Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen — die "Mutter der Kompanie"

Masar-I-Sharif · Die neue Verteidigungsministerin hat in Afghanistan die Soldaten emotional überwältigt – und der Öffentlichkeit klare Signale gesendet.

Dezember 2013: Von der Leyen in Afghanistan
12 Bilder

Dezember 2013: Von der Leyen in Afghanistan

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Die neue Verteidigungsministerin hat in Afghanistan die Soldaten emotional überwältigt — und der Öffentlichkeit klare Signale gesendet.

Es ist ein Lächeln, für das die deutsche Sprache nur "strahlend" als passende Präzisierung kennt. Und zwar ganz gleich, ob Dienstagmittag im feinen Schloss Bellevue mit Bundespräsident Joachim Gauck in Berlin oder sechs Tage später auf dem staubigen Explosivstoffe-Übungsgelände mit Soldaten der deutschen schnellen Eingreif-Kampftruppe in Afghanistan: Ursula von der Leyen (CDU) lässt ihren Blick von ganz rechts bis ganz links schweifen, schaut in jede Kamera, als säße dahinter ein guter Bekannter, den man freudestrahlend nach langer Zeit endlich wieder sieht. Kommunikationsexperten nennen das "Flirten mit der Kamera", und die neue Verteidigungsministerin beherrscht das perfekt.

Ursula von der Leyen hat an zwei Tagen in Afghanistan die Soldaten emotional überwältigt und der breiten Öffentlichkeit über die Bilder schon einmal die ins Unterbewusstsein aller Betrachter schleichende Information vermittelt, dass sie von dem neuen Amt ganz offensichtlich nicht überfordert ist.

Mit 55 Jahren hat die siebenfache Mutter genau das Alter, in dem auch typische Soldaten-Mütter sind. Indem sie im kleinen Gespräch wie auch in ihrer Ansprache klar machte, "mit ganzem Herzen stolz und dankbar" zu sein, die Verteidigungsministerin dieser Soldatinnen und Soldaten sein zu dürfen, übertrug sie ohne jeden Zeitverzug die private Mutterrolle auf ihre öffentliche Aufgabe. Der sprichwörtliche "Spieß" als "Mutter der Kompanie" hat seit von der Leyens Afghanistan-Reise zum Auftakt ihrer Amtszeit ausgedient. Gegen diese Frau kommt er nicht mehr an.

Ob die Übernahme dieses Rollenmodells wohlkalkuliert ist oder ihrer tiefsten Empfindung entspricht, kann letztlich nur sie entscheiden, wenn sie sich bewusst wird, wann sie sich die Schlussformulierung ihrer kleinen Ansprache beim Weihnachtsmarkt in Masar-i-Sharif zurechtlegte: Schon bei der Vorbereitung der Reise oder ganz spontan in dem Augenblick, in dem sie den Soldaten eben nicht das wünschte, was alle Verteidigungsminister vor ihr bei solchen Gelegenheiten zu sagen pflegten: Glück, Gesundheit, Kameradschaft, Frieden, Harmonie und vor allem eine unversehrte Rückkehr in die Heimat. All das schob von der Leyen beiseite, als sie "ihren" Soldaten schlicht sagte: "Seien Sie behütet." So spricht keine Vorgesetzte zu ihren Untergebenen. So wendet sich nur eine Mutter an ihre Söhne und Töchter.

Zur perfekten Inszenierung gehört natürlich auch, die einmal beabsichtigten und dann gelungenen Bilder vom direkten Kontakt zwischen der "Mutter" und ihrer "Kompanie" nicht durch andere Impressionen überlagern zu lassen. Ihr Umfeld hatte dafür in groben Zügen bereits vorgesorgt. Zwar blieb die Darstellung des Einsatzgeschwaders vollständig, indem als Fluggerät nicht nur "Transall", "NH-90", "CH-53" und "Tiger" aufgebaut waren, sondern auch die Aufklärungsdrohne "Heron". Doch anders als bei den anderen Fluggeräten stand die Bedienungsmannschaft nicht davor, sondern etliche Meter davon entfernt, so dass die Ministerin zwar mit den Soldaten sprechen konnte, dabei aber keine Fotos von ihr mit Drohne entstehen konnten. Angesichts der Schwierigkeiten ihres Vorgängers mit diesem Thema wäre die Ministerin Gefahr gelaufen, dass das eine oder andere Foto von heiler "Mutter der Kompanie"-Soldatenwelt durch eine perspektivische "Die neue Chefin der Rüstungsprobleme"-Bebilderung abgelöst worden wäre.

Die Motivation ihrer Reise verhehlte sie nicht. Das Entscheidende dieses Truppenbesuches sei nun einmal, dass "der Mensch im Mittelpunkt" stehen solle, erläuterte die Ministerin. Dabei verknüpfte sie die Erwartungshaltung gegenüber neuen Rüstungsbeschaffungen mit den "Mutter der Kompanie"-Gefühlen, indem sie eine klare Priorisierung festlegte. Es sei zwar wichtig, effiziente und kostengünstige Systeme zu beschaffen. Doch bleibe für sie oberste Orientierung: "Das Wichtigste ist der Mensch und sind nicht die Materialkosten."

Auf diese Weise hat sich von der Leyen schneller als alle anderen Kabinettsmitglieder in weniger als einer Woche in Stellung gebracht. Die Bilder vermitteln die unterschwellige Botschaft: Dieser Frau können nicht nur Mütter und Väter ihre Söhne und Töchter beruhigt anvertrauen, sondern dieser Ministerin die Bürger bedenkenlos auch die Bundeswehr. Und demnächst vielleicht auch mehr: "Mutti" lautet der in Berlin für die Kanzlerin gebräuchliche Kosename. Sie hat Konkurrenz bekommen.

(RP)
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