Umstrittene Abgabe Ungarn zieht geplante Internetsteuer zurück

Budapest · Die ungarische Regierung hat die umstrittene Internetsteuer zurückgenommen. In den vergangenen Tagen hatten tausende Menschen in Budapest mit ihren Handys gegen die Einführung protestiert.

Demonstranten wehren sich gegen Internetsteuer
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Demonstranten wehren sich gegen Internetsteuer

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Unter dem Druck massiver Proteste hat Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban die Rücknahme seiner Pläne zu einer umstrittenen Internetsteuer angekündigt. Die Steuer könne nicht in der derzeitigen Form eingeführt werden, sagte der Regierungschef am Freitag in einem Radiointerview. Die "Umstände" ließen ein Inkrafttreten der Steuer derzeit nicht zu.

Zugleich stellte Orban weitere Beratungen hinsichtlich der Steuer in Aussicht. Eine entsprechende "nationale Konsultation" solle im Januar stattfinden.

Die Pläne sahen vor, eine Steuer von 150 Forint (rund 0,50 Euro) pro übertragenem Gigabyte Daten zu erheben. Sie sollte für Privatleute auf maximal rund zwei Euro pro Monat begrenzt werden. Gegen das Vorhaben hatte es zuletzt Massenproteste gegeben.

Großdemo in Budapest

Am Wochenende gingen Zehntausende Menschen in Budapest und anderen Städten auf die Straße. Tausende Demonstranten marschierten zum Hauptquartier der Regierungspartei Fidesz. Mit Schlachtrufen wie "Freiheit und Internet" und "Orban, hau ab!" forderten sie die Rücknahme des Internetgesetzes.

Die Facebook-Initiative "Milla" ("Eine Million für die Pressefreiheit") erzielte binnen zwei Tagen über 200.000 "Gefällt mir"-Klicks. Die Szenerie erinnerte an die antikommunistischen Proteste zur demokratischen Wende vor 25 Jahren, deren Anführer Orbán war.

Die Regierung zeigte sich von dem Wutsturm auf der Straße zunächst überrascht. Umgehend gab Fidesz-Fraktionschef Antal Rogan bekannt, dass die Internetsteuer auf 700 Forint (2,30 Euro) monatlich gedeckelt werde - was die Demonstranten aber nicht beruhigte.

Steuer als indirekte Zensur

Nach Angaben der Kritiker sollte die Steuer auch dazu dienen, Gegner der Regierung zu schwächen, die sich vielfach über Online-Medien Gehör verschaffen. Ähnliche Kritik kam auch aus Brüssel.

In den vergangenen Jahren hatte die EU-Kommission immer wieder Kritik an der Regierung des rechtskonservativen Ministerpräsidenten geübt. Dabei ging es insbesondere um die Medien-, aber auch um die Justizfreiheit in dem osteuropäischen Land.

Mit dem neuen Vorstoß einer Internet-Steuer ist der Unmut über die Regierung Orbans in der Bevölkerung weiter gewachsen. Vor allem wegen deren Korruptionsaffären. 40 Prozent der Ungarn leben unter oder an der Armutsschwelle. Dennoch schwelgen hohe Fidesz-Funktionäre im staatlich begünstigten Reichtum, reißen sich der Partei nahestehende Oligarchen die Wirtschaft unter den Nagel und werden bei der Vergabe staatlicher Aufträge begünstigt. Unternehmen, die sich den Schmiergeldforderungen verweigern oder nicht genügend zahlen können, gehen leer aus.

(AFP)
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