Ost-Ukraine Russland zieht Truppen von der Grenze ab

Moskau · Die Bedingungen für ein Referendum über eine Unabhängigkeit der Ost-Ukraine sind aus Sicht des russischen Präsident Putin nicht gegeben. In der Region toben Kämpfe. Kiew bekommt wegen seines Militäreinsatzes Gegenwind. Die Präsidentenwahl steht auf der Kippe.

Ukraine: Separatisten demütigen Polizeibeamte
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Russlands Präsident Wladimir Putin hat eine Verschiebung des umstrittenen Unabhängigkeitsreferendums in der Ost-Ukraine gefordert. Es müssten erst die Bedingungen dafür geschaffen werden, sagte Putin der Agentur Interfax zufolge am Mittwoch in Moskau. Russland hat zudem nach Angaben von Präsident Wladimir Putin seine Truppen von der ukrainischen Grenze zurückgezogen.

Die moskautreuen Kräfte in den russisch geprägten Gebieten Donezk und Lugansk wollen am Sonntag (11. Mai) in einer Volksabstimmung klären lassen, ob es eine Abspaltung von Kiew geben soll. Sie wollen als eigene Volksrepubliken fortbestehen. Wie die USA kündigte auch die Bundesregierung an, eine solche Abstimmung nicht anzuerkennen.

Putin forderte nach einem Treffen mit dem OSZE-Präsidenten Didier Burkhalter zudem die Entwaffnung extremistischer regierungstreuer Gruppierungen sowie ein Ende der Gewalt. Er rief insbesondere die Führung in Kiew auf, ihre "Anti-Terror-Operation" im Osten einzustellen. Dies wurde auch international angemahnt.

Eine Beendigung der Offensive gegen die prorussischen Separatisten sei nötig, um einen regulären Ablauf der Präsidentenwahl am 25. Mai zu gewährleisten, sagte der Russland-Beauftragte der Bundesregierung, Gernot Erler, der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Vor seiner Moskau-Reise hatte der schweizerische Bundespräsident Burkhalter eine Waffenruhe gefordert.

Im Osten der Ukraine toben heftige Kämpfe, viele sprechen von bürgerkriegsähnlichen Zuständen. Regierungstruppen gehen hier gegen prorussische Kräfte vor, beide Seiten berichteten von zahlreichen Toten. Separatisten fordern dort mehr Eigenständigkeit bis hin zu einem Anschluss an Russland.

Ukraine: Brand und Krawalle in Odessa - Dutzende Tote
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Die Gewalt droht die für Ende Mai geplante Präsidentenwahl zu gefährden. In Kiew - aber auch im Westen - gilt diese als Ausweg aus der Krise. Sie sei der "Schlüssel für die Stabilisierung", betonte Regierungschef Arseni Jazenjuk. Der Westen wirft Russland vor, die Wahl am 25. Mai torpedieren zu wollen. Die Regierung in Moskau erkennt die Übergangsregierung in der Ex-Sowjetrepublik nicht an. Sie fürchtet nach dem Sturz von Präsident Viktor Janukowitsch im Februar um ihren Einfluss in dem Land und der Region. Die prowestliche Regierung in Kiew wirft Moskau "Kriegstreiberei" vor. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) soll einen fairen Wahlverlauf mit gut 1000 Beobachtern sicherstellen.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) befürchtet, dass in der Region ein offener militärischer Konflikt mit unabsehbaren Folgen entsteht. Er macht sich deshalb für eine zweite internationale Krisenkonferenz zur Ukraine noch vor der Wahl am 25. Mai stark.

Angriff in Slawjansk: Gewalt in der Ukraine eskaliert
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Ob es dazu allerdings kommt, ist ungewiss. Die Kiewer Übergangsregierung hatte die Forderung Moskaus zurückgewiesen, die prorussischen Kräfte aus dem Osten an Verhandlungen zu beteiligen.
Auch der aussichtsreichste Kandidat bei der ukrainischen Präsidentenwahl, Pjotr Poroschenko, lehnte dies am Mittwoch bei einem Besuch in Berlin ab.

Bei einem ersten Treffen in Genf Mitte April hatten die EU, die USA, Russland und die Ukraine unter anderem eine Entwaffnung illegaler Einheiten und die Räumung besetzter Gebäude vereinbart. Umgesetzt werden die Beschlüsse allerdings bisher nicht. Der Westen sieht hier insbesondere Russland in der Pflicht. EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy drohte am Mittwoch mit weiteren Sanktionen.

In der Krisenregion gingen die Kämpfe derweil weiter. Das Kiewer Innenministerium bestätigte den Einsatz von Militärtechnik und Hubschraubern in der Protesthochburg Slawjansk. Im südostukrainischen Mariupol nahe der Grenze zu Russland vertrieben Regierungskräfte nach Wochen der Besetzung prorussische Kräfte zunächst aus dem Stadtrat. Später sollen Separatisten das Gebäude wieder eingenommen haben. Etwa 15 Menschen seien bei einem Gaseinsatz der Polizei verletzt worden, behaupteten Aktivisten. Im östlichen Lugansk besetzten moskautreue Kräfte widerstandslos das Gebäude der regionalen Staatsanwaltschaft.

Das nahezu bankrotte Land erhielt derweil Medienberichten zufolge die erste Tranche eines überlebenswichtigen Kredits des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Höhe von 3,19 Milliarden US-Dollar (2,29 Milliarden Euro). Insgesamt will der IWF 17 Milliarden Dollar bereitstellen. Russland fordert von dem Nachbarland weiter die Begleichung von Milliardenschulden für nicht bezahlte Gasrechnungen.

Die Nato erwägt unterdessen, dauerhaft Truppen in Osteuropa zu stationieren. Der oberste Nato-Kommandeur, General Philip Breedlove, sagte nach Angaben des kanadischen Senders CBC am Dienstag vor Journalisten in Ottawa, die Idee werde den politischen Führern der Mitgliedsstaaten zur Diskussion vorgelegt, und es sei abzuwarten, was dabei herauskomme.

(dpa)
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