298 Tote in der Ost-Ukraine Separatisten lagern Absturz-Opfer in Kühlwagen

Kiew/Berlin · Die Regierung in Kiew wirft den Aufständischen vor, sie vertuschten Spuren eines Abschusses des Passagierflugzeuges.

Malaysia Airline: Verzweifelte Angehörige in den Niederlanden
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Nach dem Absturz der malaysischen Passagiermaschine über der Ost-Ukraine sind der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zufolge die sterblichen Überreste zahlreicher Opfer zunächst in die Stadt Tores gebracht worden. Drei Kühlwaggons stünden inzwischen auf dem örtlichen Bahnhof, sagte Michael Bociurkiw von der OSZE. Die Separatisten hätten von 167 Opfern in den Waggons gesprochen, diese Zahl habe aber nicht geprüft werden können.

Die Aufständischen erklärten, die sterblichen Überreste hätten seit dem Absturz am Donnerstag in großer Wärme gelegen und hätten "aus hygienischen Gründen" abtransportiert werden müssen. Hingegen wirft die Führung in Kiew den militanten Gruppen die Vernichtung von Beweisen vor. Der Anführer der Separatisten, Alexander Borodai, sagte, einige Gegenstände des Flugzeugs und "vielleicht auch die Flugschreiber" seien in ihrer Hand.

Deutschland, Frankreich und Großbritannien forderten vom russischen Präsidenten Wladimir Putin, dass er auf die Separatisten einwirke, damit diese den ausländischen Ermittlern uneingeschränkten Zugang zu der Absturzstelle gewährten. Sollte Russland nicht umgehend in diesem Sinne handeln, würde die Europäische Union beim morgigen Treffen ihrer Außenminister entsprechende Schlussfolgerungen ziehen, erklärte das französische Präsidialamt nach einem Telefongespräch von Präsident François Hollande mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und Premierminister David Cameron. Großbritannien hatte zuvor für eine Verschärfung der Sanktionen gegen Russland plädiert.

Kritik an den Folgen der Strafmaßnahmen kam vonseiten deutscher Wirtschaftsvertreter: So leidet nach Einschätzung des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) jedes vierte deutsche Exportunternehmen unter den bisher verhängten Sanktionen der EU und der USA gegenüber Russland. "Deutsche Unternehmen mit russischem und mit US-Geschäft müssen ihre Geschäftsbeziehungen auf die zwischen USA und EU unterschiedlichen Sanktionsbestimmungen hin überprüfen und in der Folge beachten", sagte DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier. Ungeachtet dessen schloss sich auch CSU-Chef Horst Seehofer der Forderung nach einer Verschärfung der Sanktionen gegen Russland an.

Aus Deutschland brachen gestern zwei Unfallexperten zu der Absturzstelle in der Ost-Ukraine auf. Sie würden mit den Experten anderer Länder zusammenarbeiten, um die Hintergründe des Absturzes zu ergründen, teilte das Verkehrsministerium in Berlin mit.

Im UN-Sicherheitsrat wurde eine Resolution vorbereitet, um den mutmaßlichen Abschuss der Maschine zu verurteilen. Darin sollen zugleich die Separatisten aufgefordert werden, den Zugang zur Absturzstelle zu ermöglichen. An die Staaten der Region soll die Aufforderung ergehen, bei der internationalen Untersuchung zu kooperieren. Diplomaten zufolge könnte bereits heute über den Entwurf abgestimmt werden.

Die ukrainische Regierung teilte gestern mit, sie habe unumstößliche Beweise dafür, dass Flugabwehrraketen des Typs BUK nicht nur von Russland aus in die Ukraine gebracht worden, sondern auch von drei Russen bedient worden seien. Inzwischen seien die mobilen Waffensysteme wieder nach Russland zurückgebracht worden. Die USA gehen davon aus, dass die Maschine von einem solchen Flugabwehrsystem abgeschossen wurde. Außenminister John Kerry sagte in einem CNN-Interview: "Die Beweise zeigen klar auf die Separatisten."

Der ukrainische Ministerpräsident Arseni Jazenjuk sagte der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung", bei der Bedienung des Raketensystems sei "sehr professionelles Personal nötig, um Ziele zu finden und die Rakete abzufeuern". Es sei bekannt, "dass diese Systeme nicht von betrunkenen Gorillas bedient werden können". Möglicherweise seien diese Leute aus Russland gekommen. Eine Schuld der ukrainischen Armee schloss Jazenjuk aus: "Sämtliche Boden-Luft-Raketen der Ukraine sind anderswo stationiert." Das "Wall Street Journal" berichtete, nach Erkenntnissen der US-Geheimdienste habe Russland wahrscheinlich kürzlich die Rebellen mit modernen Luftabwehr-Raketen beliefert.

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko warf den Separatisten die Plünderung der Absturzstelle vor: "Der Diebstahl von Kreditkarten und anderer persönlicher Gegenstände - das, was die Terroristen mit den Körpern der Opfer machen - ist außerhalb des Rahmens der menschlichen Moral", sagte er nach eigenen Angaben während eines Telefonats mit Kanzlerin Merkel.

(mar/RP)
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