Alternativen zur Abschiebehaft UN rügt Deutschland für Abschiebehaft

Genf · Die UN-Arbeitsgruppe zu willkürlicher Inhaftierung hat Deutschland dafür kritisiert, ausreisepflichtige Ausländer zu leichtfertig in Abschiebehaft zu nehmen sowie in Asylschnellverfahren an Flughäfen rechtsstaatliche Standards zu verletzen. In seinem Bericht, der am Dienstag im Menschenrechtsrat in Genf diskutiert wird, bemängelt das Gremium von drei Experten insbesondere die Unverhältnismäßigkeit der Abschiebehaft wegen illegaler Einreise.

Bei Minderjährigen sei eine Inhaftierung nicht mit dem Kindeswohl zu vereinbaren, schon gar nicht, wenn Kinder ohne ihre Eltern nach Deutschland kämen. Die Arbeitsgruppe warf Deutschland weiter vor, 16- und 17-Jährige entgegen der UN-Kinderrechtskonvention im Asylverfahren wie Erwachsene zu behandeln und ihnen keinen Vormund zur Seite zu stellen.

In Asylschnellverfahren an Flughäfen, wie sie etwa in Frankfurt durchgeführt würden und für den künftigen Großflughafen Berlin-Brandenburg geplant seien, stünden den Schutzsuchenden gegen eine Ablehnung ihres Antrags nur drei Tage für eine Klagebegründung zur Verfügung. Das ist nach Ansicht der UN-Experten zu kurz. Das UN-Expertengremium hatte Deutschland zwischen dem 26. September und dem 5. Oktober 2011 besucht.

Die Gerechtigkeit bleibe auf der Strecke

Der Direktor des Jesuiten-Flüchtlingsdienstes, Martin Stark, wertete den Bericht als einen "erneuten Appell, auf das Flughafenverfahren am neuen Berliner Willy-Brandt-Airport zu verzichten". Er verwies auf die gemeinsame Erklärung von Kirchen, Flüchtlingsräten und anderen Organisationen, die sich Ende Januar gemeinsam gegen den Bau einer entsprechenden Einrichtung gewandt hatten. "Flughafenverfahren werden in aller Eile geführt. Die Gerechtigkeit bleibt dabei auf der Strecke", kritisierte Stark.

Er begrüßte die Forderung der UN-Arbeitsgruppe, Alternativen zur Abschiebehaft zu suchen. Der Flüchtlingsdienst habe schon 2010 in einer europaweiten Studie nachgewiesen, dass diese Haft psychisch und körperlich krank mache. "Das ist nicht hinnehmbar", sagte Stark. Ein Großteil der Inhaftierten seien heute Asylbewerber, die wegen der europäischen Zuständigkeitsregeln für die Durchführung von Asylverfahren in einen anderen EU-Staat gebracht werden sollten. "Diese Menschen fliehen nach Europa, und wir stecken sie hinter Gitter. Das ist eine traumatisierende Erfahrung", kritisierte Stark.

(KNA)
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