvergießen in der Ukraine endlich entschlossen Einhalt zu gebieten."
Tages-Anzeiger (Schweiz): "Die Abschussszenarien führen dramatisch vor Augen, wie weit der Wahnsinn in der Ostukraine inzwischen gediehen ist. Moskau heizt die Spannungen verantwortungslos an, nur um den Nachbarn erpressbar zu halten. Kiew stellt Millionen seiner Landsleute faktisch unter Terrorverdacht und will den Osten ohne Rücksicht auf Verluste unter Kontrolle bringen. Reiche und mächtige Ostukrainer tun das ihre dazu, den Konflikt am Schwelen zu halten, um ihre Pfründen zu retten. Sollte das Flugzeug wirklich abgeschossen worden sein, müssen harsche internationale Reaktionen allen Parteien endgültig klar machen, dass es keinen anderen Weg gibt als sofortige, bedingungslose Gespräche."
Liberation (Frankreich): "Die beiden Seiten weisen sich gegenseitig die Verantwortung für dieses schreckliche Fehlverhalten zu: Schon Donnerstagabend beschuldigten sich die (prorussischen) Separatisten und die ukrainische Regierung gegenseitig, das Flugzeug zerstört zu haben. Russland (...) kann auch verdächtigt werden. Diese Tragödie sollte die internationale Gemeinschaft dazu bringen, eine dauerhafte Lösung für diesen Krieg im Herzen Europas zu finden. (...) Schon vor dem Absturz des Flugzeuges von Malaysia Airlines bereiteten Europa und die USA Sanktionen gegen Russland vor. Frankreich, das dabei ist, zwei Kriegsschiffe an die russische Marine zu liefern, wird erneut vorgeworfen werden, ein doppeltes Spiel zu spielen."
Le Telegramme (Frankreich): "Die wahrscheinlichste Annahme ist, dass die Explosion (des Flugzeuges) durch eine Rakete ausgelöst wurde, aber woher kam sie und wer hat sie abgeschossen? Das ist zu diesem Zeitpunkt ein Rätsel, während sich die prorussischen Separatisten im Osten der Ukraine und die Regierung in Kiew gegenseitig dieser verbrecherischen Operation beschuldigen. Es wird Zeit brauchen, um eine Antwort zu bekommen, aber es wird sie geben. Die westlichen Militärkräfte, genauso wie die Nato, überwachen nun die Gegend (...) mit beachtlichen Mitteln und der Abschuss einer Rakete, die fähig ist, ein Ziel abzuschießen, das mit 900 Stundenkilometern in einer solchen Distanz fliegt, kann mit technischen Mitteln nachgewiesen werden, insbesondere vom Weltraum aus. (...) Eine unabhängige internationale Untersuchung ist geboten."
Die Welt (Deutschland): "Denen, die sich vorstellen könnten, Putin habe "die Kontrolle" über die Separatisten verloren, sei gesagt: Er doch nicht. Dass sie, was die Flugschreiber angeht, nun einlenken, wie mag es wohl kommen? Vielleicht, weil David Cameron, François Hollande und Angela Merkel die Sanktionen gegen Russland verschärfen wollen. Das ist wohl die einzige Sprache, die der raffinierte Ideologe Putin versteht. Der britische Premier (und eben nicht Angela Merkel!) schrieb einen bemerkenswerten Gastbeitrag, in dem er der EU vorwarf, die Konfrontation mit Moskau zu scheuen. "Es ist aber an der Zeit, dass wir unsere Macht, unseren Einfluss und unsere Ressourcen einsetzen." Cameron hat recht. Es ist an der Zeit, dass Europa beweist, wie mächtig es tatsächlich ist."