Umbruch in der Ukraine Viktor Janukowitsch versteckt sich angeblich im Kloster

Moskau · Während der russische Regierungschef Dmitri Medwedew die Legitimität der neuen ukrainischen Führung infrage gestellt hat, hält sich der mit Haftbefehl gesuchte ukrainische Ex-Präsident Viktor Janukowitsch angeblich in einem Kloster des orthodoxen Moskauer Patriarchats in der Ukraine auf. Ein Kirchenfürst dementiert am Abend jedoch die Meldung.

Das meldete der russische Auslandsrundfunk am Montag unter Berufung auf einen ukrainischen Abgeordneten. Eine Bestätigung liegt nicht vor. Am Nachmittag folgte ein Dementi der orthodoxen Kirche in der Ukraine: Der gesuchte ukrainische Ex-Präsident Viktor Janukowitsch halte sich nicht in einem Kloster bei Donezk auf. Der örtliche Metropolit Hilarion sagte am Montagnachmittag der ukrainischen Nachrichtenagentur UNIAN: "Das ist vollkommener Unsinn." Der Abgeordnete Alexander Briginez hatte behauptet, Janukowitsch sei in einen Bunker des Nikolausklosters in Wolnowacha nahe der Grenze zu Russland geflohen.

Seit dem Wochenende ist Janukowitsch von der Bildfläche verschwunden. Am Samstagabend hatte er sich in einer TV-Ansprache aus der Stadt Charkow gemeldet. Inzwischen wird er von seinen Widersachern per Haftbefehl gesucht. Ihm wird Massenmord vorgeworfen.

Der Ex-Präsident ist ein orthodoxer Christ. Er ließ sich im Februar 2010 unmittelbar vor seiner Vereidigung als Präsident demonstrativ vom eigens angereisten russisch-orthodoxen Patriarch Kyrill I. segnen.

Am Donnerstag hatte eine andere große Kirche des Landes, die ukrainisch-orthodoxe Kirche, die Fürbitten für die Regierung in ihren Gottesdiensten eingestellt. Ab sofort sollte stattdessen für das Volk gebetet werden. Der Heilige Synod, dem Patriarch Filaret (85) und zehn Bischöfe angehören, begründete dies damit, dass die Regierung Aufrufe der Kirchen missachtet habe, keine Menschen zu töten oder gegen sie Gewalt anzuwenden.

Der russische Regierungschef Dmitri Medwedew hat derweil die Legitimität der neuen ukrainischen Führung infrage gestellt. Die neuen Spitzen seien aufgrund eines "bewaffneten Aufruhrs" an die Macht gekommen, sagte Medwedew nach Berichten russischer Nachrichtenagenturen am Montag. Daher gebe es "große Zweifel" an ihrer Legitimität.

Russland wisse derzeit nicht, wer sein Ansprechpartner in Kiew sei. Westliche Staaten kritisierte Medwedew für ihre rasche Anerkennung der neuen Staatsführung nach dem Sturz von Präsident Viktor Janukowitsch.

Dieser war am Wochenende untergetaucht. Inzwischen verabschiedete das Parlament einige Gesetze, die einen klaren Bruch mit dem Kurs des pro-russischen Janukowitsch darstellen und wählte den bisherigen Oppositionellen Alexander Turtschinow zum Übergangspräsidenten.

EU bietet Hilfe an

Unterdessen will die Europäische Union mit einer neu gewählten Regierung in der Ukraine erneut über die Unterzeichnung des blockierten Assoziierungsabkommens verhandeln. "Wir sind bereit, das Assoziierungsabkommen zu unterzeichnen und dem Land in diesen schwierigen Zeiten zu helfen", sagte EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy am Montag in Brüssel. Ein Sprecher der EU-Kommission erklärte, die Gespräche über das Abkommen sollten aber nicht mit der aktuellen Übergangsregierung, sondern erst mit einer neu gewählten und von der Bevölkerung legitimierten Führung aufgenommen werden.

Der gestürzte ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch hatte die Unterzeichnung des Abkommens inklusive eines Freihandelsvertrags im November unter dem Druck Russlands gestoppt und damit die blutigen Proteste ausgelöst, die nun zu seiner Absetzung führten. Neuwahlen sollen am 25. Mai stattfinden. Neben der politischen Krise wird das Land auch von massiven wirtschaftlichen Problemen belastet: Nach Angaben des Finanzministers der Übergangsregierung, Juri Kolobow, benötigt die Ukraine finanzielle Unterstützung in Höhe von bis zu 35 Milliarden Dollar (25,5 Milliarden Euro) in diesem und dem kommenden Jahr.

Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton führe in Kiew Gespräche mit allen Seiten über die Frage, wie der Ukraine "kurz-, mittel- und langfristig" geholfen werden könne, sagte der EU-Kommissionssprecher. Die EU stehe deswegen auch mit dem IWF, der Europäischen Investitionsbank (EIB) und der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) in Kontakt. Erweiterungskommissar Stefan Füle kam demnach am Montag mit der EBRD-Spitze zusammen, bei dem Treffen könne es auch um die von der Pleite bedrohte Ukraine gehen.

Einzelheiten zu einem möglichen Hilfspaket sowie einem Beitrag der Europäer nannte der Sprecher nicht, sagte aber: "Am Ende werden wir eine bedeutende Summe finden, um der Ukraine zu helfen." Überlegungen für eine vom ukrainischen Finanzminister Juri Kolobow ins Spiel gebrachte Geberkonferenz konnte der Sprecher nicht bestätigen. Er betonte aber, dass finanzielle Hilfe für das Krisenland an wirtschaftliche Reformen in der Ukraine gebunden werde.

Keine Aussage machte der Kommissionssprecher zu der Frage, ob die derzeit beratenen EU-Sanktionen gegen die Verantwortlichen für die Gewalt in der Ukraine auch auf Janukowitsch zielen werden. Die EU-Außenminister hatten vergangene Woche Einreiseverbote und Kontosperren beschlossen, ohne jedoch bereits die Namen der Sanktionierten festzulegen.

Mit einer konkreten Liste ist EU-Diplomaten zufolge in dieser Woche zu rechnen, auch eine Nennung Janukowitschs ist demnach nicht mehr auszuschließen. Der neu eingesetzte Innenminister der Übergangsregierung in Kiew, Arsen Awakow, teilte mit, gegen Janukowitsch werde wegen "Massenmords" ermittelt. Der Kommissionssprecher unterstrich, dass über die Umsetzung der Sanktionen "im Lichte" der Ereignisse in der Ukraine entschieden werde.

Nato überlässt Ukraine die Wahl

Unterdessen hält die Nato eine Entscheidung der Ukraine über eine mögliche Mitgliedschaft im Nordatlantischen Bündnis derzeit nicht für wichtig. "Ganz offenkundig hat die Ukraine dringende Probleme daheim zu lösen. Deswegen ist dies nicht die Zeit, um darüber zu diskutieren", sagte Nato-Sprecherin Oana Lungescu am Montag in Brüssel. "Es ist Sache der Ukraine zu entscheiden, welche Art von Beziehung sie mit der Nato haben möchten."

Die Staats- und Regierungschefs der Nato hatten 2008 in Bukarest beschlossen, dass sowohl die Ukraine als auch Georgien Mitglieder der Nato werden, sobald die sie Voraussetzungen dafür erfüllen. Nach der Ablösung von Präsident Viktor Juschtschenko ließ dessen Nachfolger Viktor Janukowitsch den Beitrittsantrag ruhen. Dennoch nehmen die ukrainischen Streitkräfte an gemeinsamen Operationen mit der Nato teil.

(KNA/AP)
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